- Kein Mensch wei? wo, Herr College? versetzte Herr Felipe scharf. Sie scheuen vor solchen entehrenden Ausdrucken nicht zuruck, wo es sich um den Atabapo handelt, der aus den vom Rio Negro bewasserten Ilanos hervorbricht - ganz abgesehen davon, da? der machtige Flu?lauf einen Verbindungsweg mit dem Becken des Amazonenstromes bildet!

- Das Wasser Ihres Atabapo aber ist pechschwarz, und es gelingt ihm nicht einmal, sich mit dem des Orinoco zu vermischen!

- Das Ihres Guaviare dagegen ist lehmig, schmutziggelb, und Sie waren nicht im Stande, es nur wenige Kilometer stromabwarts von San-Fernando uberhaupt noch nachzuweisen!

- Der Guaviare wird aber von Kaimans bewohnt. Er hat deren so viele Tausende, wie der Orinoco, wahrend der Atabapo sich mit lacherlichen Fischchen begnugen mu?, die ebenso werthlos, schwarz und mager sind, wie er selbst. Schicken Sie doch einmal Schiffe auf Ihren Atabapo, Herr Felipe, und sehen Sie zu, wie weit sie, wenn man sie nicht auf Karren uber Land weiter schafft, kommen werden! Auf dem Guaviare konnen solche Tausende von Kilometern hinaufsegeln. hinauf bis zur Einmundung des Ari-Ari und auch noch weiter!

- Ob man Schiffe einmal uber seichte Stellen hinwegschaffen mu? oder nicht, Herr Varinas, wir bilden doch das hydrographische Verbindungsglied zwischen den Amazonaslandern und der venezuolanischen Republik!

- Und wir zwischen Venezuela und Columbia!

- Ach, ich bitte Sie!. Giebt es denn da gar keinen Apure, der einen Weg fur die Schiffe bietet?

- Und auf Ihrer Seite etwa keinen Cassiquiare, wie?

- Ihr Guaviare hat weiter nichts als Schildkroten!

- Und Ihr Atabapo nichts andres als Muskitos.

- Uebrigens ergie?t sich der Guaviare, wie alle Welt wei?, hier, wo wir sind, schlie?lich in den Atabapo.

- Fehlgeschoffen, der Atabapo verschwindet im Guaviare, wie alle Leute mit gesundem Menschenverstand zugeben, und die Wasserzufuhr des Guaviare betragt auch nicht weniger als dreitausendzweihundert Cubikmeter.

- Und wie die Donau, fiel hier Germain Paterne, den Dichter der »Orientales« citierend, ein:

».. stromt er

Vom Abendlande zum Morgenlande.«

Das war ein Argument, dessen sich Herr Varinas noch nicht bedient hatte, das er aber sorgsam in das Actenbundel des Guaviare einheftete.

Bei diesem heftigen Wortgefecht zur Hervorhebung der Bedeutung der beiden Nebenflusse konnte sich Herr Miguel des Lachelns nicht erwehren. Er lie? den Orinoco ruhig seine zweitausendfunfhundert Kilometer dahinstromen, von der Sierra Parima an bis zu seinem funfzigarmigen Delta, das sich an der Kuste des Atlantischen Oceans verzweigt.

Inzwischen erlitten die nothigen Vorbereitungen keine Unterbrechung. Die Piroguen, die nun untersucht, ausgebessert, in vollig tadellosen Stand versetzt und frisch verproviantiert waren, lagen am 9. Januar zur Abfahrt bereit.

Jacques und Jeanne Helloch schrieben noch einen Brief an ihren Vater - einen Brief, in dem auch der Sergeant Martial und der junge Indianer nicht vergessen waren. Dieses Schreiben gelangte nach Santa-Juana durch Handler, die mit Eintritt der Regenzeit den Strom hinauszufahren pflegen. Es sagte Alles, was zwei dankerfullte, gluckliche Herzen nur sagen konnen.

Am Tage vor der Abreise erhielten die Passagiere zum letzten Male eine Einladung zum Gouverneur von San-Fernando. An diesem Abend herrschte Waffenstillstand, die hydrographische Streitaxt blieb einstweilen begraben. Nicht als ob das Thema etwa erschopft gewesen ware, die Gegner hatten ja aber noch Monate und Jahre vor sich, jene lustig zu schwingen.

»Ihre »Maripare«, Herr Miguel, fragte die junge Frau, wird morgen also die »Gallinetta« und die »Moriche« nicht begleiten?

- Es scheint nicht so, verehrte Frau, antwortete Herr Miguel, der sich ja fugen mu?te, seinen Aufenthalt am Zusammenflusse des Guaviare und des Atabapo noch zu verlangern.

- Ja, wir mussen uns noch uber einige wichtige Punkte klar werden, lie? sich Herr Varinas vernehmen.

- Und haben noch einige Untersuchungen auszufuhren, setzte Herr Felipe hinzu.

- Dann also, auf Wiedersehen, meine Herren! sagte Jacques Helloch.

- Auf Wiedersehen?. fragte Herr Miguel verwundert.

- Jawohl, erwiderte Germain Paterne, und zwar in San-Fernando. wenn wir wieder hier voruberkommen. etwa nach sechs Monaten. denn es ist doch kaum wahrscheinlich, da? die hochwichtige Frage.«

Am nachsten Tage, am 9. Januar, schifften sich die Reisenden, nach herzlichem Abschied von dem Gouverneur, wie von Herrn Miguel und seinen Collegen, wieder ein, und schnell dahingetragen von der Stromung des Flusses - ob dieser sich nun Atabapo, Guaviare oder Orinoco nannte -verloren die beiden Piroguen den Flecken San-Fernando bald aus dem Gesicht.

Kaum eine Stunde spater erkannte die junge Frau die Stelle wieder, wo die beiden Falcas am rechten Ufer gestrandet waren, und auch die, wo Jacques sie bei dem entsetzlichen Tosen des Chubasco mit Gefahr seines Lebens gerettet hatte.

»Ja. meine geliebte Jeanne. hier war es.

- Hier, mein Jacques, wo in Dir der Gedanke aufkam, Deinen lieben Jean nicht zu verlassen. ihn durch so viele Fahrlichkeiten bis zum Ziele seiner Reise zu begleiten.

- Und wer war damit nicht zufrieden? rief Germain Paterne. Das war der gute Sergeant Martial. O, der Onkel hatte seine wahre Noth mit dem Neffen, der ihm nichts zu Danke machen konnte.«

Im Laufe der folgenden Tage legten die von der Brise immer begunstigten Piroguen schnell eine gro?e Strecke zuruck. Sie uberwanden ohne Schwierigkeit die Raudals von Mapure und Ature, die jetzt nur flu?abwarts zu passieren waren, und kamen bald nach der Mundung des Meta und nach dem Dorfe Cariben. Die wildreichen Inseln des Stromes lieferten reichlich schmackhafte Nahrung, und auch der Fischfang blieb uberall ertragreich.

Spater gelangte die Gesellschaft nach dem Rancho des Herrn Mirabal in la Tigre. Nach dem Grundsatze: »Ein Mann, ein Wort« legten die Falcas hier an, und ihre Passagiere waren vierundzwanzig Stunden lang die Gaste des vortrefflichen

Mannes, der sie mit inniger Freude wegen des Ausgangs ihres Unternehmens begluckwunschte, wobei er ebenso darauf hinzielte, da? der Oberst von Kermor in Santa-Juana wirklich gefunden worden war, wie er zartfuhlend darauf hindeutete, »was die Folge davon gewesen ware«.

In la Urbana mu?ten die Piroguen fur den letzten Theil der Fahrt noch einmal mit Vorrathen versorgt werden.

»Aber die Schildkroten? rief plotzlich Germain Paterne. -Erinnerst Du Dich der Schildkroten nicht, Jacques. jener Myriaden von Schildkroten? Alle Wetter, hierher auf dem Rucken von Schildkroten gekommen zu sein.

- In diesem Dorf sind wir einander zum ersten Male begegnet, Herr Germain, sagte die junge Frau.

- Ja, dank jenen vortrefflichen Panzerthieren, denen wir doch wohl einige Anerkennung schuldig sind, erklarte Jacques.

- Die werden wir ihnen dadurch darbringen, da? wir sie verspeisen, denn sie schmeckt ausgezeichnet, die Schildkrote des Orinoco!« rief Germain Paterne, der alle Dinge immer von dem ihnen zukommenden besondern Standpunkte aus betrachtete.

Am 25. Januar erreichten die Falcas Caicara.

In diesem Flecken trennten sich Jacques Helloch, Jeanne und Germain Paterne von den Schiffern und deren Mannschaften, nicht ohne den wackern und so ergebenen Leuten, deren Dienste sie gern anerkannten und gut belohnten, einen herzlichen Dank auszusprechen. Von Caicara brachte ein Dampfer des Apure die Reisenden binnen zwei Tagen nach Ciudad-Bolivar, von wo die Eisenbahn sie schnell nach Caracas beforderte. Zehn Tage spater waren sie in Havana bei der Familie Eridia, und funfundzwanzig Tage darauf in Europa, in Frankreich, in der Bretagne, in Sainte-Nazaire, in Nantes.

Da begann Germain Paterne einmal:

»Wei?t Du wohl, Jacques, da? wir auf dem Orinoco volle funftausend Kilometer zuruckgelegt haben?. Ist Dir das nicht ein bischen lang vorgekommen?

- O, bei der Ruckfahrt nicht!« antwortete Jacques Helloch, der glucklich und lachelnd seiner Jeanne ins Auge

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