gelahmt wie diese Frosche. Ich war fest davon uberzeugt, wenn sie mich entdeckte, dann wurde sie mich einfangen und vom Balkon werfen, den Mowen zum Fra?e.
Da klopfte es an die Zimmertur. «Was ist denn nun schon wieder?», rief die Hoch- und Gro?meister- Hexe.
«Wir sind es, die Alten», zirpte eine schwache Stimme hinter der Tur. «Es ist sechs uhr, und wir sind gekommen, um uns die Flaschen abzuholen, die du uns versprochen hast, o gro?machtige Hochgeborene!»
Ich sah, wie sie uber den Teppich zur Tur schritt. Die Tur ging auf, und ich sah weiter, wie ein ganzes Gewimmel von Fu?en und Schuhen das Zimmer zu betreten begann. Sie schuffelten so langsam und zogerlich herein, als ob die Besitzer dieser Schuhe Angst hatten, naher zu treten. «Kommt herein! Kommt herein!», fuhr sie die Hoch- und Gro?meister-Hexe an. «Trodelt nicht so herum und bleibt nicht da drau?en im Gorridor stehen! Ich habe nicht den ganzen Abend Zeit!»
Da packte ich die Gelegenheit beim Schopfe. Ich sprang hinter dem Bettpfosten hervor und zischte wie ein Blitz zur geoffneten Tur. Ich hupfte dabei uber verschiedene Schuhe und Stiefel, und innerhalb von drei Sekunden war ich drau?en auf dem Gang, wobei ich das kostbare Flaschchen immer noch an die Brust gepresst hielt. Keiner hatte mich gesehen. Keiner hatte geschrien:
Ich benutzte den Boden der kleinen Flasche und begann damit Pochpoch an die Tur zu klopfen. Pochpochpoch, poch poch poch... poch poch poch... Ob mich meine Gro?mutter horen konnte? Ich meinte, sie musste es eigentlich. Jedes Mal wenn ich mit der Flasche zuschlug, verursachte sie ein ziemlich lautes Pochen. Poch poch poch... Poch poch poch... Hauptsache, es kam keiner den Gang entlang.
Die Tur offnete sich aber immer noch nicht. Da beschloss ich, das Wagnis auf mich zu nehmen. «Gro?mama!», rief ich so laut wie moglich. «Gro?mama! Ich bin's! Lass mich herein!»
Ich konnte horen, wie ihre Fu?e uber den Teppich schurrten, und dann ging die Tur auf. Ich schoss wie ein Blitz hinein. «Ich hab's geschafft!», schrie ich und hupfte dabei auf und nieder. «Ich hab's geschafft, Gro?mama! Schau, hier ist es! Ich hab eine ganze Flasche ergattert!»
Sie schloss die Tur. Sie beugte sich nieder und hob mich auf und umarmte mich. «Oh, mein Schatzelchen!», rief sie. «Dem Himmel sei Lob und Dank, dass du wieder in Sicherheit bist!» Sie nahm mir das Flaschchen ab und las laut vor, was auf dem Etikett stand: «Formula 86 retard / Mausemutarium!» Und weiter: «Diese Flasche enthalt 500 Dosen!» - «Du tuchtiger tapferer Junge! Du bist wirklich ein Wunder! Du bist eine Meistermaus! Wie bist du um Himmels willen aus ihrem Zimmer gekommen?»
«Ich bin rausgewitscht, als die Alten eintrudelten!», erklarte ich ihr. «Es war alles ein bisschen knapp, Gro?mama. Das wurd ich nicht nochmal machen wollen.»
«Ich hab sie auch gesehen!», sagte meine Gro?mutter.
«Ich wei?, Gro?mama. Ich habe zugehort, wie ihr miteinander gesprochen habt. Findest du nicht auch, dass sie ganz, ganz bose ist?»
«Sie ist eine Morderin», antwortete meine Gro?mutter. «Sie ist das boseste Weib auf der ganzen Welt!»
«Hast du ihre Maske gesehen?», fragte ich.
«Die ist fabelhaft», entgegnete meine Gro?mutter. «Sie sieht wirklich wie ein Gesicht aus. Ich hab doch gewusst, dass es nur eine Maske ist, aber ich hatte es trotzdem nicht erkennen konnen. Oh, mein Schatzelchen!», schluchzte sie und umarmte mich heftig. «Ich dachte schon, ich wurde dich nie wieder sehen. Ich bin so froh, dass du mit heiler Haut davongekommen bist.»
Meine Gro?mutter trug mich in ihr Schlafzimmer zuruck und setzte mich auf den Tisch. Die kostbare Flasche stellte sie neben mich. «Um wie viel Uhr essen die Hexen im Speisesaal zu Abend?», fragte sie mich.
«Um acht», erwiderte ich.
Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. «Es ist jetzt zehn Minuten nach sechs», sagte sie. «Wir haben nur die Zeit bis acht, um uns unseren nachsten Schritt zu uberlegen.» Da fiel ihr Blick plotzlich auf Bruno. Er sa? immer noch in der Bananenschussel auf dem Tisch. Er hatte drei Bananen aufgefuttert und nahm jetzt eine vierte in Angriff. Er war richtiggehend fett geworden.
«Das reicht allmahlich», entschied meine Gro?mutter, hob ihn aus der Schussel und setzte ihn auf die Tischplatte. «Ich glaube, es ist an der Zeit, dass wir diesen kleinen Burschen in den Scho? seiner Familie zurucktransportieren. Findest du nicht auch, Bruno?»
Bruno runzelte die Stirn und schaute sie an. Ich hatte vorher noch nie eine Maus gesehen, die die Stirn kraus zieht, aber er brachte das zustande. «Meine Eltern lassen mich so viel essen, wie ich will», sagte er. «Ich will lieber bei denen sein als bei Ihnen.»
«Aber das ist doch selbstverstandlich», antwortete meine Gro?mutter. «Hast du eine Ahnung, wo sich deine Eltern in diesem Augenblick aufhalten konnten?»
«Vor gar nicht langer Zeit haben sie noch in der Halle gesessen», sagte ich. «Ich hab sie dort gesehen, als wir auf dem Weg hier herauf da vorbeigekommen sind.»
«Na schon», antwortete meine Gro?mutter. «Dann wollen wir mal sehen, ob sie da noch sind. Willst du mitkommen?», setzte sie hinzu und schaute mich an.
«Ja bitte», entgegnete ich.
«Ich stecke euch beide in meine Handtasche», verkundete sie. «Haltet euch ruhig und lasst euch nicht sehen. Wenn ihr von Zeit zu Zeit Luft schnappen musst, so streckt nicht mehr als eure Nasenspitzen heraus.»
Ihre Handtasche war eine gro?e sackartige Angelegenheit aus schwarzem weichen Leder mit einem Verschluss aus Schildpatt. Sie hob Bruno und mich auf und stopfte uns hinein. «Ich werde den Verschluss offen lassen», sagte sie. «Aber passt auf, dass man euch nicht sehen kann.»
Ich hatte jedoch nicht die Absicht, mich au?er Sichtweite zu halten. Ich wollte alles mitkriegen. Ich setzte mich in der Handtasche in eine kleine Seitentasche, dicht beim Verschluss, und von dort aus konnte ich meinen Kopf herausstrecken, wann immer ich es wollte.
«He!», rief Bruno. «Geben Sie mir den Rest von der Banane, die ich gegessen habe!»
«Na gut, na gut», antwortete meine Gro?mutter. «Du sollst alles haben, was dich friedlich halt.» Sie lie? die halb aufgefressene Banane in ihre Tasche fallen, hangte sich die Handtasche dann uber den Arm, marschierte aus dem Zimmer und pochte mit ihrem Kruckstock den Korridor entlang.
Wir fuhren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss, und dort bahnten wir uns den Weg durch das Lesezimmer in die Halle. Und dort sa?en Mister und Missis Jenkins dann auch in zwei Sesseln und hatten zwischen sich einen runden niedrigen Tisch mit einer Glasplatte. Es gab dort noch verschiedene andere Gruppen, aber die Jenkins' waren das einzige Ehepaar, das alleine sa?. Mister Jenkins las eine Zeitung, Missis Jenkins strickte irgendetwas Umfangreiches und Senffarbenes. Ich schaute nur mit der Nase und den Augen uber den Verschluss von der Handtasche meiner Gro?mutter hinaus, aber ich hatte einen fabelhaften Uberblick. Ich konnte alles sehen.
Meine Gro?mutter, in schwarze Spitze gehullt, pochte quer durch die Halle und blieb vor dem Tisch der Jenkins' stehen. «Sind Sie Mister und Missis Jenkins?», fragte sie. Mister Jenkins warf ihr uber den Rand seiner Zeitung hinweg einen Blick zu und runzelte die Stirn.
«Ja», antwortete er. «Ich bin Mister Jenkins. Was kann ich fur Sie tun, gnadige Frau?»
«Ich furchte, ich habe einige nicht sehr erfreuliche Nachrichten fur Sie. Es dreht sich um Ihren Sohn, um Bruno.»
«Was ist mit Bruno?», fragte Mister Jenkins. Missis Jenkins schaute auf, strickte aber weiter. «Was hat der
