kleine Lauser denn jetzt schon wieder angerichtet?», fragte Mister Jenkins. «Wahrscheinlich raubert er die Kuche aus.»

«Etwas arger als das ist es schon», sagte meine Gro?mutter. «Ob wir uns vielleicht irgendwohin zuruckziehen konnten, wo man ungestort Privatgesprache fuhren kann?»

«Privat?», fragte Mister Jenkins. «Warum mussen wir denn Privatgesprache fuhren?»

«Es ist nicht ganz einfach fur mich, das richtig zu erklaren», fuhr meine Gro?mutter fort. «Mir ware es lieber, wenn wir alle zusammen in Ihr Zimmer hinaufgingen und Platz nahmen, ehe ich Ihnen die Einzelheiten berichte.»

Mister Jenkins lie? die Zeitung sinken. Missis Jenkins horte auf zu stricken. «Ich denke gar nicht daran, in mein Zimmer hinaufzugehen, beste Frau», sagte Jenkins. «Ich finde es hier sehr gemutlich, besten Dank also.» Er war ein gro?er grober Mann, und er war es nicht gewohnt, von jemandem auch nur einen Ratschlag anzunehmen. «Sagen Sie uns also gefalligst, was Sie auf dem Herzen haben, und lassen Sie uns dann wieder alleine», fugte er hinzu. Er redete so, als ob er einen Vertreter vor sich hatte, der ihm an der Haustur einen Staubsauger aufschwatzen wollte.

Meine arme Gro?mutter, die bis jetzt versucht hatte, ihn so freundlich und rucksichtsvoll wie moglich zu behandeln, stellte jetzt selber die Stacheln auf. «Hier konnen wir uns unter keinen Umstanden unterhalten», sagte sie. «Hier sind zu viele Leute. Es dreht sich um eine ziemlich delikate und personliche Angelegenheit.»

«Ich unterhalte mich da, wo's mir verflixt nochmal passt, meine Gnadigste», polterte Mister Jenkins. «Und nun machen Sie schon, heraus damit! Wenn Bruno ein Fenster zerschmissen hat oder auf Ihre Brille getreten ist, dann komm ich fur den Schaden auf, aber ich denke gar nicht daran, mich aus diesem Sessel zu erheben!»

Ein oder zwei andere Gruppen in der Halle fingen jetzt an, uns anzustarren.

«Wo steckt Bruno?», fragte Mister Jenkins. «Sagen Sie ihm, dass er zu mir kommen soll.»

«Er ist bereits da», sagte meine Gro?mutter. «Er steckt in meiner Handtasche.» Sie klopfte mit ihrem Kruckstock an den gro?en weichen Lederbeutel.

«Was soll das hei?en, er steckt in Ihrer Handtasche?», rief Mister Jenkins.

«Soll das vielleicht komisch sein?», fragte Missis Jenkins beleidigt.

«An dieser Sache ist uberhaupt nichts komisch», sagte meine Gro?mutter. «Ihrem Sohn ist ein ziemlich unangenehmes Missgeschick passiert.»

«Er hat ein Missgeschick nach dem anderen», sagte Mister Jenkins. «Er hat das Missgeschick, sich zu uberfressen, und er hat das Missgeschick, unter Blahungen zu leiden. Sie sollten ihn mal nach dem Mittagessen horen. Er knattert wie eine Blaskapelle! Aber eine anstandige Portion Rizinusol bringt die Geschichte wieder in Ordnung. Also, wo steckt das kleine Luder?»

«Das habe ich Ihnen bereits gesagt», entgegnete meine Gro?mutter. «Er befindet sich in meiner Handtasche. Aber ich glaube wirklich, es ware besser, wenn wir uns woandershin zuruckziehen konnen, ehe Sie ihm in seinem gegenwartigen Zustand begegnen.»

«Dies Weib ist verruckt», stellte Missis Jenkins fest. «Sag ihr, dass sie weggehen soll.»

«Die nackte Tatsache ist die», fuhr meine Gro?mutter fort, «dass sich Ihr Sohn Bruno ziemlich drastisch verwandelt hat.»

«Verwandelt?», rief Mister Jenkins. «Was zum Teufel wollen Sie mit verwandelt sagen?»

«Gehen Sie!», sagte Missis Jenkins. «Sie sind eine alte Frau, die den Verstand verloren hat!»

«Ich versuche Ihnen so schonend wie moglich beizubringen, dass Bruno sich tatsachlich in meiner Handtasche befindet», sagte meine Gro?mutter. «Mein eigener Enkelsohn hat au?erdem gesehen, was sie mit ihm gemacht haben.»

«Hat wen was mit ihm machen sehen, Herrgott nochmal!», rief Mister Jenkins. Er hatte einen schwarzen Schnurrbart auf der Oberlippe, der immer auf und ab zuckte, wenn er schrie.

«Wie ihn die Hexen in eine Maus verwandelt haben.»

«Ruf den Direktor, Lieber», sagte Missis Jenkins zu ihrem Gemahl. «Lass diese verruckte Alte aus dem Hotel werfen.»

In diesem Augenblick riss meiner Gro?mutter der Geduldsfaden. Sie wuhlte in ihrer Handtasche herum und erwischte Bruno. Sie zog ihn heraus und setzte ihn auf die glaserne Tischplatte. Missis Jenkins warf einen einzigen Blick auf die dicke kleine braune Maus, die immer noch an einem Stuck Banane schmatzte, und schon stie? sie einen Schrei aus, der die Glaskristalle des Kronleuchters erklirren lie?. Sie fuhr aus ihrem Sessel empor und schrie: «Eine Maus! Weg damit! Ich kann diese Viecher nicht ausstehen!»

«Das ist Bruno», sagte meine Gro?mutter.

«Sie freches unverschamtes altes Weibsstuck!», rief Mister Jenkins. Er begann, mit seiner Zeitung vor Bruno herumzuwedeln, um ihn vom Tisch zu scheuchen. Meine Gro?mutter sturzte sich vorwarts und schaffte es gerade, ihn noch zu erwischen, ehe er zu Boden gefegt wurde. Missis Jenkins schrie immer noch aus vollem Halse, und Mister Jenkins baute sich drohend vor uns auf und schrie ebenfalls: «Hinaus! Wie konnen Sie es wagen, meine Gattin so zu erschrecken. Nehmen Sie auf der Stelle Ihre dreckige Maus wieder weg!»

«Hilfe!», heulte Missis Jenkins. Ihr Gesicht hatte die Farbe von Fischbauchen angenommen.

«Na gut, ich hab mein Bestes versucht», sagte meine Gro?mutter. Und mit diesen Worten drehte sie sich um und rauschte aus dem Saal, wobei sie Bruno mit sich nahm.

Der Plan

 Als wir wieder in unserem Zimmer waren, nahm uns meine Gro?mutter beide aus ihrer Handtasche, Bruno und mich, und setzte uns auf den Tisch. «Warum hast du um Himmels willen nicht den Mund aufgemacht und deinem Vater gesagt, wer du bist?», fragte sie Bruno.

«Weil ich den Mund voll hatte», antwortete Bruno. Er hupfte spornstreichs in die Bananenschussel zuruck und fuhr mit dem Futtern fort.

«Was bist du doch fur ein widerwartiger kleiner Junge», sagte meine Gro?mutter zu ihm.

«Nicht Junge», berichtigte ich. «Maus.»

«Ganz recht, mein Schatzelchen. Aber wir haben im Augenblick keine Zeit, uns seinetwegen den Kopf zu zerbrechen. Wir mussen Plane schmieden. In etwa anderthalb Stunden werden alle Hexen sich zum Abendessen in den Speisesaal begeben, richtig?»

«Richtig», erwiderte ich.

«Und jeder einzelnen mussen wir eine Dosis Mausemacher verpassen», fuhr sie fort. «Wie um Himmels willen sollen wir das nur machen?»

«Gro?mama», sagte ich, «ich glaube, du vergisst immer, dass eine Maus dahin gehen kann, wo Menschen nicht hinkommen.»

«Das ist ganz richtig», sagte sie. «Aber selbst eine Maus kann nicht auf einer festlich gedeckten Tafel herumspazieren und Flaschchen unterm Arm tragen und Mausemacher auf alle Roastbeefportionen der Hexen traufeln, ohne dass es jemandem auffiele.»

«Das wollte ich eigentlich auch gar nicht im Speisesaal machen», sagte ich.

«Wo denn?», fragte sie.

«In der Kuche», erwiderte ich, «wahrend ihr Essen angerichtet wird.»

Meine Gro?mutter starrte mich an. «Mein allerliebstes Kind», sagte sie langsam, «ich glaube allmahlich, die Verwandlung in eine Maus hat deine Geisteskrafte verdoppelt!»

«Eine kleine Maus», fuhr ich fort, «kann in der Kuche zwischen Topfen und Pfannen herumhuschen, und wenn sie tuchtig aufpasst, dann wird sie schon keiner sehen.»

«Brillant!», rief meine Gro?mutter aus. «Wahrhaftig, ich glaube, du hast es getroffen!»

«Es gibt nur ein Problem», sagte ich. «Woher kann ich wissen, welches Essen fur sie gemacht wird? Ich will es nicht in den falschen Saucentopf geben. Es ware ziemlich katastrophal, wenn sich alle anderen Gaste aus Versehen in Mause verwandelten, besonders du, Gro?mama.»

«Dann musst du dich eben in die Kuche schleichen und dir ein gutes Versteck suchen und abwarten... Und die Ohren spitzen. Witsch einfach in irgendeinen dunklen Winkel und bleib da hocken und hor zu, was die Koche

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