leisesten Anflug einer Entschuldigung einfach von dannen.

»Ich mu? es als die gro?te Glucksfugung bezeichnen, da? ich Sie just heute abend hier sah, M. Poirot«, warf sie hin, wahrend sie uns zum Lift fuhrte. »Herrlich, wie sich fur mich alles zum besten kehrt . ! Gerade als ich grubelte und sann, was ich tun sollte, blickte ich auf. Und wen entdeckte ich am Nachbartisch? Monsieur Poirot. Ah, M. Poirot wird mir sagen, was ich tun soll! war mein nachster Gedanke.«

Sie unterbrach ihre Rede, um dem Liftjungen ein kurzes »Zweite Etage« zuzuwerfen.

»Wenn ich Ihnen dienlich sein kann ...«, begann mein Freund.

»Davon bin ich uberzeugt. Ich habe gehort, da? Sie der wunderbarste Mensch sind, der je existierte. Irgend jemand mu? mich aus dem Gewirr, in das ich verstrickt bin, befreien, und wer vermochte das besser als Sie?«

Wir waren in der zweiten Etage angelangt, schritten den Korridor entlang und betraten eines der uppigsten Appartements des Savoy-Hotels.

Und ihren wei?en Hermelinpelz auf einen Sessel und die kleine juwelenbesetzte Tasche auf den Tisch werfend, rief die Kunstlerin ohne Umschweife:

»M. Poirot, auf die eine oder andere Weise mu? ich meinen Gatten loswerden!«

2

Nach ein paar Sekunden hatte sich Poirot von seiner Uberraschung erholt.

»Aber Madame«, sagte er, und seine Augen zwinkerten vergnugt, »die Damen von ihren Gatten zu befreien, gehort nicht zu meinem Fach.«

»Gewi?, das wei? ich.«

»Wahrscheinlich wunschen Sie einen Rechtsanwalt.«

»Da irren Sie gewaltig. Der Anwalte bin ich restlos uberdrussig. Ich bin von Pontius zu Pilatus gelaufen, von einem Advokaten zum anderen, und nicht einer hat mir genutzt. Die Anwalte kennen das Gesetz, aber sie besitzen nicht einen Funken von gesundem Menschenverstand.«

»Und Sie meinen, da? ich ihn besa?e?«

Sie lachte.

»Man sagt, Sie seien ein unerreichbarer Pfiffikus, Monsieur.«

»Comment? Pfiffikus? Das verstehe ich nicht. Jedenfalls aber liegt Ihre Angelegenheit abseits von meiner Linie, Madame.«

»Nun, das bezweifle ich fast. Es ist ein Problem.«

»Oh! Ein Problem?«.

»Und es ist schwierig«, fuhr Jane Wilkinson fort. »Sie sind doch wahrlich nicht der Mann, der Schwierigkeiten scheut.«

»Gestatten Sie mir, da? ich Ihnen zu Ihrer Menschenkenntnis gratuliere, Madame. Doch trotzdem gebe ich mich mit Nachforschungen zu Scheidungszwecken nicht ab. Es ist nicht nett - ce metierla.«

»Mein Lieber, ich verlange von Ihnen nicht, da? Sie den Spion spielen. Indessen habe ich mich entschlossen, meinen Mann loszuwerden, und ich bin sicher, da? Sie imstande sind, mir zu sagen, wie ich es anfangen soll.«

Hercule Poirot lie? ein Weilchen verstreichen, ehe er antwortete. »Erzahlen Sie mir zuerst einmal, Madame, warum Ihnen so viel daran liegt, Lord Edgware >loszuwerden<«, bat er dann. Und wer ihn kannte, horte, da? ein neuer Klang in seiner Stimme vibrierte.

Die Erklarung der schonen Frau kam ohne Zaudern.

»Aber gern, Monsieur Poirot. Ich wunsche mich wieder zu verheiraten. Welchen anderen Grund konnte ich wohl sonst haben?« Jane schlug die blauen Augen mit naiver Offenheit zu ihm auf.

»Eine Scheidung wird sich doch wohl ermoglichen lassen!«

»Sie kennen meinen Mann nicht, Monsieur. Er ist ... er ist ...« Sie schauderte. »Ich wei? nicht, wie ich es in Worte fassen soll Er ist ein absonderlicher Mensch - nicht wie andere Sterbliche.« Ein tiefer Seufzer und eine lange Pause.

»Nie hatte er wieder heiraten durfen. Ich kann ihn nicht beschreiben, ich kann nur wiederholen: er ist absonderlich. Seine erste Frau lief ihm davon, lie? ein Baby von drei Monaten zuruck. Er hat nie in eine Scheidung eingewilligt, und sie ist irgendwo jammerlich zugrunde gegangen. Hierauf heiratete er mich. Und auch ich konnte es nicht ertragen. Oh, wie ich mich zu Tode geangstigt habe ...! Kurz und gut, ich reiste nach druben. Mir fehlen stichhaltige Grunde fur eine Scheidung, und wenn ich ihm die notigen Grunde lieferte, wurde er keine Notiz davon nehmen. Er ist ... er ist eine Art von Fanatiker.«

»In gewissen amerikanischen Staaten konnten Sie eine Scheidung erzwingen, Madame.«

»Damit ist mir nicht gedient - nicht, wenn ich nachher in England leben will.«

»Und Sie wollen in England leben?«

»Ja.«

»Wer ist der Mann, mit dem Sie ein neues Ehebundnis einzugehen gedenken?«

»Der Herzog von Merton.«

Unwillkurlich hielt ich den Atem an. Denn der Herzog von Merton war bislang die Verzweiflung aller ehestiftenden Mamas gewesen. Ein junger Herr mit asketischen Neigungen, ein eifernder Katholik, stand er in dem Ruf, sich vollkommen von seiner Mutter lenken zu lassen, der gefurchteten HerzoginWitwe. Er sammelte chinesisches Porzellan, galt als ein weitabgewandter Asthetiker und als ein Mann, der sich nichts aus Frauen machte.

»Er hat mich ganz verzaubert«, sagte Jane ruhrselig. »Und Schlo? Merton ist unbeschreiblich schon. Uberhaupt mochte ich das Ganze die romantischste Angelegenheit nennen, die je auf diesem Erdball sich ereignete. Schade, da? Sie Merton nicht kennen, Monsieur Poirot - er gleicht einem vertraumten Monch.«

Wieder schaltete sie eine Pause ein.

»Wenn ich heirate, entsage ich der Buhne. Und das Opfer wird mir fur ihn nicht einmal schwer.«

»Einstweilen steht Lord Edgware diesen romantischen Traumen im Wege«, meinte Hercule Poirot trocken.

»Ja - und das bringt mich zur Raserei.« Sie lehnte sich nachdenklich zuruck. »Wenn wir uns in Chicago befanden, ware es ein leichtes, ihn niederknallen zu lassen, aber hier halt so was schwer.«

»Hier«, lachelte Poirot, »vertreten wir den Standpunkt, da? jedes menschliche Wesen das Recht zu leben hat.«

»Moglich. Aber ich, der ich Edgware wie kein zweiter kenne, versichere Ihnen, da? sein Tod kein Verlust ware - eher das Gegenteil.«

Man horte ein Pochen an der Tur, und gleich darauf trat ein Kellner ein, der den Tisch zu decken begann. Seine Anwesenheit hinderte Jane Wilkinson nicht, ihr Problem weiter zu erortern.

»Ich wunsche aber keineswegs, da? Sie ihn fur mich toten, Monsieur Poirot.«

»Merci, Madame.«

»Sondern da? Sie vielleicht geschickt mit ihm verhandeln und ihm die Einwilligung zur Scheidung abringen. Da? Sie hierzu fahig sind, bezweifle ich keine Minute.«

»Sollten Sie meine uberzeugenden Krafte nicht doch uberschatzen, Madame?«

»Nein. Doch vielleicht fallt Ihnen noch eine andere Losung ein.« Jetzt beugte sie sich vor, und ihre blauen Augen hingen an Poirots Gesicht. »Nicht wahr, Sie mochten mich doch glucklich sehen?«

Wie weich, wie verfuhrerisch diese Stimme ihn umschmeichelte!

»Ich mochte jeden glucklich sehen«, erwiderte vorsichtig mein kleiner Freund.

»Ja, aber ich denke nicht an alle und jeden. Ich denke an mich.«

»Madame, ich wage zu behaupten, da? Sie das immer tun.«

»Ah, Sie halten mich fur selbstsuchtig ...? Nun, moglicherweise bin ich es. Aber sehen Sie - ich hasse das Unglucklichsein; es beeintrachtigt sogar mein Spiel. Und ich werde so trostlos unglucklich sein, sofern er nicht in die Scheidung willigt - oder stirbt . Wenn man es recht bedenkt«, fuhr sie versonnen fort, »ware es viel besser, wenn er sturbe. Erst dann wurde ich mich endgultig von ihm erlost fuhlen.«

Sie erhob sich, nahm lassig den wei?en Pelz auf und blieb dann Mitleid heischend vor Poirot stehen.

»Werden Sie mir helfen, Monsieur Poirot?« Vom Korridor drang Stimmengewirr herein, denn die Tur war nur angelehnt. »Wenn nicht .«

». wenn nicht, Madame?« griff er ihre Worte auf.

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