glitten die gro?en, gewolbten Seitenflachen nach oben, und die Laufstege streckten sich wie metallene Zungen zum Strand aus. Die verstreuten, unaussprechlich einsamen Gestalten begannen sich zu vereinigen und zu einer Menge zu sammeln, die sich genauso bewegte, wie eine Menschenmenge es tun wurde.
Einsam? Warum hatte er das gedacht? fragte sich George. Denn das war das einzige, was sie nie wieder sein konnten. Nur Einzelwesen konnen einsam sein, nur menschliche Wesen. Wenn die Schranken endlich gefallen waren, wurde die Einsamkeit verschwinden, so wie die Personlichkeit verging. Die zahllosen Regentropfen hatten sich im Meer vereinigt.
Er fuhlte Jeans Hand in plotzlicher Erregung die seine mit festerem Druck umfassen. „Sieh doch!“ flusterte sie. „Ich kann Jeff sehen. Neben der zweiten Tur.“
Es war eine weite Entfernung, und man konnte es nicht genau erkennen. Vor Georges Augen lag ein Nebel, der das Sehen erschwerte. Aber es war Jeff, er war fest davon uberzeugt: Jetzt konnte George seinen Sohn erkennen, der einen Fu? schon auf den metallenen Laufsteg gesetzt hatte.
Jeff drehte sich um und blickte zuruck. Sein Gesicht war nur ein wei?er Fleck; bei dieser Entfernung konnte man nicht sagen, ob irgendeine Spur von Erkennen darin lag, ein Erinnern an das, was er zurucklie?. George wurde auch nie erfahren, ob Jeff sich nur zufallig nach ihnen umgedreht hatte, oder ob er in diesen letzten Augenblicken, da er noch ihr Sohn war, wu?te, da? sie ihn beobachteten, wahrend er in das Land hinuberging, das sie nie betreten konnten.
Die gro?en Turen begannen sich zu schlie?en. Und in diesem Augenblick hob Fey die Schnauze und stie? ein leises, verzweifeltes Klagen aus. Sie wandte ihre schonen feuchten Augen George zu, und er wu?te, da? sie ihren Herrn verloren hatte. George hatte jetzt keinen Rivalen mehr.
Fur die Zuruckgebliebenen gab es viele Wege, aber nur eine Bestimmung. Manche sagten: „Die Welt ist noch schon. Eines Tages mussen wir sie verlassen, aber warum sollten wir unsern Aufbruch beschleunigen?“
Andere aber, die mehr Gewicht auf die Zukunft als auf die Gegenwart gelegt und alles das verloren hatten, was ihnen das Leben lebenswert machte, hatten kein Verlangen, noch langer zu verweilen. Sie schieden aus dem Leben, allein oder mit Freunden, je nach Veranlagung.
So war es mit den Neu-Athenern. Die Insel war in Flammen geboren, in Flammen sollte sie sterben. Alle, die wegzugehen wunschten, taten es, die meisten aber blieben, um zwischen den zerbrochenen Trummern ihrer Traume das Ende zu erwarten.
Niemand konnte wissen, wann es Zeit sein wurde. Dennoch erwachte Jean in der Stille der Nacht und starrte einen Augenblick zu dem gespenstischen Schimmer an der Decke hinauf. Dann griff sie nach Georges Hand. Er hatte einen gesunden Schlaf. Doch diesmal erwachte er sofort. Sie sprachen nicht, denn die Worte, die notig gewesen waren, gab es nicht.
Jean war nicht mehr angstlich oder auch nur traurig. Sie war jetzt zu den stillen Wassern gekommen und uber die Gefuhlserregungen hinaus. Aber eines war doch zu tun, und sie wu?te, da? kaum Zeit dafur blieb.
Noch immer wortlos folgte George ihr durch das stille Haus. Sie gingen uber den Mondstreifen, der durch das Dach des Studios eingedrungen war, und bewegten sich so leise wie die Schatten, die sie warfen, bis sie in das verlassene Kinderzimmer kamen.
Nichts war verandert worden. Die selbstleuchtenden Muster, die* George so sorgfaltig gemalt hatte, schimmerten noch immer an den Wanden. Und die Klapper, die einstmals Jennifer Anne gehort hatte, lag noch immer da, wo sie sie hingeworfen hatte, als ihr Geist sich der unerforschlichen Ferne zuwandte, in der er jetzt weilte.
Sie hat ihre Spielsachen zuruckgelassen, dachte George, aber die unsern gehen mit uns dahin. Er dachte an die koniglichen Kinder der Pharaonen, deren Puppen und Sachelchen vor funftausend Jahren mit ihnen begraben worden waren. So wurde es wieder sein. Kein anderer, sagte er sich, wird jemals unsere Schatze lieben; wir werden sie mit uns nehmen und uns nicht von ihnen trennen.
Langsam drehte sich Jean zu ihm um und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Er nahm sie in die Arme, und die Liebe, die er fruher einmal empfunden hatte, kehrte zu ihm zuruck, matt, aber deutlich, wie ein Echo von fernen Berghangen. Es war jetzt zu spat, alles zu sagen, was ihr gebuhrte, und die Reue, die er empfand, galt weniger dem Bewu?tsein, sie getauscht zu haben, als seiner fruheren Gleichgultigkeit.
Da sagte Jean leise: „Lebwohl, mein Liebling“, und schlo? ihre Arme fester um ihn. George hatte keine Zeit zu antworten, denn selbst in diesem letzten Augenblick fuhlte er ein kurzes Erstaunen bei dem Gedanken, wie sie wissen konnte, da? der entscheidende Moment gekommen war.
Tief unten in den Felsen begannen die Uraniumschichten auf der Suche nach der Vereinigung, die sie nie erreichen konnten, ineinander zu sturzen. Und die Insel hob sich empor, der Morgendammerung entgegen.
7
Das Schiff der Overlords glitt vor seinem leuchtenden Meteorschweif langsam durch das Herz des Sternbildes Carina. Es hatte seine wahnsinnige Verlangsamung im Bereich der au?eren Planeten begonnen, aber selbst als es am Mars vorbeikam, hatte es noch einen erheblichen Teil der Lichtgeschwindigkeit besessen. Langsam nahmen die ungeheuren Felder, die die Sonne umgaben, seine Triebkraft auf, wahrend eine Million Kilometer hinter ihm seine Strahlungsenergien die Himmel entflammten.
Jan Rodricks kehrte, sechs Monate alter geworden, in die Welt heim, die er vor achtzig Jahren verlassen hatte.
Diesmal war er kein blinder, in einer geheimen Kammer versteckter Passagier mehr. Er stand hinter den drei Piloten — warum hatten die so viele? fragte er sich — und beobachtete die Linien, die auf dem gro?en Bildschirm, der den Kontrollturm beherrschte, kamen und gingen. Die Farben und Formen, die auf dem Schirm erschienen, waren fur ihn bedeutungslos: Er nahm an, da? sie Informationen gaben, die in einem von Menschen entworfenen Raumschiff an Me?geraten abzulesen gewesen waren. Aber zuweilen zeigte der Bildschirm die umliegenden Sternenfelder, und bald, so hoffte er, wurde die Erde zu sehen sein.
Er freute sich darauf, heimzukommen, obwohl er so viel Muhe aufgewendet hatte, um fortzukommen. In diesen wenigen Monaten war er erwachsen geworden. Er hatte so viel gesehen, war so weit gereist und hatte nun Verlangen nach seiner eigenen vertrauten Welt. Er begriff jetzt, warum die Overlords die Erde von den Sternen ferngehalten hatten. Die Menschheit hatte noch sehr weit zu gehen, bis sie irgendeine Rolle in der von ihm geschauten Zivilisation spielen konnte.
Es konnte sein, obwohl er sich weigerte, das zu glauben, da? die Menschheit nie mehr als eine untergeordnete Art sein wurde, die mit den Overlords als Wartern in einem abgelegenen zoologischen Garten erhalten wurde. Vielleicht hatte Vindarten das gemeint, als er Jan kurz vor der Abreise eine vieldeutige Warnung mit auf den Weg gab. „Vieles kann“, hatte der Overlord gesagt, „in der Zwischenzeit auf Ihrem Planeten geschehen sein. Sie werden vielleicht Ihre Welt nicht erkennen, wenn Sie sie wiedersehen.“
Vielleicht nicht, dachte Jan. Achtzig Jahre waren eine lange Zeit, und obwohl er jung und anpassungsfahig war, wurde es ihm vielleicht schwerfallen, all die Veranderungen zu verstehen, die vorgegangen waren. Aber von einem war er fest uberzeugt: da? die Menschen begierig darauf sein wurden, seine Geschichte zu horen und zu erfahren, was er von der Zivilisation der Overlords gesehen hatte.
Sie hatten ihn gut behandelt, wie er es auch gehofft hatte. Von der Hinreise hatte er nichts bemerkt. Als die Spritze ihre Wirkung verloren hatte und er zum Bewu?tsein gekommen war, befand sich das Schiff bereits im Sonnensystem der Overlords. Er war aus seinem phantastischen Versteck herausgeklettert und merkte zu seiner Erleichterung, da? der Sauerstoffapparat nicht erforderlich war. Die Luft war dick und schwer, aber er konnte ohne Schwierigkeiten atmen. Er hatte sich in dem riesigen, rotbeleuchteten Laderaum des Schiffes befunden, zwischen zahllosen Kisten und all den Geraten, die man in einem Raum- oder Ozeanschiff erwarten konnte. Er hatte fast eine Stunde gebraucht, um zum Kontrollraum hinzufinden und sich der Mannschaft vorzustellen.
Es hatte ihn verwirrt, da? sie uberhaupt nicht uberrascht waren; er wu?te, da? die Overlords selten ihre Gefuhle zeigten, aber eine gewisse Verwunderung hatte er doch erwartet. Statt dessen setzten sie einfach ihre Arbeit fort, beobachteten den gro?en Bildschirm und drehten an den zahllosen Knopfen ihrer Schaltbretter. Da wu?te er, da? sie landen wurden, denn von Zeit zu Zeit glitt das Bild des Planeten, jedesmal gro?er, uber den Schirm. Und doch war nicht die geringste Bewegung oder Bremsverzogerung zu spuren, nur eine vollig gleichbleibende Schwerkraft, die er auf etwa ein Funftel der Erdschwerkraft schatzte. Die ungeheuren Krafte, die