hustete. Ich versuchte nicht mal aufzustehen.

»Was ist das?«, brullte Julia.

Die erste Krakenrohre zerplatzte hoch uber mir. Brauner, flussiger Dampf zischte heraus. Eine weitere Rohre brach mit einem Knall auf, dann noch eine. Es fauchte uberall in der Halle. Die Luft nahm ein dunkles, nebeliges Braun an, ein wogendes Braun.

Julia schrie: »Was ist denn das?«

»Die Produktionsanlage ist uberhitzt«, sagte Ricky. »Und sie fliegt in die Luft.«

»Wieso? Wie ist das moglich?«

Ich setzte mich auf, noch immer hustend, und kam dann auf die Beine. Ich sagte: »Kein Sicherheitssystem, erinnerst du dich? Ihr habt es abgeschaltet. Jetzt wird das Virus durch die ganze Halle geblasen.«

»Nicht mehr lange«, sagte Julia. »In zwei Sekunden haben wir das Sicherheitssystem wieder an.« Ricky stand schon an der Steuerungstafel und druckte hektisch irgendwelche Tasten.

»Gute Idee, Julia«, sagte ich. Ich zundete mein Feuerzeug an und hielt es unter den Sprinklerkopf.

Julia kreischte: »Halt! Ricky, halt!«

Ricky gehorchte.

Ich sagte: »So ist das manchmal, wie man's macht, macht man's verkehrt.«

Julia drehte sich wutentbrannt um und zischte: »Ich hasse dich.« Ihr Korper wurde bereits grau, verblasste wie bei einem schwarzwei?en Bild. Auch aus Ricky verschwand die Farbe. Das Virus in der Luft setzte den Schwarmen zu.

Ein kurzes Funkenprasseln, von hoch oben in den Krakenarmen. Dann noch ein schneller Blitzbogen. Ricky sah es und schrie:

»Vergiss es, Julia! Wir mussen es riskieren!« Er druckte die Tasten und schaltete das Sicherheitssystem wieder ein. Ein Alarm ertonte. Die Bildschirme blinkten rot von der uberma?igen Konzentration von Methan und anderen Gasen. Der Hauptbildschirm zeigte: »sicherheitssystem an.«

Und aus den Sprinklern spruhten plotzlich braune Wasserkegel.

Sie schrien, als das Wasser sie beruhrte. Sie wanden sich und schrumpften, schrumpelten vor meinen Augen. Julias Gesicht war verzerrt. Sie starrte mich mit blankem Hass an. Aber sie loste sich bereits auf. Sie fiel auf die Knie und dann auf den Rucken. Die anderen walzten sich auf dem Boden, brullten vor Schmerz.

»Komm, Jack.« Jemand zog mich am Armel. Es war Mae. »Schnell«, sagte sie. »Die Halle ist voller Methan. Wir mussen hier raus.«

Ich zogerte, blickte noch immer auf Julia. Dann drehten wir uns um und liefen los.

7. Tag, 9.11 Uhr

Der Hubschrauberpilot stie? die Turen auf, als wir angerannt kamen. Wir sprangen hinein. Mae sagte: »Los, weg hier!«

Er sagte: »Ich muss Sie bitten, sich vorher anzuschnallen ...«

»Fliegen Sie schon los!«, brullte ich.

»Tut mir Leid, so sind die Vorschriften, und es ist zu gefahrlich .«

Schwarzer Rauch quoll aus der Tur der Energiestation, aus der wir soeben gekommen waren. Er stieg in Schwaden in den blauen Wustenhimmel.

Der Pilot sah das und sagte: »Festhalten!«

Wir hoben ab und flogen Richtung Norden, in einem weiten Bogen weg vom Gebaude. Jetzt drang schon Rauch aus allen Abluftschlitzen am Dach. Ein schwarzer Schleier trieb in der Luft.

Mae sagte: »Das Feuer verbrennt die Nanopartikel und auch die Bakterien. Keine Sorge.«

Der Pilot fragte: »Wo soll's denn hingehen?«

»Nach Hause.«

Er flog nach Westen, und binnen Minuten hatten wir das Gebaude weit hinter uns gelassen. Es verschwand hinter dem Horizont. Mae hatte sich zuruckgelehnt, die Augen geschlossen. Ich sagte zu ihr: »Ich hab gedacht, es wurde in die Luft fliegen. Aber sie haben das Sicherheitssystem wieder eingeschaltet. Also wird das wohl nicht passieren.«

Sie sagte nichts.

Ich sagte: »Wieso hatten wir es denn dann so eilig, da rauszukommen? Und wo warst du uberhaupt? Keiner konnte dich finden.«

Sie sagte: »Ich war drau?en, im Depot.«

»Was hast du da gemacht?«

»Nach Thermit gesucht.« »Noch welches gefunden?«

Es gab kein Gerausch. Blo? einen gelben Lichtblitz, der sich kurz uber den Wustenhorizont ausbreitete und dann verblasste. Man hatte fast meinen konnen, es ware nichts geschehen. Aber der Hubschrauber tat einen Satz, als die Druckwelle uns einholte.

Der Pilot sagte: »Heiliger Strohsack, was war denn das?« »Betriebsunfall«, erwiderte ich. »Sehr bedauerlich.« Er griff nach seinem Funkgerat. »Ich mach lieber mal Meldung.«

»Ja«, sagte ich. »Unbedingt.«

Wir kamen weiter nach Westen, und ich sah die grune Linie des Waldes und die sanften Auslaufer der Sierra, als wir die Grenze nach Kalifornien uberflogen.

7. Tag, 23.57 Uhr

Es ist spat.

Fast Mitternacht. Im Haus ist es vollkommen still. Ich wei? nicht, wie alles ausgehen wird. Den Kindern ist furchterlich schlecht, seit ich ihnen das Virus verabreicht habe, und sie ubergeben sich. Ich hore, wie mein Sohn und meine Tochter in verschiedenen Badezimmern wurgen. Vor einigen Minuten war ich bei ihnen, um zu uberprufen, was da hochkommt. Sie sind totenbleich im Gesicht. Ich sehe, dass sie Angst haben, weil sie wissen, dass ich Angst habe. Das mit Julia habe ich ihnen noch nicht erzahlt. Sie haben nicht gefragt. Es geht ihnen zu schlecht, um zu fragen.

Am meisten Sorgen mache ich mir um Amanda, weil ich auch ihr das Virus geben musste. Es war ihre einzige Chance. Ellen ist jetzt bei ihr, aber auch Ellen muss sich ubergeben. Amanda hat noch nicht richtig erbrochen. Ich wei? nicht, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist. Kleine Kinder reagieren anders.

Mir geht es einigerma?en, zumindest im Moment noch. Ich bin hundemude. Ich glaube, ich bin den ganzen Abend uber immer wieder eingenickt. Jetzt sitze ich hier, schaue zum Fenster hinaus in den Garten und warte auf Mae. Sie ist hinten uber den Gartenzaun gesprungen und kriecht jetzt wahrscheinlich durch das Gebusch an dem kleinen Hang hinter dem Grundstuck, wo die Rasensprenger sind. Sie meinte, irgendwo dort ein schwaches, grunes Licht gesehen zu haben. Ich wollte nicht, dass sie allein hinausgeht, aber ich bin zu mude, um ihr zu helfen. Wenn sie bis morgen wartet, kann die Armee mit Flammenwerfern alles abfackeln, was sich da verstecken mag.

Die Armee stellt sich in der ganzen Sache taub, aber ich habe Julias Computer zu Hause, und die E-Mails auf der Festplatte beweisen einiges. Ich habe die Festplatte vorsichtshalber ausgebaut, eine andere eingebaut und das Original in einem Schlie?fach in der Stadt deponiert. Wegen der Armee mache ich mir eigentlich keine Sorgen. Sorgen mache ich mir wegen Larry Handler und den anderen bei Xymos. Die wissen, dass sie mit einer schier unermesslichen Flut von Gerichtsverfahren rechnen mussen. Die Firma wird diese Woche Konkurs anmelden, aber ihr droht dennoch ein Strafverfahren. Vor allem Larry. Ich wurde ihm keine Trane nachweinen, wenn er ins Gefangnis musste.

Mae und ich haben die Ereignisse der vergangenen Tage noch einmal Revue passieren lassen und fur die meisten eine einleuchtende Erklarung gefunden. Den Hautausschlag meiner Tochter hatten Gamma-Assembler ausgelost - die Mikromaschinen, die aus Komponentenfragmenten Molekule zusammenbauten. Sehr wahrscheinlich hafteten die Gammas an Julias Kleidung, wenn sie im Werksgebaude in Nevada gewesen war. Julia hatte das befurchtet, deshalb hatte sie sich immer als Erstes geduscht, wenn sie nach Hause kam. Das Werk hatte zwar ein gutes Dekontaminationssystem, aber Julia hatte auch au?erhalb der Halle mit den Schwarmen Kontakt gehabt. Sie wusste, dass die Gefahr bestand. An dem betreffenden Abend jedenfalls hatte sie die Gamma- Assembler ins Kinderzimmer getragen. Die Gamma-Assembler sind dazu da, Mikrofragmente aus Silikon zu zerschneiden, doch eine geschmeidige Substanz wie menschliche Haut konnen sie nur zwicken. Es tut weh, und es verursacht ein Mikrotrauma, wie niemand es zuvor erlebt hat. Oder es fur moglich gehalten hatte. Kein Wunder, dass Amanda kein Fieber hatte. Sie hatte keine Infektion. Sie hatte eine Schicht bei?ender Partikel auf der Haut.

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