Schwatzchens mit einem Killer, der morgen hingerichtet wird, unseren Urlaub platzen lassen. Hatte nicht jeder gute Ehemann das gleiche getan?«

Jorge zuckte mit den Schultern. »Sie gehoren zur Mordkommission. Manche Sachen mu? man einfach tun. Kann man Au?enstehenden nicht immer erklaren.« Er fugte hinzu: »Ich heirate bestimmt nie.«

Ainslie dachte an die schonen, eleganten Frauen, die Jorge uberallhin begleiteten und ihn zu bewundern schienen, bis sie aus unerfindlichen Grunden in periodischen Abstanden durch neue ersetzt wurden.

»Wozu sollten Sie heiraten, wenn Sie auch so keinen Mangel leiden?« fragte Ainslie. »Ich brauche blo? an gestern zu denken - sogar Ernestine ist Ihrem kubanischen Charme erlegen.«

»Sergeant, Ernestine ist 'ne Nutte. Ihr gefallt jeder Kerl mit Geld in der Tasche.«

»Ich habe funfundvierzig Dollar in der Brieftasche gehabt, aber an mich hat sie sich nicht rangemacht.«

»Nun das liegt daran, da?... die Leute haben Respekt vor Ihnen. Diese Madchen hatten das Gefuhl, ihrem eigenen Onkel einen unsittlichen Antrag zu machen.«

Ainslie lachelte verstandnisvoll. »Sie haben gestern gute Arbeit geleistet, Jorge. Ich bin stolz auf Sie gewesen.«

Und er lehnte sich in seinen Sitz zuruck...

Werner Niehaus, ein altlicher Tourist, war mit seinem gemieteten Cadillac unterwegs, als er sich in Miami in dem Labyrinth aus numerierten Stra?en verfuhr. Zu seinem Pech geriet er in das beruchtigte Overtown-Viertel, in dem er angehalten, beraubt und erschossen wurde, worauf die Stra?enrauber seine Leiche aus dem Wagen warfen, mit dem sie davonfuhren. Das war ein mutwilliger, unnotiger Mord gewesen, denn die Tater hatten sich damit begnugen konnen, Niehaus einfach nur zu berauben und seinen Cadillac zu stehlen.

Sofort ging eine Suchmeldung mit dem Kennzeichen des Wagens an alle Polizeidienststellen Floridas.

Da Morde an auslandischen Touristen bereits ein negatives Presseecho ausgelost hatten, machten der Oberburgermeister, die City Commissioners - die stadtischen Referenten - und der Polizeiprasident Druck und verlangten die rasche Aufklarung dieses neuen Mordfalls. An der schlechten Publicity fur Miami war nichts mehr zu andern, aber rasche Festnahmen konnten die Negativschlagzeilen vielleicht etwas abmildern.

Am nachsten Morgen fuhr Jorge Rodriguez gemeinsam mit Malcolm Ainslie auf der Suche nach Tatzeugen in einem neutralen Dienstwagen durch Overtown. Auf der Northwest Third Avenue sah Jorge in der Nahe der Fourteenth Street zwei Drogenhandler, die er unter ihren Stra?ennamen Big Nick und Shorty Spudman kannte. Gegen Shorty lag ein Haftbefehl wegen schwerer Korperverletzung vor.

Die beiden Kriminalbeamten stiegen rasch aus. Als sie sich von zwei Seiten naherten, um den Dealern den Fluchtweg abzuschneiden, stopfte Nick etwas in seine Hose. Er hob lassig den Blick. Jorge gab die Richtung des Gesprachs vor. »Hey, Nick, wie geht's?«

Nicks Antwort klang mi?trauisch. »Okay, was gibt's, Mann?«

Dealer und Cops starrten einander an Alle vier wu?ten, da? eine Leibesvisitation Drogen, vielleicht auch Waffen zutage gefordert und den beiden erheblich vorbestraften Drogenhandlern lange Haftstrafen eingebracht hatte.

Jorge fragte den pockennarbigen Shorty Spudman, der nicht mal einssechzig gro? war: »Hast du von dem deutschen Touristen gehort, der gestern ermordet worden ist?«

»Hab's im Fernsehen gesehen: Diese Punks, die Touristen abknallen, das sind echt uble Typen.«

»Auf der Stra?e wird also daruber geredet?«

»Nicht viel.«

Ainslie mischte sich ein. »Ihr tut euch selbst einen Gefallen, Jungs, wenn ihr uns ein paar Namen nennt.«

Seine Aufforderung war klar: Schlie?en wir einen Handel ab. Aus der Sicht der Kriminalbeamten war die Aufklarung eines Mordes wichtiger als vieles andere. Als Gegenleistung fur Informationen konnten geringfugigere Straftaten ubersehen werden - sogar ein Haftbefehl.

Aber Big Nick behauptete: »Wir kennen keine gottverdammten Namen.«

Jorge zeigte auf seinen Dienstwagen. »Dann nehmen wir euch am besten aufs Revier mit.« Wie Nick und Shorty wu?ten, war im Polizeiprasidium eine Leibesvisitation unvermeidlich, und der Haftbefehl wurde dort nicht ausbleiben.

»Augenblick!« sagte Shorty hastig. »Hab' gestern abend von ein paar Nutten gehort, da? zwei Kerle 'nen Wei?en erschossen haben und mit seinem Wagen abgehauen sind.«

Jorge: »Haben die Madchen gesehen, wie's passiert ist?«

Shorty zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«

»Her mit den Namen.«

»Ernestine Smart und 'ne andere, die sich Flame nennt.«

»Wo konnen wir sie finden?«

»Ernestine schlaft in River und Three. Von Flame wei? ich nichts.«

»Du redest von der Obdachlosensiedlung zwischen Third und North River?« fragte Jorge.

»Yeah.«

»Habt ihr uns Schei? erzahlt«, erklarte Jorge den beiden, »kommen wir zuruck und finden euch. Taugt die Auskunft was, habt ihr bei uns was gut.«

Jorge und Ainslie gingen zu ihrem Dienstwagen zuruck. Bis sie eine der Prostituierten gefunden hatten, verstrich eine weitere Stunde.

Die Obdachlosensiedlung in der Third Street lag unter der I-95 am Miami River. Da sie ursprunglich ein Parkplatz gewesen war, standen absurderweise noch immer Dutzende von Parkuhren zwischen unzahligen Behelfsunterkunften aus Karton und Plastikfolie. In dieser an ein Elendsquartier in irgendeinem unterentwickelten Land erinnernden Umgebung fuhrten Menschen ein verzweifeltes, elendes Dasein. Uberall in und um die Siedlung turmten sich Abfallberge. Jorge und Ainslie stiegen vorsichtig aus, denn sie wu?ten, da? sie hier jederzeit in Exkremente treten konnten.

Sie erfuhren, da? Ernestine Smart und Flame gemeinsam eine Sperrholzkiste bewohnten, deren Beschriftung zeigte, da? sie fruher Lastwagenreifen enthalten hatte. Jetzt stand sie auf dem ehemaligen Parkplatz am Flu?. In die Ruckwand der Kiste war eine Tur gesagt worden, die von au?en mit einem Vorhangeschlo? gesichert werden konnte. Nun stand die Tur offen.

Jorge streckte seinen Kopf ins dunkle Innere der Sperrholzkiste. »Hey, Ernestine. Ich bin's, dein freundlicher Kontaktbeamter. Wie geht das Geschaft?«

Eine leicht heisere Frauenstimme antwortete: »Wenn's besser ginge, braucht' ich nicht in diesem Schweinestall zu leben. Willst du ficken, Copper? Du zahlst blo? die Halfte.«

»Verdammt! Hab' gerade keine Zeit; mu? 'nen Mord aufklaren. Auf der Stra?e hei?t's, da? Flame und du ihn gesehen haben.«

Jorge, dessen Augen sich an die Dunkelheit gewohnt hatten, musterte Ernestine. Die ungefahr zwanzigjahrige Schwarze war fruher schon gewesen, aber jetzt war ihr Gesicht aufgedunsen und von Falten durchzogen. Ihre Figur war allerdings gut. In ihrem wei?en Overall steckte ein schlanker Korper mit festem Busen. Ernestine sah Jorges Blick und lachelte amusiert.

»Wir sehen alle viel«, erklarte sie ihm. »Nur erinnern kann man sich nicht immer.«

»Aber du erinnerst dich, wenn ich dir helfe?«

Ernestine lachelte geheimnisvoll. Jorge wu?te, da? das Zustimmung signalisierte.

»Hast du gestern abend zufallig auf der Northwest Third an der Twelfth Street gestanden?« fragte er weiter.

»Wei? ich nicht. Vielleicht.«

»Nun, ich frage mich, ob du gesehen hast, wie zwei Jitterbugs zu einem alteren Wei?en ins Auto gesprungen sind und ihn erschossen und aus dem Wagen geworfen haben.«

»Nein, aber ich hab' gesehen, wie ein Bruder und seine billig aussehende Mieze den alten Knacker zum Anhalten gebracht und dann getan haben, was du sagst.«

Jorge sah zu Ainslie hinuber, der ihm zunickte. »Jetzt mal im Klartext«, sagte Jorge. »Du hast einen Schwarzen und eine Wei?e gesehen?«

»Yeah.« Ernestine starrte ihn an. »Bevor ich mehr sage... was ist fur mich drin, Mann?«

»Erzahlst du uns keinen Schei?, kriegst du 'nen Hunderter.«

»Cool, Mann.« Sie wirkte zufrieden.

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