suchte die Wahrheit nicht mit Hilfe der Naturwissenschaften und der Philosophie, sondern auf Wegen religioser, mystischer und 'ubervernunftiger' Erfahrung. In dieser Atmosphare gewann die emotional-asthetische Einstellung zur Welt besondere Bedeutung. Augustinus war mit einer besonderen asthetischen Aufnahmefahigkeit begabt. Au?erdem kannte er sehr gut, wenn auch nicht immer aus erster Hand, die grundlegenden asthetischen Konzeptionen der Antike des Westens sowie des Ostens. All dieses fuhrte ihn dazu, sich haufig mit asthetischen Problemen zu beschaftigen. Sie sind bei ihm oft ein sehr wichtiger Teil seiner philosophischen Theorie (und zwar genau dort, wo man keine befriedigende Losung mit Hilfe diskursiven Denkens finden konnte), was schlie?lich auch zum Entstehen eines eigenstandigen asthetischen Systems fuhrte, obwohl er selbst naturlich dies nicht eigentlich beabsichtigt hatte.

Das asthetische System des Augustinus ist ein theozentrisches und stellt einen wichtigen Teil seines allgemeinen Weltbildes dar. Im Zentrum seiner Asthetik steht die absolute Schonheit, aber auch als das absolute Gute und die absolute Wahrheit: Gott ist der gro?e Kunstler, der alles nach den Gesetzen der Schonheit geschaffen hat; deshalb tragt in der Welt alles - als materielles und als geistiges - Gottes Spur in sich. In der ontologischen Hierarchie tritt das Schone als eines der Hauptmerkmale des Seins auf. Das Ha?liche zeugt von der Abwesenheit der Schonheit und entsprechend des Seins. Es ist verstandlich, da? die geistige Schonheit in diesem System eine hohe hierarchische Stufe inne hat. Alles Gesagte trifft in gleichem Ma?e auf das Universum, auf die Gesellschaft und auf den einzelnen Menschen zu.

In der real existierenden menschlichen Gesellschaft ortet Augustinus wegen der gegenseitigen Verflechtungen der beiden Reiche (civitas) komplizierte Konflikte. Der Weg uber die Stufe der Schonheit ist seiner Ansicht nach einer der wichtigsten zur geistigen Vollkommenheit, zum ewigen seligen Leben. Der Zustand der Seligkeit erscheint bei Augustinus im Grunde genommen als die hochste Stufe des asthetischen Genusses. Dieser ist ein Zustand unendlichen, unbeschreiblichen Frohlockens und Freude des Geistes; den hochsten emotionalen geistigen Genu? aber sieht er in der absoluten Selbstlosigkeit, die ein Fehlen auch des geringsten Strebens nach utilitaristischem Genu? besteht. Dieser Zustand ist im System des Augustinus das wichtigste und hochste Ziel menschlichen Strebens, der Gegenstand aller seiner Traume. Die Seligkeit ist nach Augustinus nicht nur eine hohe Stufe menschlichen Seins (im zukunftigen Zeitalter), das wunschenswerte Ergebnis seiner Erkenntnistatigkeit; sie ist der Zustand hochsten, selbstlosen und absoluten Wissens um die Wahrheit. Obwohl Augustinus vielleicht in seiner Jugend und wegen der bekannten Mangelhaftigkeit der lateinischen Philosophie seiner Zeit ein konsequenter Anhanger der Ratio war und an deren fast grenzenlose Moglichkeiten auch noch in Ausubung seines Amtes als Bischof unverbruchlich glaubte, verstand er die hohere Stufe des Wissens (die vita beata) als einen uber das Vernunftige hinausgehenden Zustand. Von hier wird auch der Platz der Liebe in seinem System als der wichtigste existenzielle und gnoseologische Faktor verstandlich. Er ging davon aus, da? die Menschen in der Regel das Schone lieben. Wie Augustinus klar sah, ist aber die Welt nicht nur mit schonen und guten Dingen angefullt. Darum kam er zur Erkenntnis von der globalen Regulierbarkeit (hier sieht er das schone Werk Gottes) der positiven und der negativen Erscheinungen in der Welt, und in dieser Hinsicht ist er der erste Denker in der Geschichte der Philosophie, bei dem wir auf ein Nachdenken uber dialektische Wechselbeziehungen zwischen allen naturlichen und sozialen Erscheinungen sto?en. Fur das Verstandnis der Asthetik ist wichtig, da? Augustinus das Gesetz vom Kontrast und von der Gegenuberstellung als Norm erkannt hat, auf deren Grundlage die Harmonie der Welt beruht.

Die grundlegenden strukturellen Gesetzma?igkeiten des Universum lassen sich bei Augustinus fast vollstandig auf eigentlich asthetische Gesetze zuruckfuhren. Es sind dies vor allem Gesamtheit und Einheit, sodann Zahl und Rhythmus, die die Basis einer jeden Form bilden, weiterhin Gleichheit, Abbild, Ubereinstimmung, Angemessenheit, Symmetrie und Harmonie. Alle diese Gesetzma?igkeiten liegen auch den Kunsten zugrunde. Wie Gott die Welt nach den Gesetzen der Schonheit schuf, so bemuht sich auch der menschliche Kunstler, seine Tatigkeit auf derselben Basis zu begrunden. In seinem Verstand, in dem „Kunst' enthalten ist, existiert die Gesamtheit der Gesetze der Schonheit, auf deren Grundlage der Kunstler konkrete Werke schaffen mu?. Der Hauptinhalt der Kunst ist die Schonheit. Den Wert der Kunstwerke bestimmt Augustinus nach dem Ma? ihrer Schonheit, in wieweit durch sie Schonheit ausgedruckt wird. Augustinus verneint nicht die mimetische Funktion der Kunst, bewertet aber die „Nachahmung' (faktisch den Ausdruck) der geistigen Schonheit hoher. Deshalb stehen ihm zufolge die Musik und die Kunst des Wortes auf einer hohren Stufe als die darstellende Kunst oder die Kunst der Buhne. Alle Kunste mussen nach Augustinus zum unmittelbaren Erfassen dieser oder jener Stufe der Schonheit befahigen bzw. zu einem bestimmten geistigen Wert, insbesondere dem philosophisch-religiosen hinfuhren. Dies konnen die Kunste entweder dem Weg der unmittelbaren emotional-asthetischen Einwirkung auf das Wahrnehmungssubjekt (z. B. in Form der Jubilatio in der Musik) oder mit Hilfe ihrer Funktion als Zeichen bzw. Symbol bewirken. Seine Auffassung von diesen Fahigkeiten der Kunste fuhrte Augustinus zu einer detaillerten Ausarbeitung einer Zeichentheorie und zu Forschungen auf dem Gebiet der asthetischen Wahrnehmung, d. h. zur Ausarbeitung der beiden wichtigsten und originellsten Konzeptionen in seiner Asthetik.

So ist Augustinus, ohne es vielleicht selbst gewollt zu haben, der erste in der Geschichte das asthetischen Denkens, bei dem sich ein einheitliches asthetische Inhalt (die Schonheit), das asthetische Subjekt, die Prozesse der asthetisches System einschlie?lich aller grundlegenden Komponenten dieses Systems nachweisen la?t: das asthetische Objekt (Natur und Kunst), der asthetische Inhalt (die Schonheit), das asthetische Subjekt, die Prozesse der asthetischen Wahrnehmung (und des Urteilens) und jene des asthetischen Schaffens. Diese Komponenten sind in seinem System nicht von mechanischer Art (ware es so, wurde im Grunde niemand daruber sprechen); sie stellen reale wechselseitige Zusammenhange und komplizierte Beziehungen dar. Darin besteht die wichtigste historische Bedeutung der Asthetik des Augustinus; sie ist der eingehenden Beachtung wert.

Noch zu Lebzeiten Augustinus fiel Rom, und damit wurde die lange Linie asthetischen Denkens, die zu Augustinus hinfuhrte, im Westen fur lange Zeit unterbrochen. Die Spuren asthetischen Denkens, des antiken und auch des neuen augustinischen, wurden schnell verwischt. Deshalb fand Augustinus keinen direkten Nachfolger, der sein Denken fortgesetzt hatte. Erst als die mittelalterliche Asthetik voll entwickelt war, nahm sie seine Ideen auf und entwickelte viele von ihnen weiter. Doch kennt das Mittelalter keinen Denker, der ein vollstandigeres asthetisches System entwerfen hatte als Augustinus. Die Asthetik des Augustinus blieb Norm und Vorbild, und wir sto?en im kunstlerischen Denken des gesammten Mittelalters auf viele seine Ideen. Uberdies behalten einige seine Ideen (z. B. Aspekte seiner Zeichentheorie, seine Lehre vom Mechanismus der asthetischen Wahrnehmung und des asthetischen Urteilens, seine Uberlegungen zu strukturellen Gesetzma?igkeiten der Schonheit und der Kunst, insbesondere das Gesetz des Kontrastes usw.) ungebrochene Bedeutung bis in unsere Tage.

SUMMARY

'AESTHETICA PATRUM' in its systematic treatment of the early Christian aesthetics as reflected in Patristic literature is a pioneering study in international scholarship. The Church Fathers, like the ancient and medieval thinkers in general, did not deal with the problems of aesthetics as such; it was not until much later, in the Modern era, that these questions became the object of scholarly reflection. Aesthetic consciousness, however, as one of the most ancient non-verbal forms of consciousness which was embodied most fully in artistic culture and religious cult, manifested itself distinctly in the numerous theological treaties of the Church Fathers. The author demonstrates that the aesthetic, in its many forms of manifestation, appears as one of the essential ways by which a human being comes to God through a system of sense-perceptible symbols. Thereby his approach extends far beyond the frame of traditional (in a modern European sense) aesthetics.

The aesthetic consciousness of the Church Fathers is considered in the context of the formation of their general philosophical and theological views. The author discusses the formation of the fundamental propositions of the Christian doctrine (concerning God, the incarnation of Logos-Christ, the creation of the world, the sophijnost' of the creation, the concept of love, the problem of the relationship between the human person and the Church etc.)

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