Nachdem die Locomotive noch an den Stationen Missoula, Bonita, Drummond und Garrison gehalten und einen langen Tunnel unter dem Rucken des Mullan passirt hatte, lief sie am Morgen des 21. in den Bahnhof von Helena ein.

Diese auf der Ostseite der Felsenberge, in der Hohe von tausend Toisen und an einem zum Missouri abflie?enden Bergstrome gelegene Stadt bildet einen bedeutenden Niederlagsplatz fur die Grubenproducte der Umgegend und zahlt vierzehn-bis funfzehntausend Bewohner. Der Zug der Northern Pacific hielt hier nur wenige Stunden und rollte nach den vom Bette des Yellowstone und seiner zahlreichen Nebenflusse durchschnittenen Ebenen hinunter.

In dieser Gegend hausten fruher die Sippen der Flachkopfe, der Schwarzfu?e, der Raben, Cheyennen, Modocs und Assiniboinen, die jetzt in verschiedene Enclaven zuruckgedrangt sind, uber deren Nachbarschaft sich die wei?e Bevolkerung freilich nicht wenig beklagt.

Nachdem der Zug sich uber Loqari und Bozeman nach Sudosten gewendet hatte, gelangte er bei Livingstone an den Yellowstone River, weiterhin nach mehreren Stationen, wie Lauri, mit einer Zweigbahn nach dem Nationalparke, Howard und Miles City, und ging dann von Montana nach Norddakota uber und weiterhin nach der auf dem vierundsiebzigsten Langengrade liegenden Stadt Beach.

Die Northern Pacificbahn durchzieht Norddakota auf ungeheueren, in der Nachbarschaft der Heart Buttes und jenseit des Fort Lincoln etwas erhoht liegenden Ebenen. Schlie?lich erreicht sie den Missouri bei Edwinton, der Hauptstadt des Staates, der die zahlreiche deutsche Bevolkerung mit Vorliebe den Namen Bismarckstadt beilegt.

Von der Station Jamestown aus hatte Harris T. Kymbale nun eine direct nach Yankton fuhrende Nebenbahn benutzen konnen. Es erschien ihm aber angenehmer, uber Valley City, Oriska und Cassilton bis Fargo zu fahren, wo er am Morgen des 23. an der Westgrenze von Minnesota eintraf.

Hier, nahe der Grenze dieses Staates, befand sich augenblicklich, nach dem Auswurfeln am 10., der geheimni?volle X. K. Z., der in der Hauptstadt Saint-Paul ruhig abwartete, da? ihn die »Ziehung« vom 24…. ja, nach welchem Felde?… weisen wurde. Jedenfalls in die Nahe des Zieles, wenn nicht gar an das Ziel selbst, was den Berichterstatter der »Tribune« trotz seiner Zuversicht doch schon im voraus unruhig machte.

Das von Minnesota 1861 abgetrennte Dakota zerfallt in zwei ziemlich gleichgro?e Vierecke, deren eines sudisch von dem anderen liegt. Das sehr hochgelegene, doch wenig bergige Land unterscheidet sich wesentlich von seinem westlichen Nachbar. Seine wei?e Bevolkerung hat sich der Mehrzahl nach in den sudostlichen Theil gezogen, wo sich der vorzugliche Boden zum Anbau von Tabak, Mais, Hafer und Gemusen eignet, wahrend der Norden von zahlreichen Binnenseen und Teichen durchsetzt ist. Der Missouri stromt in schrager Richtung hindurch bis jenseit Yanktons, von wo aus er sich nach Omaha hinunter wendet, wahrend der Rothe Flu? die ostliche Landesgrenze nach Minnesota zu bildet.1

Die Eisenbahn, die sich in Fargo gabelt, folgt eine Strecke weit diesem Flusse und fuhrt nach Yankton, dem fruheren Regierungssitz von Suddakota, den jetzt Pierre City bildet, durch dessen centrale Lage sich dieses den Verwaltungsgrundsatzen der Union gema? mehr empfahl.

Ohne sich zu erkennen zu geben, verweilte Harris T. Kymbale in Fargo den ganzen Tag. Vielleicht hatte er, seiner touristischen Neigung folgend, einige Flecken am linken Ufer des Rothen Flusses und die ihnen gegenuberliegenden am rechten Ufer besucht, daran hinderte ihn aber ein ganz unerwarteter Zwischenfall.

Wahrend er am Nachmittage in der Umgebung der kleinen Stadt lustwandelte, trat plotzlich ein Mann an ihn heran. Es war offenbar ein Amerikaner von etwa funfzig Jahren und mittlerer Gro?e, der eine gebogene Nase, kleine blinzelnde Augen und im Ganzen ein wenig anziehendes Aeu?ere hatte.

»Mein Herr, begann der Mann, wenn ich nicht irre, habe ich Sie aus dem Zuge der Northern Pacific aussteigen sehen…

– Das stimmt, mein Herr, bestatigte Harris T. Kymbale.

– Mein Name ist Hoggarth, stellte sich das Individuum vor, Len Hoggarth, Len William Hoggarth.

– Nun, Herr Len William Hoggarth, bitte, was wunschen Sie von mir?

– Sie wollen sich jedenfalls nach Yankton begeben? fragte der Mann weiter.

– Ganz recht… nach Yankton.

– So erlauben Sie, Ihnen meine Dienste anzubieten…

– Ihre Dienste?… Wie soll ich das verstehen?

– Gestatten Sie mir vor allem eine einfache Frage, geehrter Herr. Sie sind allein hierher gekommen?…

– Allein? fragte der Reporter etwas verwundert… Allerdings… allein!

– Ihre Frau Gemahlin ist nicht mitgekommen?…

– Meine Frau?…

– Nun… es la?t sich auch dann machen. Hier ist deren Anwesenheit nicht nothwendig, um eine Scheidung zu erreichen.

– Eine Scheidung?… Sie meinen eine Ehescheidung, Herr Hoggarth?

– Gewi?; ich erledige alle nothigen Formalitaten fur Ihre Scheidung.

– Aber um sich scheiden zu lassen, mu? man doch verheiratet sein, und Sie durfen getrost glauben, da? diese Voraussetzung bei mir nicht zutrifft.

– Wie? Sie sind gar nicht verheiratet und gehen doch nach Yankton? rief Len Hoggarth, der sich vor Erstaunen gar nicht fassen zu konnen schien.

– Nun sagen Sie mir, was sind Sie denn eigentlich, Herr Hoggarth?

Auf der Locomotive sah er weder Fuhrer noch Heizer. (S. 438.)

– Ich bin Zutreiber fur Ehescheidungen und Zeuge bei solchen.

– Dann bedaur’ ich… antwortete Harris T. Kymbale, doch Ihre Dienste wurden mir nicht nutzen konnen.«

Der Reporter hatte sich uber das Anerbieten des »ehrenwerthen« Len William Hoggarth ubrigens gar nicht zu wundern brauchen. Wenn in Illinois Ehescheidungen schon etwas so Gewohnliches sind, da? man den Reisenden zurufen kann: »Chicago, zehn Minuten Aufenthalt, Zeit genug, sich scheiden zu lassen!« so ist dort die Trennung einer Ehe doch noch von gewissen Bedingungen abhangig. In Suddakota aber verlauft die Sache ganz anders. Dieses ist vor allen das Land der Scheidungen, und es bedarf hier nur der Bestatigung durch einen Zeugen, da? man daselbst sechs Monate wohnhaft gewesen sei, so kann man alle Erleichterungen bei einem solchen Schritte beanspruchen.

Dadurch entstand der Beruf des Zutreibers und Zeugen vor dem Manne des Gesetzes und fur ihn. Diese Leute spuren die Clienten auf, zeugen zu ihren Gunsten, beschaffen fur sie Stellvertreter, wenn sie nicht selbst erscheinen wollen und es vorziehen, die Sache durch Procuration abzumachen… kurz, sie sorgen fur alle moglichen Erleichterungen. Uebrigens ist es mehr der Flecken Sioux Falls als Yankton selbst, der in dieser Hinsicht den Record halt.

»O mein Herr, erwiderte auf jene letzten Worte Herr Hoggarth ausnehmend hoflich, ich bedauere unendlich, da? Sie nicht verheiratet sind!

– Ich ebenfalls, antwortete Harris T. Kymbale, da ich hier eine so schone Gelegenheit gehabt hatte, das Ehejoch wieder abzuschutteln.

– Da Sie aber nach Yankton gehen, versaumen Sie ja nicht, sich dort vor drei Uhr einzufinden, um einem dann stattfindenden gro?en Meeting beizuwohnen.

– Einem Meeting… zu welchem Zwecke?

– Es handelt sich darum, die gesetzlich vorgeschriebene Aufenthaltsdauer auf drei Monate zu verkurzen, wie in Oklohama, das uns eine recht schlimme Concurrenz macht. Das Meeting wird der ehrenwerthe Herr Heldreth leiten.

– Wirklich… Herr Hoggarth?… Wer ist denn dieser Herr Heldreth?

– Ein hochachtbarer Kaufmann, der sich schon siebzehnmal hat scheiden lassen, und man raunt sich zu, es werde auch noch ofter geschehen.

– Herr Hoggarth, ich werde nicht verfehlen, rechtzeitig in Yankton zu sein.

– Ich verlasse Sie also, mein Herr, und halte mich fur die Zukunft zu Ihrer Verfugung.

– Sehr schon, Herr Hoggarth, auch ich werde ein so verbindliches Angebot nicht vergessen.

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