– Wir wollen wenigstens den Versuch machen,« antwortete Max Huber, sich dem Doctor nahernd.

Khamis und John Cort traten auch herzu und ergriffen den Doctor an den Armen.

Dieser, noch immer ein sehr kraftiger Mann, stie? sie zuruck und streckte sich, gleich einer Crustacee, die man auf den Rucken gewendet hat, mit den Beinen zappelnd wieder lang nieder.

»Zum Teufel, rief Max Huber, der ist ja allein so schwer wie drei andere…

– Doctor Johausen?« rief ihn John Cort zum letztenmale an.

Statt jeder Antwort kratzte sich Seine Majestat, wie man es von Affen sieht, grinsend hinter den Ohren.

»Mit diesem zum Thier herabgesunkenen Menschenkinde ist nichts anzufangen, erklarte Max Huber. Er ist zum reinen Affen geworden. So mag er auch Affe bleiben und weiterhin uber Affen herrschen!«

Jetzt hie? es nun blos, die konigliche Wohnung zu verlassen.

Zum Unglucke hatte Seine Majestat unter abscheulichem Grimassenschneiden angefangen, zu schreien, und zwar so laut, da? es gehort werden mu?te, wenn sich Wagddis in der Nahe befanden.

Zogerte man jetzt aber nur wenige Secunden, so ging damit vielleicht die so gunstige Gelegenheit zur Flucht verloren…

vielleicht kam Raggi mit seinem Kriegsvolk herzugelaufen.

Die Lage der Fremden mu?te sich, wenn diese in Mselo-Tala-Talas Wohnstatte uberrascht wurden, entschieden verschlimmern, und dann konnten sie auf jede Hoffnung, ihre Freiheit wieder zu erlangen, getrost verzichten.

Khamis und seine Gefahrten uberlie?en also den Doctor sich selbst und sturmten durch die wieder geoffnete Thur ins Freie.

Achtzehntes Capitel.

Der Ausgang des Abenteuers

Der Zufall begunstigte die Fluchtlinge. Der Auftritt und Larm im Innern der Wohnung hatte noch niemand herbeigezogen.

Der Vorplatz war leer, leer auch die darauf einmundenden Stra?en. Einige Schwierigkeit machte es nur, sich in der Dunkelheit zurechtzufinden,

zwischen dem Gezweig

hindurchzuschlupfen und auf kurzestem Wege nach der Ngalaer Treppe zu gelangen.

Plotzlich tauchte vor den Fliehenden ein Wagddi auf.

Lo-Mai war es, in Begleitung seines Sohnchens. Der Kleine, der Khamis und den ubrigen schon nachgelaufen war, als diese sich nach der Hutte Mselo-Tala-Talas begaben, hatte seinen Vater von dem Vorgange unterrichtet. Dieser beeilte sich, die Fremden aufzusuchen, weil er den Foreloper und dessen Gefahrten in ernster Gefahr wahnte. Jetzt, wo ihm klar wurde, da? sie zu entfliehen trachteten, erbot er sich, ihnen als Fuhrer zu dienen.

Das war ein Gluck, denn sonst hatte keiner die Treppe gefunden.

Doch welche Enttauschung, als sie diese erreicht hatten!

Der Eingang dazu war von Raggi und einem Dutzend Kriegern bewacht.

Wenn sie – zu vier – den Durchgang zu erzwingen versuchten, war doch wohl kaum der erwunschte Erfolg zu erwarten.

Jetzt hielt es Max Huber fur an der Zeit, von seinem Gewehre Gebrauch zu machen.

Raggi und zwei andere wollten sich eben auf ihn sturzen.

Max Huber wich einige Schritte zuruck und gab auf die Gegner Feuer.

Mitten in die Brust getroffen brach Raggi auf der Stelle todt zusammen.

Offenbar kannten die Wagddis weder den Gebrauch der Feuerwaffen, noch deren Wirkung. Der Knall und das Niedersturzen Raggi’s flo?te ihnen einen solchen Schreck ein, da? man ihn kaum beschreiben kann. Und ware ein Blitz wahrend der Feierlichkeiten auf den Festplatz niedergefahren, sie hatten nicht heftiger erschrecken konnen. Der ganze Kriegertrupp stob auseinander; die einen fluchteten ins Dorf, die anderen voltigierten mit der Geschwindigkeit von Vierhandern die Treppe hinunter.

Fur einen Augenblick war der Weg jetzt frei.

Nun hie? es nur, Lo-Mai und dem Kleinen zu folgen, die vorausgingen. John Cort, Max Huber, der Foreloper und Llanga lie?en sich sozusagen hinuntergleiten, ohne dabei auf ein Hinderni? zu sto?en. Nachdem sie unter dem Dorfe in den Luften hingeeilt waren, wendeten sie sich dem Rio zu. Diesen erreichten sie in wenigen Minuten, losten hier eines der Canots vom Ufer und stiegen mit dem Vater und dem Kinde hinein.

Jetzt leuchteten aber von allen Seiten Fackeln auf und von allen Seiten kamen eine Menge Wagddis herbeigelaufen, die vorher in der Umgebung des Dorfes umhergeirrt waren. Ein wuthendes, drohendes Geschrei wurde von einer wahren Wolke von Pfeilen begleitet.

»Nun ohne Rucksicht, rief John Cort, es geht nicht anders!«

Max Huber und er legten die Gewehre an, wahrend Khamis die Patronen zum schnellen Wiederladen bereit hielt.

Zwei Schusse krachten. Zwei Wagddis waren getroffen und die wuthschnaubende Menge floh auseinander.

In diesem Augenblick wurde das durch Khamis vom Ufer abgesto?ene Canot schon von der Stromung erfa?t und schnell verschwand es stromabwarts unter dem Schutze einer Reihe machtig entwickelter Baume.

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Von der nach Sudwesten gerichteten Fahrt durch den gro?en Wald ist nichts – wenigstens nichts besonderes – zu melden.

Mochte es auch noch andere ahnliche Luftdorfer geben, so bekamen die beiden Freunde doch kein weiteres zu Gesicht.

Da es an Munition nicht mangelte, war die Ernahrung leicht durch die Jagd zu sichern, und in den Nachbargebieten des Ubanghi gab es Antilopen in Ueberflu?.

Am nachsten Abend legte Khamis das Canot fur die Nacht an einem Baume am Ufer fest.

Wahrend der Fahrt hatten John Cort und Max Huber mit den Beweisen ihrer Erkenntlichkeit gegen Lo-Mai nicht gegeizt, denn sie empfanden fur diesen eine wirklich menschliche Theilnahme.

Zwischen Llanga und dem Kinde hatte sich eine wahrhaft bruderliche Freundschaft herausgebildet. Wie hatte der junge Eingeborne auch die anthropologischen Unterschiede herausfuhlen konnen, die ihn weit uber dieses kleine Wesen stellten.

John Cort und Max Huber hofften stark, Lo-Mai bestimmen zu konnen, da? er sie nach Libreville begleitete. Die Ruckreise auf dem Rio, zweifellos einem Nebenflusse des Ubanghi, mu?te ja ohne Beschwerde verlaufen, wenigstens wenn auch dieser Flu? nicht durch Stromschnellen oder Wasserfalle unterbrochen war.

Es war am Abend des 16. April, wo das plumpe Boot nach zwanzigstundiger Fahrt Halt machte. Khamis schatzte den seit dem vorigen Tage zuruckgelegten Weg auf achtzig bis hundert Kilometer.

Hier an der Landungsstelle sollte die Nacht verbracht werden. Nothdurftig wurde ein Lager hergerichtet, dann a?en alle tuchtig, und wahrend Lo-Mai wach blieb, genossen die ubrigen einen durch nichts gestorten, starkenden Schlummer.

Fruh am nachsten Morgen machte Khamis alles zur Weiterfahrt zurecht und das Canot hatte blo? in die Stromung gesteuert zu werden brauchen.

Zu derselben Zeit stand Lo-Mai, sein Kind an der Hand, wartend am Flu?rande.

John Cort und Max Huber traten auf ihn zu und drangten ihn, doch mit ihnen weiter zu fahren.

Lo-Mai schuttelte nur den Kopf und wies dabei nach dem Bette des Rio und andererseits nach der Tiefe des Waldes.

Die beiden Freunde wiederholten jedoch ihre dringende Aufforderung, die sie dem Wagddi durch allerlei Zeichen verstandlich machten. Sie hatten Lo-Mai und Li-Mai so gern nach Libreville mitgenommen.

Gleichzeitig uberhaufte Llanga das Kind mit seinen Liebkosungen, fiel ihm um den Hals und pre?te es in die Arme.

Er suchte den Kleinen mit nach dem Canot zu ziehen.

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