die Hoch- und Gro?meister-Hexe lebt, gibt es immer noch eine zweite Hoch-und Gro?meister-Hexe, die geduldig darauf wartet, im Fall einer Katastrophe die Fuhrung zu ubernehmen.»

«O nein!», rief ich. «Das bedeutet ja, dass alles, was wir getan haben, umsonst war! Bin ich fur nichts und wieder nichts eine Maus geworden?»

«Wir haben die Kinder von England gerettet», sagte sie.

«Das wurde ich nicht als Nichts bezeichnen.»

«Ich wei?, ich wei?!», rief ich. «Aber das ist doch langst nicht genug! Ich bin fest davon uberzeugt gewesen, jetzt, wo wir ihre Anfuhrerin erledigt haben, schwanden alle Hexen der Welt allmahlich dahin. Und nun erzahlst du mir, dass alles genauso weitergeht, wie es vorher war!»

«Nicht genauso wie davor», widersprach meine Gro?mutter. «In England gibt es zum Beispiel keine Hexen mehr. Das ist doch ein ganz schoner Erfolg, oder?»

«Und was ist mit dem Rest der Welt», rief ich. «Was ist mit Amerika und Frankreich und Holland und mit Deutschland? Und was ist mit Norwegen?»

«Du musst nicht denken, ich hatte in den letzten Tagen hier nur herumgesessen und gar nichts getan», sagte sie. «Ich habe mich gerade mit diesem speziellen Problem ziemlich eingehend beschaftigt und lange daruber nachgedacht.»

Wahrend sie sprach, schaute ich zu ihrem Gesicht empor, und plotzlich merkte ich, wie ein kleines verschmitztes Lacheln heimlich um ihre Augen herum tanzte und sich bis zu den Mundwinkeln ausbreitete. «Warum lachelst du so, Gro?mama?», fragte ich sie.

«Ich habe einige interessante Neuigkeiten fur dich», verkundete sie.

«Was fur Neuigkeiten?»

«Soll ich es dir ganz von Anfang an erzahlen?»

«Ach bitte, ja», sagte ich. «Gute Nachrichten hab ich zu gerne.»

Sie war mit ihrem Omelette fertig, und ich hatte genug von meinem Kase gehabt.

Sie wischte sich die Lippen mit einer Serviette ab und sagte: «Sowie wir damals wieder nach Norwegen gekommen waren, habe ich ein Ferngesprach mit England gefuhrt.»

«Mit wem in England, Gro?mama?»

«Mit dem Polizeichef in Bournemouth, mein Schatzelchen. Ich sagte ihm, ich sei der oberste Polizeichef von Norwegen und hatte ein bestimmtes Interesse an gewissen Ereignissen, die sich vor kurzem im Grandhotel zugetragen hatten.»

«Halt mal, halt mal», sagte ich. «Ein englischer Polizeibeamter wird dir doch im Traum nicht abnehmen, dass du der oberste Chef der norwegischen Polizei bist!»

«Mannerstimmen kann ich sehr gut nachmachen», antwortete sie. «Naturlich hat er mir geglaubt. Dieser Polizeimensch in Bournemouth fuhlte sich uberaus geehrt, weil ihn der Polizeichef von ganz Norwegen hochstpersonlich angerufen hatte.»

«Also, was hast du ihn gefragt?» «Ich fragte ihn nach dem Namen und der Anschrift jener Dame, die im Grandhotel im Zimmer 454 gewohnt hatte und verschwunden war.»

«Du meinst die Hoch- und Gro?meister-Hexe!», rief ich.

«Ja, mein Schatzelchen.»

«Und hat er dir die Auskunft gegeben?»

«Selbstverstandlich hat er sie mir gegeben. Ein Polizist wird immer einem anderen Polizisten helfen.»

«Donnerwetter, du hast wirklich Nerven, Gro?mama!»

«Ich wollte ihre Adresse haben», sagte meine Gro?mutter.

«Hat er denn ihre Adresse gewusst?»

«Ja. Sie hatten ihren Pass in ihrem Zimmer gefunden, und darin stand ihre Anschrift. Sie fand sich au?erdem noch im Hotelregister. Jeder, der sich in einem Hotel aufhalt, muss einen Namen und eine Adresse in dieses Buch eintragen.»

«Aber die Hoch- und Gro?meister-Hexe wird doch nicht ihren wirklichen Namen und ihre Anschrift in das Hotelregister geschrieben haben?», fragte ich.

«Warum denn nicht?», fragte meine Gro?mutter. «Au?er den anderen Hexen hat doch keiner auf der ganzen Welt auch nur die leiseste Ahnung gehabt, wer sie war. Wo sie aufgetaucht ist, da haben die Leute sie nur als eine nette Dame gekannt. Du, mein Schatzelchen, nur du allein bist das einzige Wesen auf der Welt, das keine Hexe ist und sie trotzdem ohne Maske gesehen hat. Selbst in ihrer Heimatgegend, in dem Ort, in dem sie gewohnt hat, haben die Nachbarn sie nur als eine freundliche und sehr reiche Baronin gekannt, die gro?e Summen zu Wohltatigkeitszwecken stiftete. Das hab ich schon uberpruft.»

Ich wurde allmahlich aufgeregt. «Und diese Adresse, die du rausgekriegt hast, das muss doch das geheime Hauptquartier der Hoch- und Gro?meister-Hexe gewesen sein.»

«Das ist es immer noch», antwortete meine Gro?mutter. «Und dort wird sich wahrscheinlich die neue Hoch- und Gro?meister-Hexe mit ihrem Hofstaat aus speziellen Helferhexen unterdessen eingerichtet haben. Du wei?t ja, wichtige Herrschaften umgeben sich immer mit ganzen Heerscharen von Beratern.»

«Wo liegt denn ihr Hauptquartier, Gro?mama?», rief ich. «Sag mir rasch, wo es ist.»

«Es ist ein Schloss», erwiderte meine Gro?mutter. «Und das Faszinierende daran ist, in diesem Schloss mussen sich alle Namen und Adressen von allen Hexen auf der Welt befinden. Wie konnte die Hoch- und Gro?meister-Hexe sonst die Geschafte fuhren? Wie konnte sie die Hexen aus den verschiedenen Landern zu ihrem Jahrestreffen einladen?»

«Wo ist denn das Schloss, Gro?mama?», rief ich ungeduldig. «In welchem Land liegt es? Sag's mir doch rasch!»

«Rate mal», erwiderte sie.

«Norwegen!», sagte ich.

«Gleich beim ersten Versuch getroffen!», antwortete sie. «Hoch oben in den Bergen oberhalb eines kleinen Dorfes.»

Das waren ungeheure Neuigkeiten. Ich legte vor lauter Aufregung ein kleines Tanzchen auf der Tischplatte hin. Meine Gro?mutter war jedoch auch in Erregung geraten, und jetzt hievte sie sich aus ihrem Sessel und begann, im Zimmer auf und ab zu schreiten, wobei sie mit ihrem Stock auf den Teppich pochte. «Wir mussen uns also wieder an die Arbeit machen, du und ich!», rief sie aus. «Eine gro?e Aufgabe liegt vor uns! Gottlob, dass du eine Maus bist. Eine Maus kommt uberall hin. Ich brauche dich nur irgendwo in der Nahe des Hexenschlosses abzusetzen, und dann huschst du einfach hinein und schleichst dich uberall hin und schaust dich uberall um und spitzt nach Herzenslust die Ohren.»

«Das werd ich machen! So will ich's machen!», antwortete ich eifrig. «Und keiner wird mich sehen! In einem gro?en Schloss herumzuflitzen, wird im Vergleich mit der vollgeraumten Kuche, in der es auch noch von Kochen und Kellnern gewimmelt hat, ein reines Kinderspiel sein!»

«Und wenn es notwendig ware, so konntest du tagelang drinnen bleiben», rief meine Gro?mutter. In ihrer Aufregung fuchtelte sie mit ihrem Kruckstock in der Luft herum, und plotzlich stie? sie eine hohe und sehr schone Vase um, die zu Boden krachte und in tausend Scherben zersprang. «Kummer dich nicht drum», sagte sie, «das ist nur eine Ming-Vase. Wenn du Lust hattest, konntest du wochenlang in diesem Schloss bleiben, und sie hatten keine Ahnung, dass du da bist. Ich konnte mir ein Zimmer im Dorf mieten, und jeden Abend konntest du dich aus dem Schloss schleichen und mit mir zu Abend essen und mir berichten, was alles los gewesen ist.»

«Und ob! Das konnte ich gut!», rief ich aus. «Und drinnen im Schloss konnte ich einfach uberall herumschnuffeln!»

«Aber deine Hauptaufgabe», sagte meine Gro?mutter, «bestunde naturlich darin, alle Hexen dort zu vernichten. Das ware dann endlich das wahre Ende der ganzen Hexengesellschaft.»

«Ich sie vernichten?», rief ich. «Wie soll ich das denn machen?»

«Kannst du es nicht erraten?», fragte sie.

«Verrat es mir!» antwortete ich.

«Der Mausemacher!», rief meine Gro?mutter triumphierend. «Noch einmal das Formula 86 retard /

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