Mausemutarium. Du wirst es allen im Schloss zu schlucken geben, indem du es ihnen in das Essen traufelst. Du kannst dich doch noch an das Rezept erinnern, oder?»

«Wort fur Wort», entgegnete ich. «Willst du damit sagen, dass wir es selber machen sollen?»

«Warum denn nicht?», rief sie aus. «Wenn sie es herstellen konnen, so bringen wir es auch zustande! Es dreht sich doch nur darum, dass man genau wei?, was reinkommt.»

«Und wer klettert auf die hohen Baume, um die Grunzer-Eier zu kriegen?», fragte ich sie.

«Ich naturlich!», rief sie wieder. «Das mach ich selber! In diesen alten Knochen steckt noch tuchtig Leben!»

«Ich glaube aber trotzdem, dass ich das ubernehmen sollte, Gro?mama. Das konnte dich zum Kruppel machen.»

«Ach, das sind Kleinigkeiten!», rief sie aus und schwenkte den Stock wieder durch die Gegend. «Wir werden keine Widerstande dulden!»

«Und was geschieht danach?», fragte ich sie. «Nachdem sich die neue Hoch- und Gro?meister-Hexe und alle anderen Hexen im Schloss in Mause verwandelt haben?»

«Dann ist das Schloss vollkommen leer, und ich werde heraufkommen und zu dir sto?en und...»

«Warte!», rief ich. «Halt mal! Mir ist gerade etwas Unangenehmes eingefallen!»

«Was denn?», fragte sie.

«Als der Mausemacher mich in eine Maus verwandelt hat», antwortete ich, «bin ich keine gewohnliche Maus geworden, die man mit Mausefallen fangen kann. Ich bin ein sprechender und denkender intelligenter Mausejunge geworden, dem es nicht im Traum einfallen wurde, sich auch nur in die Nahe einer Mausefalle zu begeben!»

Meine Gro?mutter blieb stocksteif stehen. Sie wusste schon, was jetzt kommen wurde.

«Also», fuhr ich fort, «wenn wir den Mausemacher dazu benutzen, um die neue Hoch- und Gro?meister- Hexe samt allen anderen Hexen im ganzen Schloss in Mause zu verwandeln, so wird der ganze Ort von blitzgescheiten, supergefahrlichen und hollisch heimtuckischen Mausehexen wimmeln. Sie werden immer noch Hexen sein, Hexen im Mausefell. Und das», setzte ich hinzu, «konnte grauenhaft werden.»

«Ach du grune Neune! Du hast Recht!», rief sie besturzt. «Das hab ich vollkommen ubersehen.»

«Und mit einem ganzen Schloss voller Mausehexen kann ich es wirklich nicht aufnehmen», sagte ich.

«Ich wohl auch nicht», murmelte sie. «Wir mussen sie also auf einen Schlag loswerden. Sie mussen zermalmt werden und erschlagen und in kleine Stucke gehackt - genau wie im Grandhotel.»

«Das mach ich nicht», entgegnete ich. «Das kann ich nicht. Und du kannst das auch nicht, Gro?mama. Und Mausefallen hatten nicht den geringsten Sinn. Ach ubrigens», setzte ich hinzu, «die Hoch- und Gro?meister-Hexe, die mich erwischt hat, die hat sich doch geirrt, nicht wahr? Ich meine, was die Mausefallen angeht.»

«Ja, ja», antwortete meine Gro?mutter ziemlich ungeduldig. «Aber mit der Hoch- und Gro?meister-Hexe brauchen wir uns nicht mehr zu beschaftigen, die ist dem Kuchenchef unter das Messer geraten. Jetzt mussen wir uns mit der neuen Hoch- und Gro?meister-Hexe beschaftigen, mit der Hexe hoch oben im Schloss und mit all ihren Helfern und Helfershelferinnen. Eine Hoch- und Gro?meister-Hexe ist schon schlimm genug, wenn sie sich als Dame verkleidet, aber stell dir nur vor, was sie anrichten konnte, wenn sie eine Maus ware! Sie kame uberall hin!»

«Ich hab's!», rief ich und machte einen Luftsprung. «Ich habe die Losung!»

«Raus damit!», fuhr mich meine Gro?mutter an. «Katzen sind die Losung!», rief ich. «Lass die Katzen los.» Meine Gro?mutter starrte mich an. Dann breitete sich ein strahlendes Lacheln uber ihr ganzes Gesicht, und sie rief: «Das ist brillant! Absolut brillant!»

«Wenn man ein halb Dutzend Katzen in dieses Schloss treibt», jubilierte ich, «dann werden sie innerhalb von funf Minuten jede Maus erwischt haben, ob sie nun schlau sind oder nicht.»

«Du bist ein Zaubermeister!», rief meine Gro?mutter und fing wieder an, mit ihrem Stock herumzufuchteln.

«Pass auf die Vasen auf, Gro?mama!»

«Zur Holle mit den Vasen!», trompetete sie. «Ich bin so aufgeregt, dass es mir schnurzpiepegal ist, wie viele ich zerschlage!»

«Nur noch eins», sagte ich. «Du musst wirklich sicher sein, dass ich selber aus dem Wege bin, bevor du die Katzen reinlasst.»

«Das verspreche ich dir», antwortete sie. «Und was wollen wir machen, wenn die Katzen alle Mause gefressen haben?», fragte ich sie.

«Dann bringe ich die Katzen ins Dorf zuruck, und dann haben wir, du und ich, das Schloss vollkommen fur uns allein.»

«Und dann?», fragte ich.

«Dann holen wir uns die Kartei und haben die Namen und die Anschriften von allen Hexen auf der ganzen weiten Welt!»

«Und dann?», fragte ich, ganz zittrig vor Aufregung.

«Danach, mein Schatzelchen, wird fur dich und fur mich die allergro?te Aufgabe zu erledigen sein. Wir werden unsere Sachen packen und durch die Welt reisen. In jedem Lande, das wir besuchen, werden wir die Hauser aufsuchen, in denen Hexen leben. Und wir werden jedes Haus finden, eins nach dem anderen, und wenn wir es gefunden haben, dann schlupfst du hinein und lasst deine kleinen Tropfen vom todlichen Mausemacher auf dem Brot oder auf den Cornflakes oder auf dem Reisbrei oder auf irgendwelchen anderen Lebensmitteln zuruck, die du herumliegen siehst. Es wird ein Triumphzug werden, mein Schatzelchen! Ein ungeheurer Triumphzug, den niemand aufhalten kann. Und wir werden sie ganz alleine erledigen, nur du und ich. Das wird unsere Aufgabe, unsere Lebensaufgabe.»

Meine Gro?mutter hob mich vom Tisch auf und kusste mich auf die Nase. «Ach du meine Gute, in den nachsten Wochen und Monaten und Jahren werden wir aber tuchtig was um die Ohren haben!», rief sie.

«Das glaub ich auch», sagte ich. «Aber was wird das fur einen Spa? machen, und wie wird das aufregend sein!»

«Das kannst du wohl sagen», rief meine Gro?mutter und gab mir noch einen Kuss. «Ich kann's gar nicht abwarten, bis wir loslegen!»

Biographie

Roald Dahl wurde am 13. September 1916 in Llandaff bei Cardiff in Wales als Sohn norwegischer Eltern geboren. Weil er neben etlichen Schwestern der einzige Sohn im Hause war, hie? er schlicht «Boy».

«Boy» ist auch der Titel seiner Erinnerungen an Schones und Schreckliches aus seiner Kinderzeit (rororo Nr. 15.693).

Boy verlor als Kleinkind innerhalb weniger Wochen durch Krankheit eine Schwester und seinen hei? geliebten Vater, der es als Schiffsausruster zu Wohlstand und Ansehen gebracht hatte.

Nach dem Besuch der noblen, aber ungeliebten Public School Repton absolvierte Dahl eine kaufmannische Lehre bei der Shell Oil Company in London, die ihn 1936 nach Tanganjika schickte.

Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs meldete er sich freiwillig und flog als Pilot der Royal Air Force Einsatze in Afrika, Griechenland und Nahost.

Nach einer schweren Verwundung wurde er bis zum Kriegsende an die Britische Botschaft in Washington versetzt. In dieser Zeit begann Dahl, gefordert von C. S. Forester, dem beruhmten Autor der Hornblower-Romane, zu schreiben, vor allem uber seine Erlebnisse als Flieger. Sein erster Band mit Erzahlungen erschien 1946 («... steigen aus... maschine brennt...», rororo Nr. 868) und erregte sofort das Interesse namhafter Kritiker.

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