personifizierte Heiterkeit. Sie hielt das Steuer stets mit beiden Handen fest, fand immer das richtige Wort, tat immer das Richtige und war voll freundlicher Teilnahme. Und doch war in ihr diese heimliche Trauer. Wenn es auch sonst niemand bemerkte, Mark sah es.

Mark fragte sich oft, was sie ihm so begehrenswert erscheinen lie?: vielleicht nur, da? sie fur ihn so unerreichbar war. Kitty war jedenfalls von Anfang an Toms Madchen gewesen, und Mark war nichts weiter ubriggeblieben, als Tom zu beneiden.

Auf der Universitat bezogen Tom und Mark ein gemeinsames Zimmer. Im ersten Jahr war Tom ganz unglucklich uber die Trennung von Kitty. Stundenlang mu?te sich Mark sein Gejammer anhoren und ihn trosten. Als der Sommer kam, mu?te Kitty mit ihren Eltern nach Wisconsin fahren. Sie ging noch zur Schule, und die Eltern wollten die sturmische Verliebtheit der jungen Leute durch die raumliche Trennung ein wenig dampfen. Tom und Mark trampten nach Oklahoma und arbeiteten dort auf den Erdolfeldern. Als dann die Vorlesungen wieder begannen, war Tom schon wesentlich ruhiger geworden. Die Abstande zwischen Toms und Kittys Briefen wurden langer, und die Abstande zwischen Toms Rendezvous' auf dem Universitatsgelande wurden kurzer. Allmahlich sah es so aus, als sei es zwischen dem College-Lowen und dem Madchen zu Hause aus und vorbei.

Gegen Ende des Studiums hatte Tom seine Kitty so gut wie vergessen. Er war der Beau der Uni geworden, eine Rolle, die dem As des Basketball-Teams gut stand. Mark war bescheidener: er sonnte sich in Toms Ruhm und qualifizierte sich im ubrigen als einer der schlechtesten Studenten des Zeitungswesens in der gesamten Geschichte der Universitat.

Doch dann kam Kitty an die Uni. — Der Blitz schlug ein!

Mark konnte Kitty tausendmal sehen, und es war immer wieder genauso aufregend wie das erstemal. Diesmal ging es Tom ebenso. Einen Monat vor Toms Promotion brannten die beiden durch. Tom und Kitty, begleitet von Mark und Ellen, fuhren in einem Ford Modell A und mit vier Dollar und zehn Cent uber die Grenze und suchten einen Friedensrichter auf. Ihre Flitterwochen verlebten sie hinten in dem Ford, der auf der Ruckfahrt im Schlamm der Stra?e versank und bei stromendem Regen leckte wie ein Sieb. Es war ein verhei?ungsvoller Anfang fur das typisch amerikanische junge Paar. Nach Toms Promotion hielten die beiden ihre Heirat noch ein ganzes Jahr lang geheim. Kitty blieb an der Uni, um ihre als Krankenpflegerin zu beenden. Kitty und Krankenpflege, das schien zusammenzugehoren, mu?te Mark immer denken.

Tom betete Kitty an. Er war immer ein bi?chen ungebardig gewesen und sehr abgeneigt, sich zu binden; doch das gab sich jetzt, und er entwickelte sich weitgehend zu dem, was man einen treuen Ehemann nennt. Seine berufliche Laufbahn begann er als sehr kleiner Angestellter einer sehr gro?en Public-Relations-Firma. Sie zogen nach Chikago. Kitty arbeitete als Pflegerin am Kinderkrankenhaus. Zentimeter um Zentimeter, in typisch amerikanischem Stil, machten sie ihren Weg nach oben. Erst eine Etagenwohnung, und dann ein kleines Haus. Ein neuer Wagen, monatliche Abzahlungen, gro?e Hoffnungen. Kitty erwartete Sandra, ihre Tochter.

Marks Gedanken rissen ab, als das Taxi jetzt langsamer durch die Au?enbezirke von Nikosia fuhr, der Hauptstadt von Zypern, die aus der braunen Erde der Ebene zwischen den Bergketten im Norden und im Suden emporwuchs. »Sprechen Sie Englisch?« fragte Mark den Fahrer.

»Ja, Sir.«

»Da auf dem Flugplatz ist ein Schild, auf dem steht: Welcome to Cyprus. Wie hei?t das eigentlich weiter?«

»Soviel ich wei?«, antwortete der Fahrer, »hei?t das weiter gar nichts, das soll nur so eine Hoflichkeit gegenuber den Touristen sein.«

Sie kamen in das eigentliche Nikosia. Die Ebenheit des Bodens, die gelben Hauser mit den roten Ziegeldachern, das Meer von Dattelpalmen, alles erinnerte Mark an Damaskus. Die Stra?e fuhrte an der alten venezianischen Mauer entlang, die sich als geschlossener Kreis rings um die Altstadt zog. Mark sah die beiden Minaretts, die uber dem turkischen Teil der Altstadt in den Himmel ragten. Sie gehorten zu St. Sophia, der prachtigen Kathedrale aus der Zeit der Kreuzritter, die spater zu einer Moschee umgebaut wurde. Wahrend sie an der Mauer entlangfuhren, kamen sie an den riesigen Befestigungen vorbei, die die Form von Pfeilspitzen hatten. Mark erinnerte sich von seinem letzten Aufenthalt auf Zypern her, da? es elf Pfeilspitzen waren, die aus der Mauer herausragten, eine ungerade Zahl. Er wollte schon den Fahrer fragen, wieso eigentlich gerade elf, lie? es dann aber lieber bleiben.

Sehr bald waren sie aus Nikosia wieder heraus und fuhren weiter durch die Ebene nach Norden. Sie kamen durch ein Dorf nach dem anderen, alle aus grauen Lehmhutten und einander zum Verwechseln ahnlich. In jedem Dorf stand ein Hydrant mit einer Inschrift: die Erbauung sei der Gro?mut Seiner Majestat des Konigs von England zu verdanken. Auf den farblosen Feldern waren die Bauern mit diesen prachtvollen Arbeitstieren, den zyprischen Mauleseln, bei der Kartoffelernte.

Der Fahrer beschleunigte das Tempo, und Mark uberlie? sich von neuem seinen Erinnerungen .. .

Mark und Ellen hatten kurze Zeit nach Tom und Kitty geheiratet. Es war von Anfang an ein Irrtum gewesen. Zwei nette Menschen, aber nicht fureinander geschaffen. Es war Kitty Fremonts freundliche Klugheit gewesen, die Mark und Ellen zusammengehalten hatte. Sie beide konnten bei Kitty ihr Herz erleichtern, und durch Kitty blieb die Ehe au?erlich noch intakt, als ihre Zeit schon langst abgelaufen war. Dann brach sie auseinander, und sie lie?en sich scheiden. Mark war froh, da? die Ehe kinderlos geblieben war. Nach der Scheidung ging Mark in den amerikanischen Osten, wo er ruhelos von einem Job zum nachsten wechselte, nachdem es ihm gelungen war, vom schlechtesten Studenten der Zeitungswissenschaft zum schlechtesten Journalisten der Welt zu avancieren. Er wurde einer jener ziellos treibenden Menschen, wie man sie in der Welt der Presse treffen kann. Dabei war er keineswegs dumm oder untalentiert, er war nur vollig unfahig, die Stelle im Leben zu finden, an die er gehorte. Mark war im Grunde ein schopferischer Mensch, doch die routinema?ige Tatigkeit der Lokalberichterstattung verschuttete diese schopferische Ader. Dennoch hatte er nicht den Wunsch, es als freier Schriftsteller zu versuchen. Er war sich klar daruber, da? er den Anforderungen, die damit verbunden waren, menschlich nicht gewachsen war. So war er weder Fisch noch Fleisch und fuhlte sich im Grunde unglucklich.

Jede Woche kam ein Brief von Tom, worin er begeistert berichtete, mit welchem Eifer er »nach oben kletterte«. Au?erdem stand in diesen Briefen, wie sehr er Kitty liebte und Sandra, ihr Tochterchen. Auch von Kitty kamen Briefe. Ihr Inhalt war ein nuchternes Abwagen dessen, wovon Tom in den Tonen uberschwenglicher Begeisterung berichtete. Kitty hielt Mark auch uber Ellen stets auf dem laufenden, bis sich Ellen dann wieder verheiratete.

1938 offnete sich fur Mark Parker die Welt. Bei dem American News Syndicate in Berlin war ein Posten zu besetzen, und Mark, bis dahin ein Nichtsnutz, der sich bei der Presse herumtrieb, stieg plotzlich zu der achtbaren Stellung eines Auslandskorrespondenten auf.

In dieser Eigenschaft erwies sich Mark als ein begabter Bursche. Hier war er in der Lage, seinen Wunsch nach schopferischer Tatigkeit wenigstens zu einem Teil zu verwirklichen, indem er einen Stil entwickelte, der ihn als Individuum kenntlich machte — als Mark Parker, der mit keinem anderen zu verwechseln war. Mark war durchaus kein weltbewegendes Genie, aber er verfugte uber den einen entscheidenden Instinkt, der den wirklich guten Auslandskorrespondenten ausmacht; er hatte die Fahigkeit, alles, was irgendwo in der Luft lag, zu riechen, noch ehe es passierte. Die Welt war ein Rummelplatz. Mark fuhr kreuz und quer durch Europa, Asien und Afrika. Er hatte eine ganz bestimmte berufliche Funktion, seine Arbeit machte ihm Spa?, und er war ein gern gesehener, kreditwurdiger Gast an der Bar bei Charley, Romeo, Alfonso und Jacques, und die Liste der blonden, brunetten oder rothaarigen Kandidatinnen fur den Club seiner »Madchen des Monats« war unerschopflich.

Als der Krieg ausbrach, sauste Mark uberall in Europa herum.

Es war gut, zwischendurch fur ein paar Tage in London auszuruhen, wo jedesmal ein Haufen Post von Tom und Kitty auf ihn wartete. Im Fruhjahr 1942 meldete sich Tom Fremont freiwillig zum Marinekorps. Er fiel bei Guadalcanal.

Zwei Monate nach Toms Tod starb Sandra, die kleine Tochter, an Kinderlahmung.

Mark nahm Sonderurlaub und fuhr nach Hause, doch als er ankam, war Kitty Fremont nicht mehr zu finden. Er suchte nach ihr, ohne Erfolg, bis er wieder nach Europa zuruck mu?te. Allem Anschein nach war sie spurlos vom Erdboden verschwunden. Es beruhrte Mark merkwurdig: aber diese Trauer, die er schon immer in Kittys Augen gesehen hatte, schien jetzt wie eine Prophezeiung, die in Erfullung gegangen war.

Sofort nach Kriegsende kam er zuruck, um erneut nach ihr zu suchen, doch die Spur war nicht mehr aufzufinden.

Im November 1945 rief ihn das American News Syndicate nach Europa zuruck, um uber den Proze? in Nurnberg zu berichten. Mark war inzwischen ein anerkannter Fachmann und fuhrte den Titel

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