fur eine verruckte Welt das doch war. In fruheren Zeiten pflegten die Manner in den Krieg zu ziehen und die Frauen daheim zu bleiben.

Von den beiden jungen Mannern, die die Farm bewirtschafteten, Rowley und Johnnie, hatte notgedrungen einer daheim bleiben mussen. Sie hatten gelost, und Johnnie hatte das Los getroffen. Kurz nachdem er ausgezogen war, fiel er. In Norwegen. Und Rowley war auf der Farm geblieben und wahrend all der Kriegsjahre hochstens eine Meile weit gekommen. Sie, Lynn, hingegen hatte Agypten, Sizilien und Nordafrika gesehen und mehr als eine gefahrliche Situation durchgestanden.

Ob Rowley wohl mit dem Schicksal haderte, das sie beide auf solcherart verdrehte Posten gestellt hatte? Sie stie? ein nervoses kurzes Lachen aus.

»Ist es dir sehr schwer gefallen, Rowley, dass Johnnie… ich meine, dass er – «

»Lass Johnnie aus dem Spiel«, unterbrach Rowley sie barsch. »Der Krieg ist vorbei. Ich habe Gluck gehabt.«

»Du meinst, du hast Gluck gehabt, dass du nicht zu gehen brauchtest?«

»Ist das kein Gluck?« Seine Stimme klang ruhig wie immer, und doch war der schneidende Unterton nicht zu uberhoren. »Fur euch Madchen, die ihr aus dem Krieg kommt, wird es schwer sein, sich wieder an die heimatliche Scholle zu gewohnen.«

»Ach, red doch keinen Unsinn, Rowley.«

Sie reagierte unerklarlich gereizt. Warum? Vielleicht, weil ein Kornchen Wahrheit in Rowleys Bemerkung steckte?

»Findest du denn, dass ich mich verandert habe?«, fragte sie, schon nicht mehr so selbstsicher.

»Nicht gerade verandert…«

»Vielleicht bist du anderen Sinnes geworden.«

»Ich bin, wie ich war. Auf der Farm hat sich nicht das Geringste verandert.«

»Umso besser«, entgegnete Lynn, der Spannung, die plotzlich zwischen ihnen bestand, gewahr werdend. »Dann lass uns bald heiraten. Wann es dir passt.«

»Ich denke im Juni irgendwann, ja?«

»Ja.«

Sie verfielen in Schweigen. So war es also abgemacht. Lynn kampfte vergebens gegen ein Gefuhl der Unlust an. Rowley war Rowley, wie er immer gewesen. Freundlich, nicht aus der Ruhe zu bringen und von peinlicher Genauigkeit in allem.

Sie liebten einander, hatten sich immer geliebt. Von Gefuhlen war nie viel die Rede gewesen zwischen ihnen. Wozu jetzt davon anfangen?

Sie wurden im Juni heiraten und dann in Long Willows leben. Ein hubscher Name fur eine Farm, das hatte sie schon immer gefunden. Sie wurde in Long Willows leben, und sie wurde nicht mehr weggehen von dort. Weggehen in dem Sinne, wie sie es jetzt seit dem Krieg verstand. Brummende Flugzeugmotoren, rasselnde Ankerketten, an Deck stehen und hinuberschauen zum Land, das langsam aus ungewissen Schatten feste Formen annahm; Leben und Treiben fremder Stadte und Lander, fremde Sprachen, fremde Sitten, Packen und Auspacken, prickelnde Ungewissheit, was als Nachstes kam – alles vorbei.

Das lag hinter ihr. Der Krieg war aus. Lynn Marchmont war heimgekehrt – aber es war nicht die gleiche Lynn, die vor drei Jahren ausgezogen war. Mit unvermittelter Klarheit wurde sie sich dessen bewu?t.

Sie schrak aus ihren Gedanken auf und schaute zu Rowley hinuber. Rowley beobachtete sie.

5

Tante Kathies Gesellschaften verliefen stets gleich. Die etwas atemlose, sprunghafte Art der Gastgeberin ubertrug sich auf die Gaste und erfullte die Atmosphare mit Unruhe. Dr. Cloade gab sich die au?erste Muhe, von der allgemeinen Nervositat nicht angesteckt zu werden, und war betont hoflich zu seinen Gasten, aber es entging niemandem, welche Anstrengung dies fur ihn bedeutete.

Rein au?erlich war Lionel Cloade seinem Bruder Jeremy nicht ganz unahnlich, doch fehlte ihm des Rechtsanwalts Ausgeglichenheit. Lionel war kurz angebunden und sehr ungeduldig; seine bruske, leicht gereizte Art hatte schon manchen seiner Patienten vor den Kopf gesto?en und fur die au?erordentliche Tuchtigkeit und die unter der Schroffheit verborgene Gutmutigkeit des Arztes blind gemacht. Dr. Cloades eigentliches Terrain war die Forschungsarbeit und sein Lieblingsgebiet der Gebrauch medizinischer Krauter im Laufe der Jahrhunderte.

Wahrend Lynn und Rowley die Frau ihres Onkels Jeremy stets »Frances«, nannten, wurde Onkel Lionels Gattin von ihnen nie anders als »Tante Kathie« gerufen.

Die heutige Gesellschaft, veranstaltet zu Ehren von Lynns Heimkehr, war eine reine Familienfeier. Tante Kathie begru?te ihre Nichte sehr herzlich.

»Hubsch siehst du aus, Lynn, so braun gebrannt! Die Farbe hast du dir sicher in Agypten geholt. Hast du das Buch uber die Geheimnisse der Pyramiden gelesen, das ich dir geschickt habe? Sehr interessant! Es erklart alles, findest du nicht? Alles!«

Zum Gluck wurde Lynn durch den Eintritt Mrs Gordon Cloades und ihres Bruders einer Antwort auf Tante Kathies uberschwangliche Frage enthoben.

»Das ist meine Nichte Lynn Marchmont, Rosaleen.«

Lynn betrachtete Gordon Cloades Witwe mit hoflich versteckter Neugier.

Diese Rosaleen, die Gordon Cloade nur seinem vielen Geld zuliebe geheiratet hatte, war hubsch. Das lie? sich nicht leugnen. Und was Rowley behauptet hatte, namlich, dass etwas Unschuldiges von ihr ausging, stimmte. Das schwarze Haar fiel in lockeren Wellen, die irischen blauen Augen, halb offene Lippen – unbedingt reizvoll.

Der Rest war Aufmachung. Kostspielige Aufmachung. Ein teures Kleid, daruber ein elegantes Pelzcape, Schmuck, gepflegte Hande. Eine gute Figur, unbestreitbar; aber – ging es Lynn durch den Kopf – sie versteht es nicht, die teuren Sachen richtig zu tragen.

»Es freut mich«, sagte Rosaleen Cloade, drehte sich dann zogernd zu ihrem Bruder um und fuhr fort: »Das… das ist mein Bruder.«

»Freut mich«, sagte David Hunter.

Er war ein magerer junger Mensch mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Er wirkte nicht sehr glucklich und machte einen eher trotzigen und leicht anma?enden Eindruck.

Lynn begriff sofort, warum die gesamte Familie Cloade diesen David Hunter nicht leiden konnte. Sie hatte diesen Typ junger Manner in den letzten Jahren manchmal getroffen. Draufganger, nicht ganz ungefahrlich, die weder Gott noch Teufel furchteten; Manner, auf die man sich nicht verlassen konnte, die skrupellos ihre eigenen Gesetze schufen und sich um nichts scherten; Manner, die an der Front nicht mit Gold aufzuwiegen waren und im normalen Leben eine stete Gefahr bildeten.

»Wie gefallt es Ihnen in Furrowbank?«, erkundigte sich Lynn hoflich bei Rosaleen.

»Es ist ein herrliches Haus«, erwiderte Rosaleen.

David Hunter stie? ein spottisches Lachen aus.

»Der gute Gordon hat sich’s wohl sein lassen«, bemerkte er anzuglich. »Es scheint ihm nichts zu teuer gewesen zu sein.«

Ohne es zu wissen, traf David damit den Nagel auf den Kopf. Als Gordon Cloade sich entschieden hatte, einen Teil seines geschaftigen Lebens in Warmsley Vale zu verbringen, hatte er sich ein Haus nach seinem Geschmack bauen lassen. Ein Heim, dem bereits der Stempel anderer Bewohner aufgedruckt war, hatte ihm nicht behagt. Nein, Gordon hatte einen jungen Architekten beauftragt, ihm ein Haus zu bauen, und er hatte ihm freie Hand gelassen. Die meisten Einwohner von Warmsley Vale fanden den modernen wei?en Bau mit den eingebauten Mobeln, den Schiebeturen und glasernen Tischen grasslich. Nur um seine Badezimmer wurde Furrowbank ausnahmslos beneidet.

»Sie waren beim Frauenhilfsdienst, ja?«, erkundigte sich David.

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