aufgelesen hat, wird die Gegend in der typischen Sprache eines Marketingmenschen angepriesen: In den Wiltshire Estates vermischen sich preisgekronter Lifestyle mit Weltklassekomfort … Von GOLF Magazine Living als »Creme de la creme« ausgezeichnet … lockt Wiltshire Estates u. a. mit einer Triple-A Five Diamond Shady Oaks Plantatin Therme … Sicherheitspatrouillen rund um die Uhr … Hauser von 475.000 bis zu einer Million Dollar.

Eingepfercht in Philips Chevy Suburban kam die kleine Gruppe bei Sonnenuntergang vor den kunstvoll gearbeiteten au?eren Toren der Anlage an. Also wieder ein Stuck naher an Atlanta. Im Licht der Scheinwerfer sahen sie die gusseisernen Tore mit den Kreuzblumen und das gro?e bogenformige Schild mit dem Namen Wiltshire Estates, das zwischen zwei Spitzen am Metall der Tore angebracht war. Neugierig stiegen sie aus, um sich etwas umzusehen.

Zuerst hoffte Philip, dass sie hier eine Weile bleiben konnten. Vielleicht wurden sie sogar etwas zu essen finden, ehe sie ausgeruht die letzte Etappe ihrer Reise in Angriff nahmen. Vielleicht wurden sie auch auf andere Menschen treffen, vielleicht sogar auf ein paar Leute, die ihnen helfen konnten. Aber nachdem die funf muden, hungrigen, nervosen und etwas benommenen Reisenden die verwinkelten Stra?en der Wilthire Estates in der Dunkelheit langsam durchfahren hatten, war ihnen klar, dass sie hier kein Leben mehr finden wurden.

Samtliche Hauser lagen im Dunklen, keine Autos zu sehen. Wasser aus einem Hydranten uberflutete eine Kreuzung und den angrenzenden Rasen. An einer Stra?enecke stand ein verlassener BMW, die Motorhaube hatte sich um einen Telefonmasten gewickelt. Die verbogene Beifahrertur war offen. Alles sah danach aus, als ob die Insassen des Wagens Hals uber Kopf gefluchtet waren.

Der Anlass fur ihre Flucht war leicht zu erkennen. Uberall auf dem Golfplatz, den dusteren Seitenstra?en und sogar auf den hell beleuchteten Hauptstra?en waren dunkle Gestalten zu sehen. Zombies torkelten ziellos wie unheimliche Schatten ihres fruheren Selbst durch die Gegend. Aus ihren offen stehenden Mundern drang ein krachzendes Stohnen, das Philip sogar durch die geschlossenen Scheiben seines Chevy Suburban horen konnte, als er durch die breiten, neu geteerten Stra?en fuhr.

Die Pandemie, oder was auch immer diese Katastrophe ausgelost hatte, war also auch in Wiltshire Estates eingetroffen. Die meisten Untoten stolperten durch die Busche und uber die Wege des Golfplatzes. Vielleicht weil Golfer oft alteren Jahrgangs und somit langsam waren? Oder schmeckten sie den Zombies einfach besonders gut? Wer zum Teufel konnte das wissen. Aber selbst aus mehreren hundert Metern Entfernung durch Baume hindurch und uber Zaune hinweg war es offensichtlich, dass sich Hunderte von Untoten in dem riesigen Klubhaus, auf den Fairways, den Brucken und in den Bunkern versammelt hatten.

In der Dunkelheit der Nacht ahnelten sie Insekten, die scheinbar ziellos durch die Finsternis schwarmten.

Ihr Anblick war mehr als verstorend. Die Katastrophe hatte offenbar den ganzen Ort mit seinen nicht enden wollenden Einbahnstra?en und kurvigen Alleen so gut wie aussterben lassen. Je langer Philip und seine Leute durch die menschenleere Siedlung kurvten, desto mehr sehnten sie sich nach dem preisgekronten Lifestyle, der hier nirgendwo mehr zu finden war. Es hatte ihnen schon wenig gereicht, um sich etwas zu erholen und die Batterien wieder aufzuladen.

Sie hatten gehofft, dass sie die Nacht hier verbringen konnten, um den nachsten Tag frisch und erholt in Angriff zu nehmen.

Also wahlten sie das gro?e, im Kolonialstil erbaute Haus am Ende der Green Briar Lane. Es schien weit genug vom Golfplatz entfernt zu sein, sodass die Zombies sie hoffentlich gar nicht erst bemerken wurden. Au?erdem hatte es einen gro?en Garten, und der hohe Zaun machte einen soliden Eindruck. Es stand leer. Als sie leise uber den Rasen zum Nebeneingang schlichen – das Auto vor dem Haus war nicht abgeschlossen, und der Schlussel steckte im Zundschloss –, um einer nach dem anderen durch ein Fenster ins Innere zu klettern, wurden sie sogleich willkommen gehei?en. Beim ersten Knarzen aus dem oberen Stockwerk befahl Philip Nick, samtliche Axte und Pickel aus dem Kofferraum des Suburban zu holen.

»Ich sage es noch einmal: Wir haben alle erwischt«, verkundet Philip nun und versucht, seinen Bruder zu beruhigen, der am Fruhstuckstisch in der Kuche Platz genommen hat.

Brian antwortet nicht, sondern starrt auf seine Schussel Cornflakes. Daneben steht eine Flasche Hustensaft, die Brian bereits zu einem Viertel geleert hat.

Neben ihm sitzt Penny vor einer Schale Cap’n Crunch. Ein kleiner Stoffpinguin, so gro? wie eine Birne, wacht uber ihr Essen, und ab und zu halt sie dem Tier einen Loffel hin und tut so, als ob sie mit ihm teilen wurde.

»Wir haben das ganze Haus durchkammt, jeden Zentimeter«, fahrt Philip fort und rei?t die Kuchenschranke auf: bis obenhin voll mit allen erdenklichen Delikatessen. Mit ihren Kristallglasern, Weinregalen, handgemachten Pastas, ausgefallenen Marmeladen und Gelees, Gewurzen, von denen Philip noch nie gehort hat, teuren Likoren und unzahligen Kochutensilien gleicht die Kuche einem Schlaraffenland. Der riesige Gasherd ist blitzsauber, und der riesige Kuhlschrank mit dem gro?en Eisfach ist bis zum Rand mit exklusivem Fleisch, Fruchten, Brotaufstrichen, Milchprodukten und kleinen wei?en Pappschachteln mit den Uberresten einer chinesischen Mahlzeit gefullt. »Vielleicht war der Junge ja gerade bei Verwandten oder so«, meint Philip und bemerkt eine Flasche Bourbon auf einem der Regale. »Konnte bei den Gro?eltern gewesen sein, oder er hat bei Freunden ubernachtet. Alles ist moglich.«

»Mann! Seht euch das an!«, ruft Bobby Marsh begeistert. Er steht vor der Vorratskammer und betrachtet zufrieden die Schatze, die sich darin stapeln. »Das ist ja wie bei Charlie und die Schokoladenfabrik! Kekse, Pralinen … Und das Brot ist sogar noch fast frisch.«

»Brian, wir sind hier sicher«, versucht Philip seinen Bruder zu beruhigen und schnappt sich die Flasche Bourbon vom Regal.

»Sicher?« Brian Blake starrt auf den Tisch. Er hustet und schuttelt sich.

»Das habe ich doch gerade gesagt. Und ob du willst oder nicht – ich habe mir gedacht, dass …«

»Schon wieder einer weg!«, sagt eine Stimme aus einer Ecke der Kuche.

Nick. Seit zehn Minuten zappt er nervos auf einem kleinen Flachbildschirmfernseher, der neben der Spule unter einem Kuchenschrank angebracht ist, durch die Fernsehkanale, um die Nachrichten zu durchforsten. Es ist dreiundzwanzig Uhr funfundvierzig und an der Zeit, die Nachrichten auf Fox 5 aus Atlanta einzuschalten. Doch der Sender hat sich gerade in Rauschen aufgelost. Das Einzige, was sie au?er den nationalen Netzwerken, die nur Wiederholungen von Tierfilmen oder alte Schwarz-Wei?-Schmonzetten bringen, noch empfangen konnen, sind die Nachrichten auf CNN aus Atlanta. Doch alles, was ihnen da geboten wird, sind die gleichen alten Meldungen und Storys, die sie schon seit Tagen kennen. Auch Brians Blackberry gibt langsam den Geist auf. Der Empfang hier drau?en in Wiltshire Estates ist eher sporadisch. Wenn er einmal funktioniert, erhalt Brian sogleich eine Unmenge von Spammails, Facebook-Tags und anonymen Tweets mit solch kryptischen Meldungen wie:

… UND DAS REICH WIRD IN FINSTERNIS GEHULLT …

… ZUERST FIELEN DIE VOGEL VOM HIMMEL. SO FING ALLES AN …

… ALLES VERBRANNT, ALLES VERBRANNT …

… BLASPHEMIE GEGEN GOTT …

… WENN DU SCHWACH BIST, STIRBST DU …

… DAS HAUS DES HERRN IST ZUR HEIMAT VON DAMONEN VERKOMMEN …

… SCHIEBT MIR NICHT DIE SCHULD IN DIE SCHUHE, ICH BIN LIBERAL …

… FRESST MICH …

»Schalt das Ding aus, Nick«, ermahnt Philip seinen Freund finster und lasst sich mit der Flasche in der Hand auf einem Stuhl nieder. Er runzelt die Stirn und fasst mit einer Hand nach hinten, wo er die Pistole in die Hose gesteckt hat. Diese legt er auf den Tisch, offnet die Flasche Whiskey und nimmt gierig einen gro?en Schluck.

Brian und Penny starren auf die Waffe.

Philip macht die Flasche wieder zu und wirft sie zu Nick hinuber, der sie mit der Leichtigkeit eines Baseballspielers, der er einmal war, fangt. »Schalte mal den Alkohol-Kanal fur ein Weilchen an … Du musst schlafen und dir nicht die ganze Nacht uber diesen Schwachsinn reinziehen.«

Nick nimmt einen Schluck und dann noch einen, ehe er die Flasche wieder schlie?t und sie Bobby zuwirft.

Dieser lasst sie beinahe fallen, so sehr ist er von der Speisekammer und ihrem Inhalt in Bann gezogen. Er verschlingt gerade eine Packung Oreo-Kekse; der schwarze Teig sammelt sich bereits in seinen Mundwinkeln. Gierig spult er die Kekse mit einem gro?en Schluck Bourbon runter und rulpst zufrieden.

Philip und seine beiden Kumpel sind es gewohnt, zusammen einen draufzumachen und zu trinken, und in dieser Nacht brauchen sie es mehr denn je. Es hatte alles mit Creme de Menthe und Melonenwein beim Zelten im

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