Nacht in die Gesichter zeichnete. »Wie fuhlst du dich?« fragte ich.

»Gut, Robby.«

»Wie schon du bist, Pat.«

Ihre Augen leuchteten. »Schon, da? du mir das sagst.«

Ich fuhlte ihre warmen, trockenen Lippen an meiner Wange.

Es war spat, als wir im Sanatorium ankamen. »Sehen Sie nur, wie er aussieht«, kicherte der Geiger und zeigte verstohlen auf den Russen.

»Sie sehen genauso aus«, sagte ich argerlich.

Er sah mich verblufft an. »Na ja, Sie Gesundheitsprotz«, sagte er giftig.

Ich gab dem Russen die Hand. Er nickte mir zu und half der jungen Spanierin behutsam und zart die Treppe hinauf. Sein gro?er, gebeugter Rucken und die schmalen Schultern des Madchens vor der schwachen Nachtbeleuchtung sahen im Ansteigen aus, als lage die Last der ganzen Welt auf ihnen. Der Totenkopf zerrte den maulenden Gigolo den Gang entlang. Antonio sagte uns gute Nacht. Es war alles ein wenig gespenstisch, dieser fast lautlose, geflusterte Abschied.

Pat streifte sich das Kleid uber den Kopf. Sie stand gebuckt und zerrte an den Schultern. Dabei ri? der Brokat. Pat betrachtete die Stelle.

»Es war wohl schon bruchig«, sagte ich.

»Es macht nichts«, sagte Pat,»ich brauche es nun doch nicht mehr.«

Sie legte das Kleid zusammen und hangte es nicht mehr in den Schrank. Sie legte es in ihren Koffer. Ihr Gesicht war plotzlich mude.

»Sieh nur, was ich hier habe«, sagte ich rasch und zog eine Flasche Champagner aus der Manteltasche. »Jetzt kommt unser eigenes kleines Fest.«

Ich holte die Glaser und schenkte ein. Sie lachelte wieder und trank.

»Auf uns beide, Pat.«

»Ja, mein Liebling, auf unser schones Leben.«

Wie sonderbar das alles war: dieses Zimmer, die Stille und unsere Traurigkeit. Lag hinter der Tur nicht das Leben, unendlich, mit Waldern, Flussen und starkem Atem, bluhend und unruhig, klopfte jenseits der wei?en Berge der Marz nicht schon unruhig an die erwachende Erde?

»Bleibst du die Nacht bei mir, Robby?«

»Ja, la? uns zu Bett gehen. Wir wollen so nahe zusammen sein, wie es Menschen konnen, und unser Glas auf die Bettdecke stellen und trinken.«

Trinken. Goldbraune Haut. Warten. Wach sein. Stille und das leise Rocheln der geliebten Brust.

XXVIII

Das Wetter wurde fohnig. Eine klatschende nasse Warme jagte durch das Tal. Der Schnee wurde weich. Es tropfte von den Dachern. Die Fieberkurven stiegen. Pat mu?te zu Bett bleiben. Der Arzt kam alle paar Stunden. Sein Gesicht wurde immer besorgter.

Eines Mittags sa? ich beim Essen, als Antonio kam und sich zu mir setzte. »Rita ist tot«, sagte er.

»Rita? Sie meinen den Russen?«

»Nein, Rita, die Spanierin.«

»Das ist unmoglich«, sagte ich und spurte, wie mir das Blut gefror. Rita war viel weniger krank gewesen als Pat.

»Hier ist viel mehr moglich«, erwiderte Antonio melancholisch. »Heute vormittag war sie tot. Es ist Lungenentzundung dazugekommen.«

»Lungenentzundung. Das ist was anderes«, sagte ich erleichtert.

»Achtzehn Jahre. Schrecklich. Und so schwer gestorben.«

»Und der Russe?«

»Ach, fragen Sie nicht. Er will nicht glauben, da? sie tot ist. Er behauptet, sie sei scheintot. Er sitzt an ihrem Bett, und niemand kann ihn aus dem Zimmer bringen.«

Antonio ging. Ich starrte aus dem Fenster. Rita war tot; aber ich sa? nur da und dachte: Es ist nicht Pat. Es ist nicht Pat.

Durch den verglasten Korridor sah ich den Geiger. Ehe ich aufstehen konnte, kam er schon heran. Er sah schrecklich aus.

»Sie rauchen?« sagte ich, um etwas zu sagen.

Er lachte auf. »Naturlich! Warum denn nicht? Jetzt? Ist doch egal, nun.«

Ich zuckte die Achseln. »Macht Ihnen wohl Spa?, Sie Tugendfatzke?« fragte er hohnisch.

»Sie sind verruckt«, sagte ich.

»Verruckt? Nein, aber 'reingefallen!« Er legte sich breit uber den Tisch und blies mir Kognakatem ins Gesicht,»'reingefallen bin ich. 'reingelegt haben sie mich. Die Schweine. Alles Schweine. Sie auch, Sie Tugendschwein.«

»Wenn Sie nicht krank waren, wurde ich Sie durchs Fenster werfen«, sagte ich.

»Krank? Krank?« affte er. »'Gesund bin ich, fast gesund, ich komme ja grade daher! Wunderbarer Fall von rapider Verkapselung! Ein Witz, was?«

»Seien Sie froh«, sagte ich. »Wenn Sie hier fort sind, werden Sie auch Ihre Kummernisse vergessen.«

»So«, erwiderte er,»so, meinen Sie? Sie praktisches Gehirnchen, Sie! Gott erhalte Ihnen Ihre pausbackige Seele!«

Er schwankte weg, kehrte aber wieder um. »Kommen Sie mit! Bleiben Sie bei mir, lassen Sie uns trinken. Ich zahle alles. Ich kann nicht allein sein.«

»Habe keine Zeit«, sagte ich. »Suchen Sie sich jemand andern.«

Ich ging wieder zu Pat hinauf. Sie lag schwer atmend, mit vielen Kissen im Rucken. »Willst du nicht Schilaufen?« fragte sie. Ich schuttelte den Kopf. »Der Schnee ist zu schlecht. Es taut uberall.«

»Willst du dann nicht mit Antonio Schach spielen?«

»Nein«, sagte ich. »Ich will hier bei dir bleiben.«

»Armer Robby!« Sie versuchte, eine Bewegung zu machen. »Hol dir doch wenigstens was zu trinken.«

»Das kann ich tun.«

Ich ging in mein Zimmer und holte eine Flasche Kognak und ein Glas. »Willst du ein bi?chen?« fragte ich. »Du darfst, das wei?t du doch.« Sie nahm einen kleinen Schluck und nach einer Weile noch einen. Dann gab sie mir das Glas zuruck. Ich schenkte es voll und trank es aus.

»Du solltest nicht aus demselben Glas trinken wie ich«, sagte Pat.

»Das ware ja noch schoner.« Ich go? das Glas noch einmal voll und sturzte es hinunter.

Sie schuttelte den Kopf. »Du mu?t das nicht tun, Robby. Du darfst mich auch nicht mehr kussen. Du darfst uberhaupt nicht mehr so viel bei mir sein. Du sollst nicht krank werden.«

»Ich werde dich kussen und mich den Teufel um etwas scheren«, erwiderte ich.

»Nein, du darfst nicht. Du darfst auch nicht mehr in meinem Bett schlafen.«

»Gut, dann schlaf du mit mir in meinem.«

Sie bewegte abwehrend den Mund. »La? das, Robby. Du mu?t noch lange leben. Ich will, da? du gesund bleibst und Kinder hast und eine Frau.«

»Ich will weder Kinder noch eine Frau haben au?er dir. Du bist mein Kind und meine Frau.«

Sie lag eine Weile still. »Ich hatte gern ein Kind von dir gehabt, Robby«, sagte sie dann und legte ihr Gesicht an meine Schulter. »Fruher wollte ich es nie. Ich konnte es mir gar nicht vorstellen. Aber jetzt denke ich oft daran. Es ware schon, wenn etwas von einem bliebe. Das Kind wurde dich dann manchmal ansehen, und du wurdest dich an mich erinnern. Dann ware ich wieder da solange.«

»Wir werden noch ein Kind haben«, sagte ich. »Wenn du wieder gesund bist. Ich mochte gern ein Kind von dir haben, Pat. Es mu? aber ein Madchen sein, das auch Pat hei?t.«

Sie nahm mir das Glas aus der Hand und trank einen Schluck.

»Vielleicht ist es besser, da? wir keins haben, Liebling. Du sollst nichts mitnehmen. Du sollst mich vergessen.

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