»Was tut sie dann dauernd hier?«

»Wo?«

»Hier!«

»Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen«, sage ich.»Sie mag ein paarmal telefoniert haben, das kann sein. Frauen telefonieren gern, besonders, wenn sie viel allein sind. Kaufen Sie ihr doch ein Telefon!«

»Sie ist auch nachts hier!«sagt Watzek.

Wir stehen uns immer noch gegenuber, den Obelisken zwischen uns.»Sie war neulich nachts ein paar Minuten hier, als man den Feldwebel Knopf schwerkrank nach Hause brachte«, erwidere ich.»Sonst arbeitet sie doch nachts in der Roten Muhle.«

»Das sagte sie, aber -«

Das Messer hangt herab. Ich nehme das Foto Gerdas auf und trete um den Obelisken zu Watzek heran.»So«, sage ich.»Jetzt konnen Sie auf mich losstechen, soviel Sie wollen. Wir konnen aber auch miteinander reden. Was wollen Sie? Einen Unbeteiligten erstechen?«

»Das nicht«, erwidert Watzek nach einer Pause.»Aber -«

Es stellt sich heraus, da? die Witwe Konersmann ihn aufgeklart hat. Es schmeichelt mir leicht, da? sie geglaubt hat, nur ich konne im ganzen Hause der Verbrecher sein.»Mann«, sage ich zu Watzek.»Wenn Sie wu?ten, wonach mir der Kopf steht! Sie wurden mich nicht verdachtigen. Und ubrigens, vergleichen Sie einmal die Figur. Fallt Ihnen was auf?«

Watzek glotzt auf das Foto von Gerda, auf dem steht:

»Fur Ludwig in Liebe von Gerda.«Was soll ihm mit seinem einen Auge schon auffallen?»Ahnlich der Ihrer Frau«, sage ich.»Gleiche Gro?e. Ubrigens, hat Ihre Frau vielleicht einen rostroten weiten Mantel, ungefahr wie ein Cape?«

»Klar«, erwidert Watzek, wieder gefahrlich.»Hat sie. Wieso?«

»Diese Dame hat auch einen. Man kann sie in allen Gro?en bei Max Klein an der Gro?en Stra?e kaufen. Sind gerade jetzt Mode. Na, und die alte Konersmann ist ja halb blind, da haben wir die Losung.«

Die alte Konersmann hat Sinne wie ein Habicht; aber was glaubt ein Hahnrei nicht alles, wenn er es glauben will.»Sie hat sie verwechselt«, sage ich.»Diese Dame hier ist namlich ein paarmal gekommen, um mich zu besuchen. Und dazu hat sie ja wohl noch das Recht, oder nicht?«

Ich mache es Watzek leicht. Er braucht nur ja oder nein zu antworten. Diesmal braucht er sogar nur zu nicken.

»Gut«, sage ich.»Und deshalb wird man nachts fast erstochen.«

Watzek la?t sich muhsam auf die Treppenstufen nieder.

»Kamerad, du hast mir auch schwer zugesetzt. Sieh mich an.«

»Das Auge ist noch da.«

Watzek betastet das trocknende schwarze Blut.»Sie werden bald im Zuchthaus sitzen, wenn Sie so weitermachen«, sage ich.

»Was soll ich tun? Es ist meine Natur.«

»Erstechen Sie sich selbst, wenn Sie schon erstechen mussen. Das erspart Ihnen eine Menge Unannehmlichkeiten.«

»Manchmal mochte man das schon! Kamerad, was soll ich machen? Ich bin verruckt nach der Frau. Und sie kann mich nicht ausstehen.«

Ich fuhle mich plotzlich geruhrt und mude und lasse mich neben Watzek auf der Treppe nieder.»Es ist der Beruf«, sagt er verzweifelt.»Sie ha?t den Geruch, Kamerad. Aber man riecht doch nach Blut, wenn man dauernd Pferde schlachtet.«

»Haben Sie keinen zweiten Anzug? Einen, den Sie anziehen konnen, wenn Sie vom Schlachthof weggehen?«

»Das geht schlecht. Die anderen Schlachter wurden denken, ich wolle besser sein als sie. Der Geruch geht auch durch.

»Wie ist es mit Baden?«

»Baden?«fragt Watzek.»Wo? Im Stadtischen Hallenbad? Das ist doch geschlossen, wenn ich um sechs Uhr fruh vom Schlachthof komme.«

»Gibt es keine Duschen auf dem Schlachthof?«

Watzek schuttelt den Kopf.»Nur Schlauche, um den Boden abzuspulen. Um darunter zu gehen, ist es jetzt schon zu herbstlich.«

Ich sehe das ein. Eiskaltes Wasser im November ist kein Vergnugen. Wenn Watzek Karl Brill ware, hatte er allerdings da keine Sorgen. Karl ist der Mann, der im Winter das Eis des Flusses aufhackt und mit seinem Klub darin schwimmt.»Wie ist es mit Toilettenwasser?«frage ich.

»Das kann ich nicht versuchen. Die anderen wurden mich fur einen schwulen Bruder halten. Sie kennen die Leute vom Schlachthof nicht!«

»Wie ware es, wenn Sie Ihren Beruf anderten?«

»Ich kann nichts anderes«, sagt Watzek trube.

»Pferdehandler«, schlage ich vor.»Das ist so ahnlich.«

Watzek winkt ab. Wir sitzen eine Weile. Was geht mich das an? denke ich. Und wie kann man ihm schon helfen? Lisa liebt die Rote Muhle. Es ist nicht sosehr Georg; es ist der Drang uber ihren Pferdeschlachter hinaus.»Sie mussen ein Kavalier werden«, sage ich schlie?lich.»Verdienen Sie gut?«

»Nicht schlecht.«

»Dann haben Sie Chancen. Alle zwei Tage ins Stadtbad, und einen neuen Anzug, den Sie nur zu Hause anziehen. Ein paar Hemden, eine oder zwei Krawatten, konnen Sie das schaffen?«

Watzek grubelt daruber nach.»Sie meinen, das konnte helfen?«

Ich denke an meinen Abend unter den prufenden Augen von Frau Terhoven.»Man fuhlt sich besser in einem neuen Anzug«, erwidere ich.»Ich habe das selbst erfahren.«

»Tatsachlich?«

»Tatsachlich.«

Watzek sieht mit Interesse auf.»Aber Sie sind doch tadellos in Schale.«

»Das kommt darauf an. Fur Sie. Fur andere Leute nicht. Ich habe das gemerkt.«

»Wirklich? Kurzlich?«

»Heute«, sage ich.

Watzek rei?t das Maul auf.»So was! Da sind wir ja fast wie Bruder. Da staunt man!«

»Ich habe mal irgendwo gelesen, alle Menschen waren Bruder. Da staunt man noch mehr, wenn man sich die Welt ansieht.«

»Und wir hatten uns fast erschlagen«, sagt Watzek glucklich.

»Das tun Bruder hau?g.«

Watzek erhebt sich.»Ich gehe morgen baden.«Er tastet nach dem linken Auge.»Eigentlich wollte ich mir ja eine SA-Uniform bestellen. Die sind gerade herausgekommen in Munchen.«

»Ein ?otter, zweireihiger, dunkelgrauer Anzug ist besser. Ihre Uniform hat keine Zukunft.«

»Vielen Dank«, sagt Watzek.»Aber vielleicht schaffe ich beides. Und nimm’s nicht ubel, Kamerad, da? ich dich abstechen wollte. Morgen schicke ich dir dafur auch eine schone Portion erstklassiger Pferdewurst.«

XXIV

»Der Hahnrei«, sagt Georg,»gleicht einem e?baren Haustier, sagen wir, einem Huhn oder einem Kaninchen. Man verspeist es mit Genu?, solange man es nicht personlich kennt. Wachst man aber damit auf, spielt mit ihm, hegt und p?egt es – dann kann nur ein Rohling sich einen Braten daraus machen. Man soll Hahnreis deshalb niemals kennen.«

Ich deute wortlos auf den Tisch. Dort liegt zwischen den Steinproben eine dicke rote Wurst – Pferdewurst, ein Geschenk Watzeks, der sie morgens fur mich hinterlassen hat.»I?t du sie?«fragte Georg.

»Selbstverstandlich esse ich sie. Ich habe schon schlechteres Pferde?eisch in Frankreich gegessen. Aber

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