weiche nicht aus! Dort liegt die Spende Watzeks. Ich bin in einem Dilemma.«

»Nur durch deine Lust an dramatischen Situationen.«

»Gut«, sage ich.»Ich gebe das zu. Immerhin habe ich dir das Leben gerettet. Die alte Konersmann wird weiter aufpassen. Ist dir die Sache das wert?«

Georg holt sich eine Brasil aus dem Schrank.»Watzek halt dich jetzt fur seinen Bruder«, erwidert er.»Ist das dein Gewissenskon?ikt?«

»Nein. Er ist au?erdem noch Nazi – das loscht die einseitige Bruderschaft wieder aus. Aber bleiben wir einmal dabei.«

»Watzek ist auch mein Bruder«, erklart Georg und blast den wei?en Rauch der Brasil in das Gesicht einer heiligen Katharina aus bemaltem Gips.»Lisa betrugt mich namlich ebenso wie ihn.«

»Er?ndest du das jetzt?«frage ich uberrascht.

»Nicht im geringsten. Woher soll sie sonst all ihre Kleider haben? Watzek, als Ehemann, macht sich daruber keine Gedanken, wohl aber ich.«

»Du?«

»Sie hat es mir selbst gestanden, ohne da? ich sie gefragt habe. Sie erklarte, sie wollte nicht, da? irgendein Betrug zwischen uns bestehe. Sie meinte das ehrlich – nicht witzig.«

»Und du? Du betrugst sie mit den Fabel?guren deiner Phantasie und deiner Magazine.«

»Selbstverstandlich. Was hei?t uberhaupt betrugen? Das Wort wird immer nur von denen gebraucht, denen es gerade passiert. Seit wann hat Gefuhl etwas mit Moral zu tun? Habe ich dir dafur hier, unter den Sinnbildern der Verganglichkeit, deine Nachkriegserziehung gegeben? Betrugen – was fur ein vulgares Wort fur die feinste, letzte Unzufriedenheit, das Suchen nach mehr, immer mehr -«

»Geschenkt!«unterbreche ich ihn.»Der kurzbeinige, aber sehr kraftige Mann, den du soeben drau?en mit einer Beule am Kopf in die Tur einbiegen siehst, ist der frisch gebadete Schlachter Watzek. Sein Haar ist geschnitten und noch na? von Bay Rum. Er will seiner Frau gefallen. Ruhrt dich das nicht?«

»Naturlich; aber er wird seiner Frau nie gefallen.«

»Warum hat sie ihn denn geheiratet?«

»Sie ist inzwischen sechs Jahre alter geworden. Geheiratet hat sie ihn im Kriege, als sie sehr hungrig war und er viel Fleisch besorgen konnte.«

»Warum geht sie nicht von ihm weg?«

»Weil er droht, da? er dann die ganze Familie umbringen will.«

»Hat sie dir das alles erzahlt?«

»Ja.«

»Lieber Gott«, sage ich.»Und du glaubst das!«

Georg blast einen kunstvollen Rauchring.»Wenn du stolzer Zyniker einmal so alt bist wie ich, wirst du hoffentlich auch herausgefunden haben, da? Glauben nicht nur bequem ist, sondern oft sogar stimmt.«

»Gut«, sage ich.»Wie ist es dabei aber mit dem Schlachtmesser Watzeks? Und mit den Augen der Witwe Konersmann?«

»Betrublich«, erwidert er.»Und Watzek ist ein Idiot. Er hat augenblicklich ein besseres Leben als je zuvor – weil Lisa ihn betrugt und ihn deshalb besser behandelt. Warte ab, wie er schreien wird, wenn sie ihm wieder treu ist und ihre Wut daruber an ihm ausla?t. Und nun komm essen! Nachdenken konnen wir uber den Fall immer noch.«

Eduard trifft fast der Schlag, als er uns sieht. Der Dollar ist nahe an die Billion herangeklettert, und wir scheinen immer noch eine unerschop?iche Menge von Essenmarken zu haben.»Ihr druckt sie!«behauptet er.»Ihr seid Falschmunzer! Ihr druckt sie geheim!«

»Wir mochten eine Flasche Forster Jesuitengarten nach dem Essen«, sagt Georg wurdig.

»Wieso nach dem Essen?«fragt Eduard mi?trauisch.»Was hei?t das schon wieder?«

»Der Wein ist zu gut fur das, was du als Essen in den letzten Wochen servierst«, erklare ich.

Eduard schwillt an.»Auf E?marken vom vorigen Winter zu essen, fur sechstausend lumpige Mark die Mahlzeit, und dann noch das Essen kritisieren – das geht zu weit! Man sollte die Polizei holen!«

»Hole sie! Noch ein Wort, und wir essen nur hier und trinken den Wein im Hotel Hohenzollern!«

Eduard wirkt, als musse er platzen; aber er beherrscht sich, des Weines wegen.»Magengeschwure«, murmelt er und entfernt sich eiligst.»Magengeschwure habe ich gekriegt, euretwegen! Nur noch Milch darf ich trinken!«

Wir lassen uns nieder und sehen uns um. Ich spahe verstohlen und mit schlechtem Gewissen nach Gerda aus, sehe sie aber nicht. Dafur gewahre ich, munter und grinsend, eine vertraute Figur, die mitten durch den Saal auf uns los steuert.»Siehst du, was ich sehe?«frage ich Georg.

»Riesenfeld! Schon wieder hier! Nur wer die Sehnsucht kennt-«

Riesenfeld begru?t uns.»Sie kommen gerade zur rechten Zeit, sich zu bedanken«, sagt Georg zu ihm.»Unser junger Idealist dort hat sich gestern fur Sie duelliert. Amerikanisches Duell, Messer gegen Marmorbrocken.«

»Was?«Riesenfeld setzt sich und ruft nach einem Glas Bier.»Wieso?«

»Herr Watzek, der Mann der Dame Lisa, die Sie mit Blumen und Pralines verfolgen, hat angenommen, da? diese Sachen von meinem Kameraden druben kamen, und ihm dafur mit einem langen Messer aufgelauert.«

»Verletzt?«fragt Riesenfeld kurz und mustert mich.

»Nur seine Schuhsohle«, sagt Georg.»Watzek ist leicht verletzt.«

»Lugt ihr wieder einmal?«

»Dieses Mal nicht.«

Ich sehe Georg mit Bewunderung an. Seine Frechheit geht weit. Aber Riesenfeld ist nicht leicht zu schlagen.

»Er mu? weg!«entscheidet er, wie ein romischer Kaiser.

»Wer?«frage ich.»Watzek?«

»Sie!«

»Ich? Warum nicht Sie? Oder Sie beide?«

»Watzek wird wieder kampfen. Sie sind ein naturliches Opfer. Auf uns verfallt er nicht. Wir haben Glatzen. Also mussen Sie weg. Verstanden?«

»Nein«, sage ich.

»Wollten Sie nicht sowieso weg?«

»Nicht Lisas wegen.«

»Ich habe gesagt sowieso«, erklart Riesenfeld.»Wollten Sie nicht ins wilde Leben einer gro?en Stadt?«

»Als was? Man wird in gro?en Stadten nicht umsonst gefuttert.«

»Als Zeitungsangestellter in Berlin. Sie werden da im Anfang nicht viel verdienen, aber genug, da? Sie knapp leben konnen. Dann konnen Sie weitersehen.«

»Was?«sage ich atemlos.

»Sie haben mich doch ein paarmal gefragt, ob ich nichts wu?te fur Sie! Nun, Riesenfeld hat seine Beziehungen. Ich wei? etwas fur Sie. Kam deswegen vorbei. Am ersten Januar vierundzwanzig konnen Sie anfangen. Ein kleiner Posten, aber in Berlin. Gemacht?«

»Halt!«sagt Georg.»Er hat funfjahrige Kundigung.«

»Dann lauft er eben weg, ohne zu kundigen. Erledigt?«

»Wieviel verdient er?«fragt Georg.

»Zweihundert Mark«, erwidert Riesenfeld ruhig.

»Ich dachte mir doch, da? es falscher Zauber ware«, sage ich.

»Macht es Ihnen Spa?, Leute zum besten zu halten? Zweihundert Mark! Gibt es so eine lacherliche Summe uberhaupt noch?«

»Es gibt sie wieder«, sagt Riesenfeld.

»Ja?«frage ich.»Wo? In Neuseeland?«

»In Deutschland! Roggenmark. Nichts davon gehort?«Georg und ich sehen uns an. Es hat Geruchte daruber gegeben, da? eine neue Wahrung geschaffen werden solle. Eine Mark soll dabei soviel wert sein wie ein bestimmtes Quantum Roggen; aber es hat in diesen Jahren so viele Geruchte gegeben, das keiner es geglaubt hat.

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