»Alles klar, Hermine?«, sagte Hagrid laut.
»Hallo«, sagte Hermine und lachelte ihn an.
Moody hinkte um den Tisch herum und beugte sich vor; Harry dachte, er wurde das B.ELFE.R-Notizbuch lesen, bis Moody murmelte:»Hubscher Umhang, Potter.«
Harry starrte ihn verdutzt an. Moodys Nase mit dem gro?en fehlenden Stuck war im Abstand von einigen Zentimetern besonders eindrucksvoll. Moody grinste.
»Kann Ihr Auge – ich meine, konnen Sie -?«
»Ja, ich kann durch Tarnumhange sehen«, sagte Moody gedampft.»Und das war schon einige Male recht nutzlich, kann ich dir sagen.«
Auch Hagrid strahlte zu Harry hinunter. Harry wu?te, da? Hagrid ihn nicht sehen konnte, doch Moody hatte ihm offenbar erzahlt, da? er hier sa?. Hagrid beugte sich jetzt uber den Tisch, tat so, als wurde auch er das B.ELFE.R-No-tizbuch lesen, und flusterte dann so leise, da? nur Harry ihn horen konnte:»Harry, komm heut um Mitternacht runter zu meiner Hutte. Trag diesen Umhang.«
Dann richtete er sich auf und sagte laut:»War nett, dich zu sehen, Hermine«, zwinkerte und ging davon. Moody folgte ihm.
»Warum will er, da? ich ihn um Mitternacht treffe?«, fragte Harry vollkommen uberrascht.
»Keine Ahnung, was er vorhat«, sagte Hermine ebenfalls verdutzt.»Und ich wei? auch nicht, ob du gehen solltest, Harry…«Sie sah sich nervos um und zischte:»Denn dann verpa?t du vielleicht Sirius.«
Sie hatte Recht. Hagrid um Mitternacht zu treffen, hie?, da? es fur die Zusammenkunft mit Sirius ganz schon knapp wurde; Hermine schlug vor, sie sollten Hedwig schicken, um Hagrid abzusagen – immer vorausgesetzt, sie wurde sich dazu herablassen -, doch Harry hielt es fur besser, Hagrid kurz anzuhoren und dann rasch wieder zu verschwinden. Er war sehr neugierig, was es sein konnte; noch nie hatte Hagrid ihn gebeten, so spat noch zu kommen.
Um halb zwolf nachts zog Harry, der verkundet hatte, er wolle heute fruh schlafen gehen, den Tarnurnhang erneut an, ging hinunter und schlich sich durch den Gemeinschaftsraum. Es waren durchaus noch einige Mitschuler da. Die Creevey-Bruder hatten es geschafft, einen Stapel»Ich bin fur CEDRIC DIGGORY«-Anstecker in die Finger zu bekommen, und versuchten sie jetzt zu verhexen, damit es stattdessen»Ich bin fur HARRY POTTER«hie?. Bislang jedoch war es ihnen nur gelungen, die erste Aufschrift zu loschen, so da? jetzt nur noch POTTER STINKT angezeigt wurde. Harry druckte sich an ihnen vorbei zum Portratloch und wartete, die Augen auf die Uhr gerichtet, gut eine Minute. Dann offnete Hermine von der anderen Seite die fette Dame, wie sie es abgemacht hatten. Er glitt mit einem geflusterten»Danke!«an ihr vorbei und machte sich auf den Weg durch das Schlo?.
Drau?en auf den Landereien war es stockfinster. Harry lief uber das Gras auf die Lichter von Hagrids Hutte zu. Auch die riesige Beauxbatons-Kutsche war hell erleuchtet; Harry konnte Madame Maxime drinnen reden horen, als er an Hagrids Tur klopfte.
»Bist du das, Harry?«, flusterte Hagrid, offnete die Tur und spahte umher.
»Ja«, sagte Harry, huschte hinein und zog sich den Umhang vom Kopf.»Was gibt's?«
»Will dir nur was zeigen«, sagte Hagrid.
Hagrid machte einen ungeheuer aufgeregten Eindruck. Er trug eine Blume im Knopfloch, die einer ubergro?en Artischocke ahnelte. Es schien, als wurde er inzwischen auf Schmierfett verzichten, doch er hatte offensichtlich versucht sich zu kammen – ein paar abgebrochene Kammzahne waren in die Haare verknotet.
»Um was geht es denn?«, sagte Harry lustlos und fragte sich, ob die Kroter vielleicht Eier gelegt hatten oder ob Hagrid es wieder einmal geschafft hatte, einem Wildfremden in der Kneipe einen dreikopfigen Riesenhund abzukaufen.
»Sei leise, versteck dich unter deinem Umhang und komm mit«, sagte Hagrid.»Fang lassen wir hier, dem wird es nicht gefallen…«
»Hor mal, Hagrid, ich kann nicht lange bleiben… ich mu? um ein Uhr wieder im Schlo? oben sein -«
Doch Hagrid horte nicht zu; er offnete die Huttentur und marschierte hinaus in die Dunkelheit. Harry beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten, und stellte uberrascht fest, da? Hagrid ihn zur Kutsche der Beauxbatons fuhrte.
»Hagrid, was -?«
»Schhh!«, machte Hagrid und klopfte dreimal gegen die Tur mit den gekreuzten goldenen Zauberstaben.
Madame Maxime offnete. Sie hatte einen Seidenschal um ihre massigen Schultern geschlungen und lachelte, als sie Hagrid sah.»Aa, 'Agrid… ist es schon Sseit?«
»Bong-soar«, sagte Hagrid und strahlte sie an, dann reichte er ihr die Hand und half ihr die goldenen Stufen hinunter.
Madame Maxime schlo? die Tur hinter sich, Hagrid bot ihr den Arm an und sie machten sich auf den Weg um die Koppel mit Madame Maximes geflugelten Riesenpferden. Harry, vollkommen perplex, mu?te rennen, um Schritt zu halten. Hatte Hagrid ihm nur Madame Maxime zeigen wollen? Er konnte sie doch jederzeit sehen… sie war ja nicht gerade schwer zu verfehlen…
Doch offenbar hatte Hagrid Madame Maxime ebenfalls zu diesem Ausflug eingeladen, denn nach einer Weile sagte sie neckisch:»Wo fuhren Sie misch denn 'in, 'Agrid?«
»Verrat ich nicht«, sagte Hagrid ruppig.»Wird Ihnen gefallen, das kann ich versprechen. Aber – sagen Sie keinem was davon, ja? Denn eigentlich durfen Sie es gar nicht sehen.«
»Naturlisch nischt«, sagte Madame Maxime und klimperte mit ihren langen schwarzen Wimpern.
Und sie gingen weiter. Harry argerte sich immer mehr, da? er uberhaupt hinter den beiden hertrabte, und sah standig auf die Uhr. Hagrid mu?te irgend etwas Hirnrissiges vorhaben und deshalb wurde er vielleicht auch noch Sirius verpassen. Wenn sie nicht bald da waren, wurde er einfach kehrtmachen und ins Schlo? zurucklaufen. Hagrid konnte dann seinen Mondscheinspaziergang mit Madame Maxime alleine genie?en…
Doch dann – sie waren schon so weit am Wald entlanggelaufen, da? Schlo? und See nicht mehr zu sehen waren – horte Harry etwas. In einiger Entfernung von ihnen riefen und schrien Manner durcheinander… dann horte er ein markerschutterndes, trommelfellzerfetzendes Brullen…
Hagrid fuhrte Madame Maxime um eine dichte Baumgruppe herum und blieb stehen. Harry hastete ihnen nach und stellte sich neben sie. Fur den Bruchteil einer Sekunde meinte er einige gro?e Erntefeuer zu erkennen und Manner, die um sie herumrannten – doch dann klappte ihm der Mund auf.
Drachen.
In einem mit schweren Holzplanken umgrenzten Gehege standen vier ausgewachsene, gewaltige, bosartig aussehende Drachen brullend und schnaubend auf den Hinterbeinen – aus ihren weit aufgerissenen, mit Fangzahnen gespickten Maulern, funfzehn Meter hoch auf den gereckten Halsen, schossen lange Stichflammen in die Nacht. Da war ein blaugrauer Drache mit langen, spitzen Hornern, der fauchend nach den Zauberern am Boden schnappte; ein glattschuppiger gruner Drache schlangelte und wand sich mit aller Kraft und schlug mit dem Schwanz wild um sich; ein roter Drache mit einem merkwurdigen Kranz aus scharfen Goldzacken um das Gesicht spie pilzformige Feuerwolken in die Luft, und ganz in der Nahe stand ein gigantischer schwarzer Drache, der viel mehr als die anderen einer Riesenechse ahnelte.
Mindestens drei?ig Zauberer, sieben oder acht fur jeden Drachen, versuchten sie zu bandigen, sie zogen und rissen an Ketten, die an schweren Lederriemen um Halse und Leiber der Drachen befestigt waren. Wie in Trance hob Harry den Kopf und sah hoch uber sich die Augen des schwarzen Drachen mit senkrecht stehenden Katzenpupillen aus ihren Hohlen quellen, rasend vor Angst oder Wut, Harry wu?te es nicht… das Heulen und Kreischen und Brullen des Drachen war grauenhaft anzuhoren…
»Bleib ja dahinten stehen, Hagrid!«, rief ein Zauberer am Gehege und zerrte an der Kette in seiner Hand.»Sie konnen im Umkreis von sieben Metern Feuer speien! Und ich hab gesehen, wie dieser Hornschwanz es doppelt so weit geschafft hat!«
»Sind sie nicht schon?«, sagte Hagrid leise.
»So kommen wir nicht weiter!«, rief ein anderer Zauberer.»Schockzauber, ich zahle bis drei!«
Harry sah, wie die Drachenwarter ihre Zauberstabe zogen.
»Stupor!«, riefen alle wie aus einem Mund, und die Schockzauber rasten durch die Dunkelheit wie die Feuerschweife von Raketen und schlugen Funken stiebend gegen die Schuppenpanzer der Drachen -