Harry sah, wie der Drache in ihrer Nahe auf seinen Hinterbeinen ins Wanken geriet; jah ri? er seinen Rachen zu einem stummen Heulen auf; seine Nustern waren plotzlich erloschen, auch wenn sie noch rauchten. Dann, ganz langsam, kippte er hintenuber, und mehrere Tonnen zahes, schuppiges schwarzes Drachenfleisch krachten mit einem Rums zu Boden, der, wie Harry geschworen hatte, die Baume hinter ihm erzittern lie?.
Die Drachenwarter senkten ihre Zauberstabe und gingen auf ihre niedergestreckten Schutzlinge zu, jeder so gro? wie ein kleiner Hugel. Hastig zogen sie die Ketten enger und banden sie an eisernen Stangen fest, die sie mit ihren Zauberstaben tief in die Erde trieben.
»Woll'n wir naher rangehn?«, fragte Hagrid Madame Maxime mit begeisterter Miene. Die beiden gingen vor bis zur Einfriedung und Harry folgte ihnen. Der Zauberer, der Hagrid ermahnt hatte, nicht naher zu kommen, wandte sich um und erst jetzt erkannte ihn Harry – es war Charlie Weasley.
»Wie geht's, Hagrid?«, keuchte er und kam auf ein paar Worte heruber.»Jetzt mu?ten sie sich langsam beruhigt haben – wir hatten ihnen fur den Weg hierher ein Schlafelixier verpa?t und dachten, es ware besser fur sie, wenn sie nachts und in aller Ruhe aufwachen – aber wie du gesehen hast, waren sie nicht glucklich, uberhaupt nicht glucklich -«
»Welche Arten hast du denn hier, Charlie?«, fragte Hagrid und starrte den in der Nahe liegenden Drachen – es war der schwarze – mit beinahe ehrfurchtiger Miene an. Die Augen des Drachen waren nur noch einen Schlitz breit offen. Unter seinem runzligen schwarzen Augenlid konnte Harry einen gelb gluhenden Streifen sehen.
»Das ist ein Ungarischer Hornschwanz«, sagte Charlie.»Dort druben ist ein Gemeiner Walisischer Grunling, der kleine da – dieser blaugraue – ist ein Schwedischer Kurzschnauzler und der rote dort ist ein Chinesischer Feuerball.«
Charlie wandte sich um; Madame Maxime hatte sich entfernt und schlenderte, die betaubt daliegenden Drachen musternd, an der Einfriedung des Geheges entlang.
»Ich wu?te nicht, da? du sie mitbringen wurdest, Hagrid«, sagte Charlie stirnrunzelnd.»Die Champions sollen nicht wissen, was sie erwartet – sie erzahlt es sicher ihrer Schulerin, oder?«
»Dachte mir nur, sie wurd sie gern sehen«, sagte Hagrid achselzuckend, ohne jedoch seinen traumerischen Blick von den Drachen abzuwenden.
»Wirklich 'ne romantische Verabredung, Hagrid«, sagte Charlie kopfschuttelnd.
»Vier…«, sagte Hagrid,»also einen fur jeden Champion? Was mussen sie tun – gegen sie kampfen?«
»Nur an ihnen vorbeikommen, glaub ich«, sagte Charlie.»Wir sind dabei, falls es ernst werden sollte, und halten die Feuerloschzauber standig bereit. Sie wollten brutende Weibchen haben, ich wei? nicht, warum… aber ich sag dir, wer es mit dem Hornschwanz zu tun kriegt, der ist nicht zu beneiden. Bosartiges Vieh. Sein Hinterteil ist genauso gefahrlich wie die Schnauze, sieh nur.«
Charlie deutete auf das Hinterteil des Hornschwanzes, und Harry konnte erkennen, da? der Schwanz des Drachen uber und uber mit bronzenen Stacheln gespickt war.
In diesem Moment wankten funf von Charlies Warterkollegen auf den Hornschwanz zu, die zwischen sich ein Tuch aufgespannt hielten, auf dem ein Gelege aus machtigen granitgrauen Eiern lag. Sie legten die Eier vorsichtig an den Bauch des Hornschwanzes. Hagrid stohnte sehnsuchtsvoll auf.
»Ich hab sie zahlen lassen, Hagrid«, sagte Charlie streng.»Wie geht's eigentlich Harry?«
»Gut«, sagte Hagrid. Seine Augen ruhten immer noch auf den Eiern.
»Ich hoffe nur, es geht ihm auch noch gut, nachdem er sich mit dieser Meute hier herumgeschlagen hat«, sagte Charlie grimmig und lie? den Blick uber die Drachenkoppel schweifen.»Ich hab mich nicht mal getraut, Mum zu sagen, was er bei der ersten Aufgabe tun mu?, sie kriegt ohnehin Zustande, wenn sie an ihn denkt…«Charlie ahmte jetzt die besorgte Stimme seiner Mutter nach.»›Wie konnten sie es nur zulassen, da? er an diesem Turnier teilnimmt, er ist noch viel zu jung! Ich dachte, sie waren davor sicher, es gab doch eine Altersbegrenzung!‹ Nachdem sie diesen Artikel uber ihn im Tagespropheten gelesen hatte, war sie vollkommen aufgelost. ›Er weint immer noch wegen seiner Eltern! Oh, der Arme, wenn ich das gewu?t hatte!‹«
Harry hatte es jetzt satt. Hagrid hatte immerhin vier leibhaftige Drachen und Madame Maxime, denen er seine Aufmerksamkeit schenken konnte, und so wurde er Harry sicher nicht vermissen. Er drehte sich gerauschlos um und machte sich auf den Ruckweg zum Schlo?.
Er wu?te nicht, ob er froh sein sollte, gesehen zu haben, was auf ihn zukam. Vielleicht war es besser so. Den ersten Schreck hatte er schon uberstanden. Wenn er die Drachen am Dienstag zum ersten Mal gesehen hatte, dann ware er womoglich vor aller Augen ohnmachtig geworden… vielleicht jedoch wurde ihm das ohnehin passieren… er wurde mit seinem Zauberstab bewaffnet – der jetzt, wenn er daran dachte, nur ein dunnes Stuck Holz war – gegen einen funfzehn Meter hohen, schuppigen, stachelbewehrten, Feuer speienden Drachen antreten. Und er mu?te an ihm vorbeikommen. Unter den Augen aller. Wie?
Harry ging am Waldrand entlang und beschleunigte jetzt seine Schritte; er hatte nur noch funfzehn Minuten, um zum Kamin zu gelangen und mit Sirius zu sprechen. Und er konnte sich nicht erinnern, sich jemals so danach gesehnt zu haben, mit jemandem zu reden – und dann stie? er urplotzlich gegen etwas Festes und fiel rucklings auf die Erde.
Seine Brille baumelte nur noch an einem Ohr und er zog den Tarnurnhang fest um sich. Dann horte er, ganz nahe, eine Stimme:»Autsch! Wer da!«
Harry prufte hastig, ob ihn der Tarnumhang ganz verhullte, blieb reglos liegen und sah hinauf zu dem schwarzen Umri? des Zauberers, mit dem er soeben zusammengesto?en war. Er erkannte den Spitzbart… es war Karkaroff.
»Wer ist da?«, sagte Karkaroff erneut argwohnisch und spahte in der Dunkelheit umher. Harry ruhrte sich nicht und gab keine Antwort. Nach ungefahr einer Minute schien Karkaroff zu dem Schlu? gekommen zu sein, da? irgendein Tier ihn angefallen habe; er sah auf Hufthohe um sich her, als ob er erwartete, einen Hund zu sehen. Dann schlich er zuruck in den Schutz der Baume und stahl sich weiter zum Drachengehege vor.
Langsam und umsichtig stand Harry auf und ging dann, so schnell er konnte, ohne allzu viel Gerausche zu machen, weiter in Richtung Schlo?.
Harry wu?te genau, was Karkaroff im Schilde fuhrte. Er hatte sich von seinem Schiff geschlichen und wollte auskundschaften, worin die erste Aufgabe bestand. Vielleicht hatte er sogar Hagrid und Madame Maxime zusammen am Wald entlanggehen sehen… und nun mu?te Karkaroff nur ihren Stimmen folgen, dann wurde auch er, wie schon Madame Maxime, genau wissen, was die Champions erwartete. So, wie es jetzt aussah, wurde Cedric am Dienstag der Einzige sein, der nicht wu?te, was auf ihn zukam.
Harry erreichte das Schlo?, glitt durchs Portal und stieg die Marmortreppe hoch; er atmete schwer, doch er wagte es nicht, ein wenig langsamer zu gehen… er hatte nur noch funf Minuten, um nach oben zum Kamin zu kommen…
»Quatsch!«, keuchte er vor der fetten Dame, die in ihrem Bild vor dem Portratloch doste.
»Wenn du meinst«, murmelte sie schlafrig, und ohne die Augen zu offnen, lie? sie das Bild zur Seite schwingen und gab den Weg frei. Harry kletterte hinein. Der Gemeinschaftsraum war menschenleer, und da es hier wie immer roch, hatte Hermine offenbar keine Stinkbomben werfen mussen, um ihm und Sirius ein Gesprach unter vier Augen zu ermoglichen.
Harry zog sich den Tarnurnhang vom Kopf und warf sich in einen Sessel vor dem Feuer. Der Raum lag im Halbdunkel; nur die Flammen gaben ein wenig Licht. Auf einem Tisch in der Nahe glommen die Lettern der Anstecker. Doch jetzt war etwas anderes zu lesen. POTTER STINKT WIRKLICH. Harry sah wieder ins Feuer und zuckte zusammen.
Sirius' Kopf sa? mitten in den Flammen. Wenn Harry nicht vor einiger Zeit bei den Weasleys Mr Diggory in genau derselben Haltung gesehen hatte, dann ware er zu Tode erschrocken. Stattdessen breitete sich auf seinem Gesicht das erste Lacheln seit Tagen aus, er rappelte sich aus dem Sessel und kauerte sich am Kamin nieder.»Sirius – wie geht's dir?«
Sirius sah anders aus, als Harry ihn in Erinnerung hatte. Als sie sich verabschiedet hatten, war sein Gesicht noch ausgemergelt und hohlwangig gewesen, umwachsen von einer langen mattschwarzen Haarmahne – doch nun war sein Haar kurz und sauber, sein Gesicht voller und er sah junger aus, viel eher wie auf dem einzigen Foto, das Harry von ihm besa? und das bei der Hochzeit der Potters aufgenommen worden war.
»Wie's mir geht, ist nicht so wichtig, wie geht's dir?«, sagte Sirius ernst.
»Mir geht's -«Einen Moment lang versuchte Harry»gut«zu sagen. Doch er schaffte es nicht. Bevor er recht wu?te, wie ihm geschah, hatte er mehr geredet als wahrend der ganzen letzten Tage zusammen – er erzahlte, wie er gegen seinen Willen ins Turnier gelangt war, da? Rita Kimmkorn im Tagespropheten Lugen uber ihn