»Guter Mann, bitte seien Sie versichert, es ist mir kein Vergnugen, in Ihrem – ahm – Sie nennen es Haus – zu sein«, sagte Lucius Malfoy und sah sich verachtlich in der kleinen Hutte um.»Ich habe in der Schule vorbeigeschaut und man hat mir gesagt, der Schulleiter sei hier.«
»Und was genau wollen Sie von mir, Lucius?«, fragte Dumbledore. Er sprach sehr hoflich, doch immer noch loderte das Feuer in seinen Augen.
»Schreckliche Angelegenheit, Dumbledore«, sagte Malfoy lassig und zog eine lange Pergamentrolle hervor.»Aber die Schulrate sind der Auffassung, es sei an der Zeit, da? Sie einem andern Platz machen. Laut dieser Anordnung hier werden Sie vorlaufig beurlaubt – Sie finden alle zwolf Unterschriften unter diesem Dokument. Ich furchte, wir sind der Meinung, da? Sie die Sache nicht mehr im Griff haben. Wie viele Angriffe gab es bisher? Zwei neue heute Nachmittag, nicht wahr? Wenn es so weitergeht, gibt es bald keine Muggelstammigen mehr in Hogwarts, und wir alle wissen, welch schlimmer Verlust das fur die Schule ware.«
»Oh, nun aber immer mit der Ruhe, Lucius«, sagte Fudge nervos,»Dumbledore beurlauben – nein, nein – das ist das Letzte, was wir jetzt wollen -«
»Die Ernennung – oder Entlassung – eines Schulleiters ist Aufgabe der Schulrate, Fudge«, sagte Mr Malfoy beilaufig.»Und da es Dumbledore nicht gelungen ist, diese Angriffe zu stoppen -«
»Horen Sie mal, Malfoy, wenn Dumbledore nichts dagegen ausrichten kann -«, sagte Fudge mit schwei?nasser Oberlippe,»- wer soll es dann schaffen?«
»Das werden wir sehen«, sagte Mr Malfoy gehassig.»Doch da wir alle zwolf abgestimmt haben -«
Hagrid sprang auf und sein zottiger schwarzer Kopf streifte die Decke.
»Und wie viele mu?ten Sie bedrohen und erpressen, bevor sie zugestimmt haben, Malfoy, eh?«, polterte er los.
»Mein guter Mann, wissen Sie, Ihr Temperament wird Sie eines Tages noch in Schwierigkeiten bringen, Hagrid«, sagte Malfoy.»Ich wurde Ihnen raten, die Wachen in Askaban nicht derma?en anzuschreien. Die mogen das gar nicht.«
»Sie konnen Dumbledore nicht entlassen!«, rief Hagrid, und Fang, der Saurude, kauerte sich in seinem Korb zusammen und wimmerte.»Wenn Sie ihn entlassen, haben die Muggelkinder keine Chance! Das nachste Mal werden sie umgebracht!«
»Beruhige dich, Hagrid«, sagte Dumbledore barsch. Er sah Lucius Malfoy an.
»Wenn die Schulrate mich aus dem Weg haben wollen, Lucius, werde ich naturlich zurucktreten -«
»Aber -«, stammelte Fudge.
»Nein!«, knurrte Hagrid.
Dumbledores hellblaue Augen blickten unverwandt in die kalten grauen Augen Malfoys.
»Allerdings«, sagte Dumbledore, sehr langsam und deutlich sprechend, so da? keinem ein Wort entging,»allerdings werden Sie feststellen, da? ich diese Schule erst dann endgultig verlasse, wenn mir hier keiner mehr die Treue halt. Und wer immer in Hogwarts um Hilfe bittet, wird sie auch bekommen.«
Eine Sekunde lang war sich Harry fast sicher, da? Dumbledores Augen in die Ecke heruberflackerten, in der er und Ron sich versteckt hatten.
»Bewundernswerte Gefuhle«, sagte Malfoy und verneigte sich.»Wir werden alle Ihre – ahm – hochst eigenwillige Art vermissen, die Schule zu leiten, Albus, und hoffen nur, da? Ihr Nachfolger es schaffen wird – ah -, Morde zu verhindern.«
Er schritt zur Tur, offnete sie und verbeugte sich, als Dumbledore hinausging. Fudge, an seinem Hut herumfummelnd, wartete darauf, da? Hagrid vorgehen wurde, doch Hagrid ruhrte sich nicht vom Fleck und sagte deutlich vernehmbar:
»Wenn jemand etwas herausfinden will, mu? er nur den Spinnen folgen. Die bringen ihn auf die Spur! Das ist alles, was ich zu sagen habe.«
Verdattert starrte ihn Fudge an.
»Schon gut, ich komme«, sagte Hagrid und zog seinen Maulwurfsmantel an. Doch im Hinausgehen hielt er noch einmal inne und sagte laut:»Und jemand mu? Fang futtern, wahrend ich weg bin.«
Die Tur schlug zu und Ron zog den Tarnumhang aus.
»Jetzt sitzen wir in der Tinte«, sagte er heiser.»Kein Dumbledore mehr. Da sollten sie die Schule lieber heute Nacht noch schlie?en. Wenn er auch nur einen Tag weg ist, gibt es einen neuen Angriff.«
Fang begann heulend an der geschlossenen Tur zu kratzen.
Aragog
Langsam zog der Sommer uber die Landereien des Schlosses. Himmel und See farbten sich grunblau und in den Gewachshausern trieben Blumen kohlkopfgro?e Bluten aus. Doch ohne Hagrid, den Harry oft vom Fenster aus beobachtet hatte, wie er mit Fang auf den Fersen umherschlenderte, kam es ihm vor, als stimmte an diesem Bild etwas nicht. Und nicht besser war es drinnen im Schloss, wo die Dinge so furchterlich falsch liefen.
Harry und Ron hatten versucht Hermine zu besuchen, doch Besuche im Krankenflugel waren jetzt verboten.
»Wir gehen kein Risiko mehr ein«, erklarte ihnen Madam Pomfrey mit strenger Miene durch einen Spalt in der Hospitaltur.»Nein, tut mir Leid, es konnte durchaus sein, da? der Angreifer zuruckkommt, um seine Opfer endgultig zu erledigen…«
Seit Dumbledore fort war, hatte sich eine nie gekannte Furcht im Schlo? breit gemacht, und die Sonne, die die Schlo?mauern drau?en erwarmte, schien an den Doppelfenstern Halt zu machen. In der Schule sah man kaum ein Gesicht, das nicht besorgt und angespannt wirkte, und alles Lachen, das durch die Gange hallte, klang schrill und unnaturlich und erstarb rasch.
Harry rief sich immer wieder die letzten Worte Dumbledores in Erinnerung:»Ich werde die Schule erst dann endgultig verlassen, wenn mir hier keiner mehr die Treue halt… Wer immer in Hogwarts um Hilfe bittet, wird sie auch bekommen.«Doch was nutzten diese Worte? Wen sollten sie denn um Hilfe rufen, wenn alle andern genauso ratlos und verangstigt waren?
Hagrids Fingerzeig auf die Spinnen war viel leichter zu verstehen – das Problem war nur, da? im Schlo? offenbar keine einzige Spinne mehr ubrig geblieben war, der sie hatten folgen konnen. Wo immer Harry auch hinging, hielt er Ausschau nach einer Spinne, und Ron half ihm dabei (wenn auch eher widerstrebend). Naturlich storte sie das Verbot, allein umherzuwandern, und die anderen Gryffindors waren immer dabei. Wie eine Schafherde wurden sie von den Lehrern von Klassenzimmer zu Klassenzimmer gefuhrt, und die meisten schienen froh daruber zu sein, doch Harry fand es sehr lastig.
Einer jedoch schien die Stimmung aus Angst und Mi?trauen von ganzem Herzen zu genie?en. Draco Malfoy stolzierte in der Schule herum, als ob er gerade zum Schulsprecher ernannt worden ware. Woruber Draco sich so freute, wurde Harry erst gut zwei Wochen nach Dumbledores und Hagrids Fortgang klar. im Zaubertrankunterricht, wo er eine Reihe hinter Malfoy sa?, horte er ihn vor Crabbe und Goyle prahlen.
»Ich hab immer gewu?t, da? Vater es schaffen wird, Dumbledore aus dem Weg zu raumen«, sagte er, ohne sich gro? anzustrengen, leise zu sprechen.»Hab euch ja gesagt, seiner Meinung nach ist Dumbledore der schlechteste Schulleiter, den die Schule je gehabt hat. Vielleicht kriegen wir jetzt einen anstandigen Rektor. jemand, der gar nicht will, da? die Kammer des Schreckens geschlossen wird. McGonagall wird nicht lange bleiben, sie ist nur eingesprungen…«
Snape rauschte an Harry vorbei, ohne ein Wort uber Hermines leeren Platz und