Sie hatte sich einmal zu wehren versucht. Sie hatte den spottenden Mittlingen zugerufen: 'Ihr seid ja ein Haufen RechtsGs, ein Haufen schmutziger RechtsGs!'

Sie hatten nur gelacht, und Dua war verwirrt und aufgebracht davongelaufen. Es stimmte ja auch. Fast jeder Gefuhlsling, wenn er in das Alter der Triadenbildung kam, begann sich fur Babies zu interessieren und umflatterte sie auf eine elterliche Weise, die Dua stets absto?end gefunden hatte. Sie selbst hatte kein solches Interesse. Babies waren eben Babies; sollten sich die Rechts-Bruder darum kummern.

Als Dua alter wurde, verhallten die Schimpfrufe. Es half ihr auch, da? sie sich eine madchenhaft verdunnte Struktur bewahrte und sich mit einem rauchigen Schlenker bewegte, den keine andere nachahmen konnte. Und als sich zunehmend Rechtslinge und Linkslinge fur sie interessierten, fiel den anderen Gefuhlslingen der Spott immer schwerer.

Und doch... Und doch... Obwohl jetzt niemand mehr wagte, sich abfallig uber Dua zu au?ern (denn es war bekannt in allen Hohlen, da? Odeen der wichtigste Denkling der Generation und Dua sein Mittling war), wu?te sie innerlich, da? sie von ihrer Links-Neigung nicht mehr loskam.

Sie hielt das nicht fur unanstandig - nicht wirklich , ertappte sich jedoch gelegentlich bei dem Wunsch, ein Denkling zu sein, und das erschutterte sie doch etwas. Sie fragte sich, ob andere Gefuhlslinge das gleiche Problem hatten - standig oder nur vorubergehend - und ob wohl hier einer der Grunde lag, warum sie keinen Baby- Gefuhlsling wollte, weil sie eben kein richtiger Gefuhlsling war und ihre Rolle in der Triade nicht voll ausfullte...

Odeen hatte es nichts ausgemacht, da? sie ein LinksG war. Er nannte sie niemals so, aber ihm gefiel das Interesse, das sie fur sein Leben hatte, ihm gefielen ihre Fragen, die er stets erschopfend beantwortete, und die Art und Weise, wie sie alles verstand. Er verteidigte sie sogar, wenn Tritt eifersuchtig wurde - nun, nicht wirklich eifersuchtig; er hatte nur das Gefuhl, da? ihr Tun ganz und gar nicht in sein geradliniges, beschranktes Weltbild pa?te.

Odeen hatte sie gelegentlich in die Hart-Hohlen mitgenommen, um sich vor ihr zu produzieren, und war sichtlich angenehm beruhrt, da? sie sich beeindruckt zeigte. Sie war tatsachlich beeindruckt - nicht so sehr von der Eindeutigkeit seines Wissens und seiner Intelligenz, sondern von der Tatsache, da? er nichts dagegen hatte, sie daran teilhaben zu lassen. (Sie mu?te an die barsche Antwort ihres Links-Vaters denken, als sie ihn damals gefragt hatte.) Ihre Liebe zu Odeen war am gro?ten, wenn er sie in sein Leben einschlo? - und sogar das war ein Teil ihrer Links-Neigung.

Vielleicht (dieser Gedanke war ihr immer wieder gekommen) ruckte sie durch ihre Neigung dichter an Odeen heran und entfernte sich von Tritt, was ein weiterer Grund sein mochte, warum Tritts Vorhaltungen sie abstie?en. Odeen hatte noch kein Wort daruber verloren, aber vielleicht spurte Tritt diese Entwicklung und vermochte sie nur soweit zu erfassen, da? er unglucklich war, ohne den Grund dafur zu wissen.

Bei ihrem ersten Besuch in einer Hart-Hohle hatte sie zwei Hartlinge miteinander sprechen horen. Sie wu?te naturlich nicht, da? sie redeten. Da war eine schnell wechselnde Luftvibration, die ein unangenehmes Summen in ihr hervorrief. Sie mu?te sich verdunnen, um die Schwingungen durchzulassen.

Odeen hatte gesagt: 'Sie reden.' Hastig kam er dann ihrem Einwand zuvor: 'Auf ihre Art. Sie verstehen einander.'

Dua hatte begriffen. Schnelles Begreifen war um so schoner, als Odeen daruber besonders erfreut war. (Er hatte einmal gesagt: 'Alle anderen Denklinge, die ich kenne, haben nur schwachkopfige Gefuhlslinge. Ich bin da wirklich ein Gluckspilz.' Sie hatte erwidert: 'Aber die anderen Denklinge scheinen Schwachkopfe zu mogen. Warum bist du anders als sie, Odeen?' Odeen leugnete nicht, da? die anderen Denklinge Schwachkopfe mochten. Er sagte nur: 'Ich habe mir das nie uberlegt, und ich halte es auch nicht fur wichtig. Ich freue mich uber dich, und ich freue mich, da? ich mich freue.')

'Verstehst du denn die Sprache der Hartlinge?' fragte sie.

'Kaum', antwortete Odeen. 'Ich kann die Veranderung erspuren. Manchmal habe ich ein Gefuhl dafur, was sie sagen, auch wenn ich es nicht richtig verstehe - besonders nach einem Verschmelzen. Allerdings nur manchmal. Solche Gefuhle aufzufangen, ist eigentlich Sache eines Gefuhlslings - nur kann ein Gefuhlsling keinen Sinn aus dem herauslesen, was er da fuhlt. Du konntest das sicher.'

'Ich hatte Angst', meinte Dua abwehrend. 'Sie mogen es vielleicht nicht.'

'Oh, ich bitte dich. Ich bin neugierig. Versuch einmal festzustellen, woruber sie sprechen.'

'Soll ich? Wirklich?'

'Nun mach schon. Wenn sie dich erwischen und bose sind, sage ich, ich hatte dich dazu angestiftet.'

'Versprichst du mir das?'

'Naturlich.'

Dua war ziemlich zittrig zumute, als sie sich den Hartlingen zuwandte und in die totale Passivitat verfiel, die den Zuflu? von Gefuhlen gestattete.

'Aufregung', sagte sie. 'Sie sind aufgeregt. Jemand Neues.'

'Vielleicht Estwald', meinte Odeen.

Dua horte den Namen zum erstenmal. Sie sagte: 'Das ist seltsam.'

'Was ist seltsam?'

'Ich sehe eine gro?e Sonne. Eine ganz gro?e Sonne.'

Odeen sah sie nachdenklich an. 'Vielleicht sprechen sie daruber.'

'Aber wie ist das moglich?'

In diesem Augenblick wurden die Hartlinge auf sie aufmerksam. Sie kamen freundlich naher und begru?ten sie in der Art der Weichwesen. Dua war zutiefst beschamt und fragte sich, ob sie wu?ten, da? sie sie erfuhlt hatte. Doch sie lie?en sich nichts anmerken.'

(Odeen sagte ihr hinterher, da? man Hartlinge nur sehr selten auf ihre eigene Art miteinander sprechen sah. Sie widmeten sich den Weichwesen und schienen ihre Arbeit stets zu unterbrechen, wenn andere in der Nahe waren. 'Sie mogen uns so gern', sagte Odeen. 'Sie sind sehr fursorglich.')

Von Zeit zu Zeit nahm er sie mit in die Hart-Hohlen -normalerweise, wenn Tritt sehr mit den Kindern zu tun hatte. Auch gab sich Odeen keine gro?e Muhe, Tritt von diesen Ausflugen zu erzahlen. Das hatte nur die Erwiderung ausgelost, da? Odeens Verhatschelung Duas Abneigung vor der Sonne noch forderte und das Verschmelzen um so wirkungsloser machte ... Es war unmoglich, sich auch nur funf Minuten mit Tritt zu unterhalten, ohne da? die Sprache auf das Verschmelzen kam.

Ein oder zweimal war sie sogar allein hier unten gewesen. Sie hatte sich dabei immer ein wenig geangstigt, obwohl die Hartlinge sehr nett waren - 'sehr fursorglich', wie Odeen sagte.

Aber sie schienen sie auch nicht sehr ernst zu nehmen. Wenn sie Fragen stellte, waren sie erfreut und manchmal auch irgendwie belustigt - das war deutlich zu spuren. Und wenn sie uberhaupt antworteten, dann so allgemein, da? Dua wenig erfuhr. 'Nur eine Maschine, Dua', sagten sie. 'Odeen kann dir das sicher erklaren.'

Sie fragte sich, ob sie bei ihren Ausflugen wohl auch Estwald begegnet war. Sie wagte es nicht, nach dem Namen der Hartlinge zu fragen, die sie da unten traf (au?er Losten, dem Odeen sie vorgestellt hatte und von dem sie schon viel gehort hatte). Manchmal wollte ihr scheinen, da? dieser oder jener Hartling Estwald sein konnte. Odeen sprach mit gro?er Ehrfurcht und einiger Zuruckhaltung von ihm.

Sie vermutete, da? er au?erst wichtige Aufgaben hatte und sich nicht in den Hohlen aufhielt, die auch den Weichwesen zuganglich waren.

Aus Odeens Berichten gewann sie nach und nach den Eindruck, da? die Welt dringend Nahrung brauchte. Odeen nannte sie nur sehr selten 'Nahrung'. Er bezeichnete sie vielmehr als 'Energie' und sagte, das ware das Wort der Hartlinge dafur. Die Sonne verbla?te und starb, doch Estwald hatte eine Energiequelle entdeckt, die weit entfernt lag, jenseits der Sonne, auch jenseits der sieben Sterne, die am dunklen Nachthimmel leuchteten. (Odeen sagte, die sieben Sterne waren sieben Sonnen, sehr weit entfernt, und es gabe noch viele andere Sterne, die viel weiter entfernt waren und zu schwach leuchteten, um sichtbar zu sein. Tritt hatte das gehort und gefragt, was fur einen Sinn denn die Existenz eines Sternes hatte, wenn er nicht gesehen werden konnte, und er glaubte uberhaupt kein Wort davon. Odeen hatte auf seine geduldige Art erwidert: 'Aber Odeen!' Dua, die eigentlich eine ahnliche Frage stellen wollte, hatte es sich daraufhin anders uberlegt.)

Wie es im Augenblick aussah, gab es wieder ausreichend Energie, ausreichend Nahrung, bis in alle Ewigkeit - jedenfalls sobald es Estwald und den anderen Hartlingen gelang, der neuen Energie den richtigen Geschmack zu geben.

Erst vor wenigen Tagen hatte Dua zu Odeen gesagt: 'Erinnerst du dich noch, als du mich in die Hart-Hohlen

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