'Ja, ja', antwortete Dua. 'Deshalb konnen wir ja verschmelzen.'
'Genau. Denn wir bestehen in Wirklichkeit hauptsachlich aus leerem Raum. Alle Partikel sind weit voneinander entfernt, und deine und meine und Tritts Partikel konnen zusammenkommen, weil jeder Satz in die Leere rings um die Atome der anderen pa?t. Da? die Materie nicht restlos auseinanderstrebt, liegt daran, da? die Partikel uber die trennenden Entfernungen doch zusammenhalten. Es gibt Anziehungskrafte, die sie halten, von denen die starkste die sogenannte Atomkraft ist. Sie halt die wesentlichen Elementarteile in sehr festen Gruppen zusammen, die weit verstreut sind und ihrerseits durch schwachere Krafte verbunden bleiben. Verstehst du das?'
'Nur ein bi?chen', sagte Dua.
'Na ja, macht nichts. Wir konnen das spater noch einmal durchgehen... Die Materie kann in verschiedenen Zustandsformen existieren. Sie kann besonders breit verteilt sein wie in den Gefuhlslingen - wie in dir, Dua. In den Denklingen und Eiterungen ist sie nicht ganz so verbreitet. Und noch weniger im Felsgestein. Sie kann aber auch sehr zusammengedrangt oder dicht sein, wie in den Hartlingen. Deshalb sind sie auch hart. Sie sind mit Partikeln angefullt.'
'Du meinst, es ist uberhaupt kein leerer Raum in ihnen?'
'Nein, das meine ich nicht', erwiderte Odeen, der nicht recht wu?te, wie er das Problem noch verdeutlichen sollte. 'Sie haben auch noch viel freien Raum in sich, aber nicht soviel wie wir. Partikel brauchen einen bestimmten freien Raum, und wenn sie nur wenig davon haben, konnen sich andere Partikel nicht dazwischendrangen. Wenn trotzdem andere Teilchen hineingezwangt werden, tut es weh. Deshalb lassen sich die Hart-linge auch nicht gern von uns beruhren. Wir Weichwesen haben mehr Platz zwischen unseren Partikeln, als wir eigentlich brauchen - also passen noch andere Partikel hinein.'
Dua machte nicht gerade den Eindruck, als hatte sie alles verstanden.
Odeen sprach hastig weiter. 'Im anderen Universum sind die Regeln anders. Die Atomkraft ist dort nicht so gro? wie bei uns. Das bedeutet, da? die Partikel mehr Platz brauchen.'
'Wieso?'
Odeen schuttelte den Kopf. 'Weil... weil... die Wellensysteme der Partikel weiter ausgebreitet sind. Ich kann es nicht anders erklaren. Bei einer schwacheren Atomkraft brauchen die Partikel Platz, und zwei Materiestuckchen konnen nicht so leicht miteinander verschmelzen wie in unserem Universum.'
'Konnen wir denn das andere Universum sehen?'
'O nein. Das ist unmoglich. Wir konnen es allenfalls aus seinen grundlegenden Gesetzen ableiten. Unternehmen konnen die Hartlinge allerdings eine Menge. Wir konnen Materie hinuberschicken und erhalten andere Materie im Austausch. Wir konnen ihre Materie untersuchen, wei?t du. Und wir konnen die Positronenpumpe errichten. Daruber wei?t du doch Bescheid, oder?'
'Nun, du hast mir erzahlt, da? sie uns mit Energie versorgt. Aber ich wu?te nicht, da? sie mit einem anderen Universum zu tun hat...Wie ist denn das andere Universum? Hat es auch Sterne und Welten wie wir?'
'Das ist eine ausgezeichnete Frage, Dua.' Nachdem er nun die offizielle Sprecherlaubnis hatte, machte Odeen das Lehren viel mehr Spa?. (Vorher hatte er immer das Gefuhl gehabt, einer heimlichen Perversion Vorschub zu leisten, indem er einem Gefuhlsling solche Dinge zu erklaren versuchte.)
Er fuhr fort: 'Wir konnen das andere Universum nicht sehen, aber wir konnen aus seinen Gesetzen schlie?en, wie es aussieht. Siehst du, was die Sterne zum Leuchten bringt, ist der allmahliche Ubergang von einfachen Partikelkombinationen zu komplizierteren Formationen. Wir nennen das Atomverschmelzung.'
'Gibt es das im anderen Universum auch?'
'Ja, aber weil die Atomkraft dort geringer ist, erfolgt die Verschmelzung auch viel langsamer. Das bedeutet, da? die Sterne im anderen Universum viel, viel gro?er sein mussen, weil es sonst nicht genugend Verschmelzung geben wurde, um sie zum Leuchten zu bringen. Ein Stern, der im anderen Universum so gro? wie unsere Sonne ware, mu?te dort kalt und tot sein. Wenn andererseits die Sterne bei uns gro?er waren, als sie es sind, wurde die Verschmelzung sofort zur Explosion fuhren. Daraus folgert, da? es in unserem Universum tausendmal mehr kleine Sterne geben mu?, als es gro?ere Sterne im anderen Universum gibt ...'
'Wir haben doch nur sieben...' begann Dua und fugte dann hinzu: 'Oh, ich hatte vergessen .. .'
Odeen lachelte nachsichtig. Man verga? leicht die unzahligen Sterne, die nur durch Spezialinstrumente zu sehen waren.
'Schon gut. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, da? ich dich mit all dem Zeug langweile.'
'Du langweilst mich nicht', sagte Dua. 'Ich finde das alles gro?artig. Dabei schmeckt es mir sogar.' Und sie erschauderte wohlig zwischen den Elektroden.
Odeen, der Dua noch niemals hatte positiv uber das Essen sprechen horen, war von ihren Worten sehr angetan. Er sagte: 'Naturlich lebt unser Universum nicht so lange wie das andere. Die Verschmelzung lauft so schnell ab, da? nach einer Million Lebensspannen alle Partikel miteinander verbunden sind.'
'Aber da gibt es doch noch so viele andere Sterne.'
'Ah, die entwickeln sich doch alle gleichzeitig fort! Das ganze Universum stirbt. Im anderen Universum, das viel weniger Sterne hat und gro?ere dazu, geht die Verschmelzung so langsam vor sich, da? die Sterne tausendmal, millionenmal langer leben als die unseren. Es la?t sich kaum vergleichen, weil vielleicht auch die Zeit in den beiden Universen unterschiedlich ablauft.' Er fugte widerstrebend hinzu: 'Das verstehe ich ubrigens auch nicht ganz. Es gehort mit zur Estwald-schen Theorie, doch ich habe mich damit noch nicht weiter befa?t.'
'Hat Estwald das alles herausgefunden?'
'Jedenfalls einen gro?en Teil.'
'Es ist wunderbar', sagte Dua, 'da? wir Nahrung aus dem anderen Universum bekommen. Ich meine, dann ist es ja egal, ob unsere Sonne verloscht. Wir konnten uns dann aus dem anderen Universum ernahren.' 'Richtig.'
'Aber ergibt sich dabei denn gar nichts Schlimmes? Ich habe das das Gefuhl, da? etwas Schlimmes passieren konnte.'
'Nun', antwortete Odeen, 'mit der Positronenpumpe transportieren wir Materie hin und her, und das hei?t, da? sich die Universen ein wenig vermischen. Unsere Atomkraft wird etwas abgeschwacht, so da? sich die Verschmelzung in unserer Sonne verlangsamt und die Sonne ein wenig schneller abkuhlt... Aber nur ein wenig, und wir brauchen sie ja sowieso nicht mehr.'
'Das ist es nicht, das Schlimme. Wenn die Atomkraft um eine Winzigkeit kleiner wird, nehmen die Atome doch mehr Platz ein, richtig? Was wird dann aus dem Verschmelzen?'
'Das wurde ein wenig erschwert. Aber es mu?te viele Millionen Lebensspannen dauern, bis sich das irgendwie bemerkbar macht. Selbst wenn das Verschmelzen eines Tages unmoglich ware und die Weichwesen aussterben mu?ten, geschahe das doch sehr lange nach dem Zeitpunkt, da wir alle verhungern - wenn wir uns nicht das andere Universum zunutze machen.'
'Das ist immer noch nicht das schlimme Gefuhl, das ich habe ...' Duas Worte wurden undeutlich. Sie zappelte zwischen den Elektroden herum, und Odeen stellte erfreut fest, da? sie merklich gro?er und kompakter geworden war. Es war, als ob nicht nur die Nahrung, sondern auch seine Worte zu ihrer Energiebildung beitrugen.
Losten hatte recht! Das Lernen gab ihr gro?ere Lebensfreude. Odeen spurte eine Art Sinnlichkeit, die Dua bisher selten gezeigt hatte.
'Es ist so nett von dir, da? du mir das alles erklarst, Odeen', sagte sie. 'Du bist ein guter Linksling.'
'Soll ich weitermachen?' fragte Odeen, der geschmeichelter war, als er es fur moglich gehalten hatte. 'Hast du sonst noch eine Frage?'
'Oh, viele Fragen, Odeen, aber - aber nicht jetzt. Nicht jetzt, Odeen. Odeen, wei?t du, was ich gern mochte?'
Odeen erriet es sofort, doch er wagte es nicht offen auszusprechen. Duas erotische Momente waren zu selten, als da? sie durch eine unvorsichtige Reaktion gefahrdet werden durften. Er hoffte, Tritt hatte sich nicht so weit mit den Kindern eingelassen, da? die gute Gelegenheit ungenutzt verstreichen mu?te.
Doch Tritt war bereits im Zimmer. Hatte er vor der Tur gewartet? Egal. Zum Nachdenken war jetzt keine Zeit.
Dua war zwischen den Elektroden hervorgeschwebt, und Odeens Sinne waren von ihrer Schonheit bezaubert. Sie hing zwischen ihnen, und durch sie schimmerte Tritt, dessen Umrisse eine unglaubliche Farbung angenommen hatten.