etwas tiefer grabt. Aber vielleicht sollen wir so denken ...'

'Barron, du bist abscheulich! Wie kannst du nur hinter allem eine Verschworung sehen! Ben machte wirklich nicht... '

'Ben?' frage Neville sarkastisch.

'Ben!' wiederholte Selene entschlossen. 'Ben machte wirklich nicht den Eindruck, als truge er einen Kummer mit sich herum oder als wollte er mich dazu bringen, ihn fur einen Mann mit einem Kummer zu halten.'

'Nein, aber er brachte dich dazu, ihn fur einen netten Burschen zu halten. Du hast doch gesagt, er gefallt dir, nicht? Ganz betont, ja? Vielleicht lag das in seiner Absicht.'

'Ich lasse mich nicht so leicht hinters Licht fuhren, und du wei?t das ganz genau.'

'Nun, ich werde wohl abwarten mussen, bis ich ihn gesprochen habe.'

'Scher dich doch zum Teufel, Barron. Ich habe mit Erdchen von jeder Sorte zu tun gehabt, mit Tausenden. Das ist meine Arbeit. Und du hast nicht den geringsten Grund, meine Menschenkenntnis anzuzweifeln. Du wei?t, da? du sogar allen Grund hast, dich darauf zu verlassen.'

'Schon gut. Wir werden's ja sehen. Reg dich nicht auf. Wir mussen halt nur warten... Und wahrend uns nichts anderes ubrigbleibt ' er sprang geschmeidig auf - 'darfst du dreimal raten, was mir da durch den Kopf geht...'

'Das brauche ich nicht zu raten.' Selene stand ebenso schnell auf und machte eine fast unmerkliche Seitwartsbewegung, die sie aus seiner Reichweite brachte. 'Aber la? es dir allein durch den Kopf gehen. Ich bin nicht in Stimmung.'

'Bist du bose, weil ich deine Menschenkenntnis angezweifelt habe?'

'Ich bin bose, weil - Zum Teufel, warum raumst du hier nicht besser auf?' Und sie ging.

6

'Ich wurde Ihnen gern ein paar Leckereien von der Erde vorsetzen, Doktor', sagte Gottstein, 'aber die waren mir fur mein Reisegepack prinzipiell verboten. Die guten Leute hier haben etwas gegen die kunstlichen Schranken, die eine Bevormundung von Erdbesuchern errichten wurde. Da erscheint es besser, ihre Gefuhle nicht zu verletzen und sich den Lunariern moglichst anzupassen, obwohl ich furchte, da? mein Gang mich noch verraten wurde. Diese verflixte Schwerkraft ist auch wirklich unmoglich.'

'Da stimme ich Ihnen zu.' Der Mann von der Erde lachelte freundlich. 'Ich begluckwunsche Sie zu Ihrem Amtsantritt...'

'Der noch nicht ganz vollzogen ist.'

'Trotzdem herzliche Gluckwunsche. Ich kann mir allerdings nicht recht vorstellen, warum Sie mich sprechen wollen.'

'Wir waren Passagiere auf dem gleichen Schiff - vor kurzem noch.'

Der Mann von der Erde wartete hoflich.

Gottstein fuhr fort: 'Doch meine Bekanntschaft mit Ihnen reicht viel weiter zuruck. Wir sind uns vor einigen Jahren schon einmal begegnet - ganz kurz nur.'

'Ich furchte, ich erinnere mich nicht...'

'Das uberrascht mich nicht. Es ware auch sehr verwunderlich, wenn Sie mich erkennen wurden. Ich habe eine Zeitlang unter Senator Burt gearbeitet, der noch immer das Komitee fur Technologie und Umwelt leitet. Das war zu einer Zeit, da er sehr erpicht darauf war, Hallam etwas anzuhangen - Frederick Hallam.'

Der Mann von der Erde schien plotzlich ein wenig aufrechter zu sitzen. 'Kannten Sie Hallam?'

'Sie sind hier der zweite, der mir diese Frage stellt. Ja, ich habe ihn gekannt. Nicht besonders gut. Ich habe auch mit vielen Leuten gesprochen, die ihm begegnet sind, und sie waren seltsamerweise fast alle meiner Ansicht. Fur einen Menschen, der von einem ganzen Planeten zum Idol erkoren wurde, fand Hallam bei seiner unmittelbaren Umgebung erstaunlich wenig Sympathie.'

'Wenig? Uberhaupt keine, wurde ich sagen.'

Gottstein uberging den Einwand. 'Es war damals meine Aufgabe - ein Auftrag vom Senator , in Sachen Elektronenpumpe zu ermitteln und festzustellen, ob die Installation der Anlagen eine unangemessene Verschwendung von Staatsmitteln und uberma?igen personlichen Profit ausloste. Fur ein Komitee, das im wesentlichen nur Uberwachungsfunktionen hatte, lag das im Rahmen des Ublichen - aber unter uns gesagt hoffte der Senator etwas zu finden, um Hallam am Zeug zu flicken. Zu gern hatte er den Wurgegriff, mit dem dieser Mann das wissenschaftliche Establishment umfangen hielt, aufgebrochen. Er schaffte es aber nicht.'

'Offensichtlich. Hallam ist starker denn je.'

'Es gab keine nennenswerten Bestechungen und schon gar keine Unregelma?igkeiten, die auf Hallam zuruckgefuhrt werden konnten. Der Mann ist von sturer Ehrlichkeit.'

'Das stimmt. Macht hat ihren eigenen Marktwert, der nicht unbedingt mit Geld bewertet wird.'

'Besonders interessierte mich damals - obwohl ich der Sache nicht nachgehen konnte - ein Mann, dessen Klage sich nicht gegen Hallams Macht richtete, sondern gegen die Elektronenpumpe selbst. Ich nahm an dem Gesprach teil, ohne es zu fuhren. Sie waren dieser Mann, nicht wahr?'

Der Mann von der Erde antwortete vorsichtig: 'Ich erinnere mich an das Gesprach, aber nicht an Sie.'

'Ich hielt es damals fur undenkbar, da? jemand mit wissenschaftlichen Argumenten gegen die Elektronenpumpe vorgehen konnte. Sie haben mich aber so beeindruckt, da? ich gleich ein seltsames Gefuhl hatte, als ich Sie gestern an Bord sah, und schlie?lich fiel es mir wieder ein. Ich habe noch nicht auf die Passagierliste geschaut, aber ich mochte mein Gedachtnis testen. Sind Sie nicht Dr. Benjamin Andrew Demson?'

Der Mann von der Erde seufzte: 'Benjamin Allan Denison. Ja. Aber warum warmen Sie die alten Geschichten auf? Um offen zu sein, Hochkommissar, ich mochte die Vergangenheit gern ruhen lassen. Ich bin auf den Mond gekommen, um neu anzufangen; wenn notig, auch wieder ganz von vorn. Verdammt, ich wollte sogar meinen Namen andern.'

'Es hatte Ihnen nichts genutzt. Ich habe Sie nach dem Gesicht wiedererkannt. Ich habe nichts dagegen, da? Sie ein neues Leben beginnen wollen, Dr. Denison. Ich will Ihnen da in keiner Weise im Wege stehen. Aber ich mochte doch ein oder zwei Aufschlusse gewinnen - und zwar aus Grunden, die mit Ihnen direkt nichts zu tun haben. Ich erinnere mich nicht mehr so richtig an Ihren Einwand gegen die Elektronenpumpe. Konnten Sie mir Ihr Argument noch einmal darlegen?'

Denison neigte den Kopf. Die Stille zog sich in die Lange, und der angehende Hochkommissar schwieg. Er unterdruckte sogar ein leises Rauspern.

'Es war im Grunde nichts', antwortete Denison schlie?lich. 'Ich hatte nur eine Vermutung, eine Sorge um die Anderung der Intensitat des Starken Kernfeldes. Es war nichts.'

'Nichts?' Gottstein rausperte sich nun doch. 'Sie haben hoffentlich nichts dagegen, wenn ich das begreifen mochte. Ich sagte Ihnen schon, da? Sie mich damals interessierten. Ich konnte die Angelegenheit allerdings nicht weiterverfolgen, und ich bezweifle, da? ich die Information heute aus den Akten herausbekame. Die Ermittlung unterlag der Geheimhaltung -der Senator schnitt dabei nicht sehr gut ab, und ihm liegt bestimmt nichts an unnotigem Aufsehen. Doch einige Einzelheiten sind mir noch gewartig. Sie waren doch einmal ein Kollege Hallams; allerdings kein Physiker.'

'Das stimmt. Ich war Strahlungschemiker. Er ebenfalls.'

'Unterbrechen Sie mich, wenn mich mein Gedachtnis trugt. Anfanglich wurden Sie vorzuglich beurteilt, nicht wahr?'

'Es sprachen objektive Kriterien zu meinen Gunsten. Soweit es mich betraf, gab es keine Selbsttauschung. Ich war ein brillanter Kopf.'

'Erstaunlich, wie mir das so wieder einfallt. Bei Hallam sah es aber nicht so gut aus.'

'Nicht besonders.'

'Und doch ist Ihre Karriere spater steckengeblieben. Tatsachlich arbeiteten Sie zur Zeit des Interviews - um das Sie meines Wissens selbst nachsuchten - fur eine Spielzeugfabrik... '

'Nein, fur eine Kosmetikfirma', entgegnete Denison erstickt. 'Mannerkosmetik. Das erhohte mein Ansehen bei dem Hearing damals nicht gerade.'

'Kaum. Es tut mir leid. Sie waren Verkaufer.'

'Verkaufsleiter. Auch hier habe ich mich glanzend bewahrt. Ich war Vizeprasident, als ich meine Laufbahn abbrach und zum Mond abreiste.'

'Hatte Hallam etwas damit zu tun? Ich meine damit, da? Sie der Forschung den Rucken kehrten?'

'Hochkommissar', antwortete Denison. 'Bitte! Es ist mir inzwischen wirklich gleichgultig. Ich war dabei, als

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