'Ich bin ausgebildeter Strahlungschemiker.' 'Aber auf diesem Gebiet haben Sie seit langem nicht mehr gearbeitet, Doktor. Wir sind zwar weit vom Schu? hier oben, aber zu weit nun auch wieder nicht. Wir wissen, da? Sie zu Hallams Opfern gehoren.'

'Gibt es denn so viele, da? man sie schon als Gruppe ansprechen kann?'

'Warum nicht? Der ganze Mond ist ein Opfer Hallams.'

'Der Mond?'

' Gewisserma?en.'

'Ich verstehe nicht.'

'Wir haben keine Pumpstationen auf dem Mond. Es wurden keine installiert, weil das Parauniversum nicht mitmachte. Die ausgelegten Wolfram-Stucke wurden nicht ausgetauscht.'

'Sie wollen doch nicht behaupten, da? das Hallams Schuld ist.'

'In negativer Hinsicht schon. Warum kann nur das Parauniversum eine Pumpstation in Gang bringen? Warum nicht wir?'

'Soweit ich wei?, fehlen uns die Kenntnisse, um die Initiative zu ergreifen.'

'Und diese Kenntnisse werden uns auch kunftig abgehen, wenn jede Forschung in dieser Richtung unterbunden wird.'

'Unterbunden?' fragte Denison mit leichter Uberraschung.

'Es lauft darauf hinaus. Wenn alle Arbeiten, die unser Wissen in dieser Richtung erweitern konnten, beim Einsatz des Protonensynchrotrons und anderer gro?er Installationen verzogert werden Anlagen, die unter Kontrolle der Erde und somit unter dem Einflu? Hallams stehen , dann ist die Forschung effektiv unterbunden.'

Denison rieb sich die Augen. 'Ich mu? wohl noch Schlaf nachholen ... Es tut mir leid, ich will damit nicht andeuten, da? Sie mich langweilen. Aber sagen Sie mir, ist die Elektronenpumpe denn so wichtig fur den Mond? Bestimmt sind doch die Sonnenbatterien vollig ausreichend.'

'Aber sie fesseln uns an die Sonne, Doktor. Sie binden uns an die Oberflache.'

'Nun... Aber warum hat Hallam Ihrer Meinung nach eine so negative Einstellung zu der Angelegenheit, Dr. Neville?'

'Da Sie ihn personlich kennen, mu?ten Sie das besser wissen als ich. Er zieht es vor, die Allgemeinheit daruber im unklaren zu lassen, da? das gesamte Elektronenpumpensystem das Produkt der Paramenschen ist und wir nur die Rolle untergeordneter Diener erfullen. Und wenn wir auf dem Mond einmal den Punkt erreichen, da wir selbst aktiv werden konnen, wird der Beginn der wahren Technologie der Elektronenpumpe von unserer Entdeckung an gerechnet - und nicht von seiner.'

'Warum erzahlen Sie mir das alles?' fragte Denison.

'Damit ich keine Zeit verschwende. Gewohnlich hei?en wir Physiker von der Erde willkommen. Wir fuhlen uns abgeschnitten hier auf dem Mond, als Opfer einer offen gegen uns gerichteten terrestrischen Politik, und ein Physiker auf Besuch kann uns helfen, auch wenn er vielleicht nur unser Gefuhl der Isolierung mildert. Ein Physiker als Immigrant ist uns sogar noch lieber, und wir erklaren ihm schnell die Lage und laden ihn ein, mit uns zu arbeiten. Es tut mir daher leid, da? Sie kein richtiger Physiker sind.'

Denison sagte ungeduldig: 'Das habe ich auch niemals behauptet.'

'Und doch wollten Sie das Synchrotron sehen. Warum?'

'Oh, macht Ihnen das zu schaffen? Mein lieber Dr. Neville, lassen Sie es sich erklaren. Meine Karriere als Wissenschaftler wurde vor einem halben Menschenalter ruiniert. Ich habe mich entschlossen, mein Leben gewisserma?en zu rehabilitieren, ihm eine neue Bedeutung zu geben, und zwar moglichst weit von Hallam entfernt - hier auf dem Mond. Ich bin Strahlungschemiker, was mich aber fur andere Gebiete nicht blind gemacht hat. Die Paraphysik ist heute das aktuelle Feld, und ich habe nach bestem Wissen entsprechende eigene Studien betrieben - aus dem Gefuhl heraus, da? ich mich damit am ehesten rehabilitieren konnte.'

Neville nickte. 'Verstehe', bemerkte er mit deutlichem Zweifel.

'Ubrigens, da Sie von der Elektronenpumpe sprachen. Haben Sie schon von den Theorien Peter Lamonts gehort?'

Neville sah den anderen mit zusammengekniffenen Augen an. 'Nein, ich glaube, den Mann kenne ich nicht.' 'Ja, er ist noch nicht beruhmt. Er wird es vermutlich auch nie werden -im wesentlichen aus den gleichen Grunden wie ich. Er hat sich mit Hallam angelegt. Sein Name war in letzter Zeit ofter zu horen, und ich habe uber ihn nachgedacht. Damit ist wenigstens ein Teil der letzten Nacht herumgegangen.' Und er gahnte.

'Ja, Doktor?' drangte Neville. 'Was ist mit dem Mann? Wie hie? er doch gleich?'

'Peter Lamont. Er hat einige interessante Gedanken uber die Paratheorie geau?ert. Er glaubt, da? mit fortschreitendem Einsatz der Pumpe die Starke nukleare Wechselwirkung im Bereich des Sonnensystems grundsatzlich an Intensitat zunehmen wird, da? die Sonne sich langsam erhitzen und im kritischen Augenblick eine Phasenveranderung durchmachen wird, die zu einer Explosion fuhrt.'

'Unsinn! Konnen Sie den Grad der Veranderung ermessen, der sich auf kosmischer Ebene ergibt, wenn die Pumpe wie bisher im irdischen Umfang genutzt wird? Selbst als Amateurphysiker sollten Sie erkennen, da? die Pumpe wahrend der Lebensdauer des Sonnensystems unmoglich spurbare Veranderungen m den allgemeinen Verhaltnissen im Universum herbeifuhren kann.'

'Glauben Sie das wirklich?'

'Naturlich. Sie nicht?' fragte Neville.

'Ich bin mir nicht sicher. Lamont fuhrt einen personlichen Kampf. Ich bin ihm einmal kurz begegnet, und er schien mir ein sehr zielbewu?ter und doch sensibler Bursche zu sein. Was Hallam ihm angetan hat, sturzt ihn vermutlich in hemmungslose Wut.'

Neville runzelte die Stirn. 'Sind Sie sicher, da? er mit Hallam quersteht?'

'Dafur bin ich doch wohl Experte.'

'Sie meinen nicht, da? das Ausstreuen einer solchen Theorie da? die Pumpe gefahrlich ist - ein weiteres Mittel sein konnte, dem Mond eigene Pumpstationen vorzuenthalten?'

'Selbst auf die Gefahr hin, da? man damit Unruhe und Verzweiflung in der Erdbevolkerung heraufbeschwort? Naturlich nicht. Das hie?e mit Kanonen auf Spatzen schie?en. Nein, ich bin sicher, da? Lamont es ehrlich meint. Ich hatte sogar einmal eigene Ideen in dieser Richtung.'

'Weil auch Sie vom Ha? auf Hallam getrieben werden.'

'Ich bin nicht Lamont. Ich konnte mir vorstellen, da? ich nicht so reagiere wie er. Ich hegte sogar die Hoffnung, der Angelegenheit auf dem Mond nachgehen zu konnen - ohne Hal-lams Querschie?erei, ohne Lamonts Emotionen.'

'Hier auf dem Mond?'

'Hier auf dem Mond. Ich dachte, da? man mich vielleicht am Protonensynchrotron arbeiten lie?e.'

'Und deshalb interessierten Sie sich dafur?'

Denison nickte.

'Glauben Sie wirklich, man la?t Sie an das Synchrotron? Wissen Sie, wie weit die Voranmeldungen reichen?'

'Ich stellte mir vor, vielleicht mit einem der lunaren Wissenschaftler zusammenzuarbeiten.'

Neville lachte und schuttelte den Kopf. 'Unsere Chancen stehen kaum besser als die Ihren ... Ich sage Ihnen, was wir versuchen konnen. Wir haben eigene Laboratorien eingerichtet. Dort konnten wir Ihnen eine Ecke einraumen. Vielleicht haben wir auch ein paar kleine Gerate frei. Ob Ihnen unsere Einrichtungen nutzen, wei? ich nicht - aber vielleicht la?t sich damit wenigstens ein Anfang machen.'

'Meinen Sie, ich hatte damit die Moglichkeit, Feststellungen im Bereiche der Paratheorie zu treffen?'

'Das wurde wohl mit von Ihrem Einfallsreichtum abhangen. Wollen Sie die Theorien dieses Lamont beweisen?'

'Oder widerlegen. Vielleicht.'

'Wenn uberhaupt, werden Sie sie widerlegen. Darum habe ich keine Sorge.'

'Ihnen ist also klar', sagte Denison, 'da? ich kein vollwertiger Physiker bin? Warum bieten Sie mir so bereitwillig eine Stelle an?'

'Weil Sie von der Erde kommen. Ich sagte Ihnen schon, da? wir das zu schatzen wissen, und vielleicht ist Ihr Selbststudium noch zusatzlich von Bedeutung. Au?erdem tritt Selene fur Sie ein - eine Tatsache, der ich mehr Bedeutung beimesse, als ich vielleicht sollte. Zugleich haben auch wir unter Hallam zu leiden und sind sozusagen Kollegen. Wenn Sie sich rehabilitieren wollen, helfen wir Ihnen.'

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