Dienste des Glaubens. Eine au?erordentliche Verbindung, Bruder. Also dieser Krieger Garb erschien vor neun Tagen in der Abtei. Ich war gerade beim Abt, als er auf eine ahnlich dramatische Weise zur Tur hereinkam. Unter Bewachung eines seiner Krieger wurde ich aus dem Zimmer geleitet. Ich wei? nicht, was zwischen ihm und dem Abt gesprochen wurde. Jedenfalls ging Garb im Zorn weg. Abt Cild war mehrere Tage lang verstort. Von dem Tag an, glaube ich, wechselten seine Launen noch starker.«
Eadulf betrachtete Bruder Higbald mit einigem Zweifel. »Willst du damit sagen, da? der Abt ein ganz anderer Mensch war, bevor Garb zum erstenmal hier auftauchte?«
Bruder Higbald lachte in sich hinein. »Wenn du meinst, da? er vorher heiter und gutmutig und leichtlebig war, dann mu? ich dich enttauschen, das war er absolut nicht. Solche Gaben wie Gute und Humor hat die Natur unserem Abt nicht verliehen. Seine Stimmung schwankte immer extrem - so wie du es auch jetzt an ihm beobachten kannst. Ich wurde sagen, seitdem hat er Angst bekommen. Soviel ich wei?, war er stets mi?trauisch und unberechenbar im Umgang mit Menschen.«
»Garbs Mordanklage ist eine sehr schwere Beschuldigung«, erwiderte Eadulf.
»Zugegeben, aber wie kann hier eine solche Anklage nach einem fremden Gesetz erhoben werden?«
»Nach unserem Recht geht das nicht«, gab Eadulf zu. »Nach dem Gesetz der Brehons ist es moglich, weil Cild in Connacht unter diesem Gesetz geheiratet hat. Folglich ist es, wie ich gehort habe, ein ernster Fall.«
»Das Schicksal hat dem Abt einen grausamen Schlag versetzt.«
»Grausam?« fragte Eadulf uberrascht. »In welcher Hinsicht?«
»Mit Bruder Botulfs Tod. Ware er noch am Leben, konnte er Abt Cild gegen diese Anschuldigungen verteidigen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich wei? nur, da? Bruder Botulf die ganze Geschichte von der Ehefrau des Abts kannte und ihren Tod miterlebte.«
»Wann ist sie gestorben?« Eadulf verbarg seine Enttauschung daruber, da? seine Theorie, Cild halte seine Frau vor der Welt versteckt, so schnell geplatzt war.
Bruder Higbald schuttelte den Kopf. »Ich sollte nicht uber den Abt tratschen.«
»Ich erwarte nicht von dir, da? du tratschst«, erwiderte Eadulf rasch. »Ich wollte nur eine Antwort auf eine Frage. Ein Datum oder eine Zeit.«
»Gelgeis mu? schon ein paar Monate vor meinem Eintritt in diese Gemeinschaft gestorben sein. Als ich gegen Ende des Sommers herkam, hatte Cild die Abtei bereits als eine Bruderschaft von Monchen eingerichtet, in der keine Frau unsere Meditationen storen durfte. Aber es gibt hier noch ein paar Monche, die sie kannten. Der arme Bruder Botulf naturlich und Bruder Willibrod. Ach ja, der junge Redwald auch. Nach dem, was ich horte, war Gelgeis nicht sehr beliebt.«
»War die Hinwendung des Abts zum Zolibat einfach eine Reaktion auf den Tod seiner Frau?«
»Wer wei? schon, was die Menschen zu ihren Taten treibt?« meinte Bruder Higbald achselzuckend. »Leid kann manches auslosen.«
»Ist es sicher, da? die Frau des Abts tot ist?« fragte Eadulf aus einer plotzlichen Eingebung heraus.
»Naturlich. Was veranla?t dich zu solch einer Frage?« Der Apotheker schien belustigt.
»Ich uberlegte, wer wohl die Dame sein konnte, die gegenwartig als Gast in der Abtei weilt?«
Bruder Higbalds Miene verriet leichte Verwirrung. »Ich nehme an, du meinst nicht deine Gefahrtin ...?«
»Nein, ich meine eine schlanke, blonde, reich gekleidete Dame, die ich gestern abend im Kreuzgang nahe der Kapelle gesehen habe.«
Der Apotheker wurde ernst. »Wahrhaftig, Bruder, soviel ich wei?, gibt es keine Frau in der Abtei au?er deiner Gefahrtin.«
»Ich habe sie aber gesehen«, wiederholte Eadulf fest.
»Und du wurdest sie wiedererkennen?« fragte Bruder Higbald rasch.
Eadulf zogerte und zuckte die Achseln. »Ich bin mir nicht sicher.«
»Wurde es uns nicht bekannt sein, wenn es hier eine Frau gabe?«
Eadulf entschied sich, die Sache nicht weiter zu verfolgen.
»Wei? jemand, wie Abt Cilds Frau ums Leben kam?« fragte er. »Konnte Garbs Anschuldigung auf Wahrheit beruhen? Abt Cild verhalt sich so, als habe er etwas zu verheimlichen.«
Bruder Higbald schuttelte rasch den Kopf. »Um ihren Tod gibt es kein Geheimnis. Sie geriet ins Moor und versank darin. Mein Freund, auch wenn du mal
Eadulf erwiderte den festen, immer noch leicht belustigten Blick des Apothekers. Doch in dessen Lacheln lag ein seltsamer Ernst.
»Ein Geheimnis gibt es hier doch, Bruder Hig-bald.« Eadulf lie? sich nicht beirren. »Botulf war mein Jugendfreund. Ich werde nicht ruhen, bis ich herausgefunden habe, wer ihn getotet hat. Ich lasse nicht gern ungeloste Fragen hinter mir zuruck. Und Drohungen beeindrucken mich auch dann nicht, wenn sie sehr diplomatisch formuliert sind.«
Der Apotheker seufzte ergeben. »Es sollte sich nicht wie eine Drohung anhoren. Mich geht es nichts an. Ich wollte dir nur zu verstehen geben, da? Abt Cild ein launenhafter Mensch ist. Er sagt, Botulfs Morder sei .«
»Ich wei?, was Abt Cild sagt. Ein Geachteter? Ein Dieb aus dem Moorland? Nur, weil Bruder Wigstan behauptet, er habe einen Geachteten namens Aldhere in der Nahe der Abtei gesehen, kurz nachdem die Leiche Botulfs entdeckt wurde? Ubrigens, als Apotheker hast du doch wohl den Leichnam Botulfs untersucht, nachdem man ihn aufgefunden hatte?«
»Ja. Ich war in der Kapelle und wurde geholt. Der Leichnam lag im Hof gleich daneben. Es war offensichtlich, da? Botulf mehrmals mit einer Streitaxt am Kopf getroffen wurde.«
»Mit einer Streitaxt? Wie kommst du darauf?«
»Ich habe genug Verwundungen auf dem Schlachtfeld gesehen, um den Typ von Verletzung zu erkennen, den eine solche Waffe verursacht.«
»Und zu welchem Schlu? kamst du?«
»Da? er erschlagen wurde.«
»Doch welchen Grund hat Garb, den Abt zu beschuldigen, die Tat kame ihm sehr gelegen? Wenn Bo-tulf den Tod Gelgeis’ zu bezeugen vermochte, kann man daraus folgern, da? er getotet wurde, weil er etwas wu?te?«
Bruder Higbald zuckte die Achseln. »Es steht mir nicht zu, dazu etwas zu sagen, Bruder. Ich mochte dir nur nahelegen, dich hier nicht unnotig lange aufzuhalten. Ich werde dem Abt berichten, da? die Schwester noch einige Zeit braucht, um sich von dem Fieber zu erholen, doch danach .«
Er zog eine Schulter hoch und lie? sie wie verabschiedend wieder sinken.
Eadulf schaute ihm gedankenvoll nach, als er wegging. Dann wandte er sich dem Gastehaus zu und suchte Fidelma auf.
»Wie ich hore, durfen wir hierbleiben, bis ich wieder reisefahig bin«, begru?te sie ihn zwischen Hustenanfallen. »Du hast deine Bitte beim Abt anscheinend sehr diplomatisch vorgebracht.«
Eadulf grinste breit. »Diplomatisch? Na, nicht unbedingt. Abt Cild besitzt ein sehr eigenartiges Temperament.«
»Hast du mehr uber das
Eadulf reichte ihr den Becher.
»Ich habe es versucht«, antwortete er. »Ich meine, hier lauert ein gro?eres Geheimnis, als man auf den ersten Blick erkennt.«
So ausfuhrlich wie moglich gab er seine Gesprache mit dem Abt und mit Bruder Higbald wieder.
»Ich wu?te nicht, da? du diese fremde Frau schon einmal erwahnt hattest«, bemerkte Fidelma stirnrunzelnd. »Aber wenn eine Frau im Kloster ist, warum leugnen sie es?«
Eadulf zuckte die Achseln. »Zunachst hielt ich das nicht fur wichtig. Erst als Abt Cild mich daruber belehrte, da? Frauen in seiner Abtei nichts zu suchen hatten, habe ich ihm das vorgehalten.«
»Und du sagst, es war keine Nonne?«