Teil zu sein, sie sprach und stohnte immerzu. Sie war jung und schlank mit einer rotblonden Mahne. Auf ihrem nackten Korper lag ein untersetzter Mann in mittleren Jahren. An ihm fiel Eadulf sofort auf, da? er die Tonsur des heiligen Petrus trug. Da hob der Mann den Kopf, doch zum Gluck fur Eadulf war sein eines gesundes Auge im Sinnenrausch geschlossen. Das andere bedeckte eine Lederklappe.
Es war Bruder Willibrod, der
Eadulf wandte sich rasch ab und schluckte schwer. Er blieb einen Moment stehen und holte Atem, dann ging er den Hugel hinab und durch den Wald zu der Stelle, an der Fidelma ihn geduldig erwartete.
»Dort finden wir keine Aufnahme«, antwortete er kurz auf ihren fragenden Blick. »Wir mussen gleich weiter.«
Fidelma bemerkte seine Verwirrung, stellte aber keine Fragen. Eadulf wurde ihr zu gegebener Zeit berichten, was ihn bedruckte.
Sie schritten so schnell aus, wie Fidelma es vermochte, und bald stellten sie fest, da? sie auf ihrem Weg in sudlicher Richtung nach Tunstall den Flu? Alde uberqueren mu?ten. Mit starker Stromung und eiskalt, war er zu tief, um ihn zu durchwaten. Eadulf hatte nicht bedacht, da? sie ja die Brucke nahe der Abtei nicht benutzen konnten, also am Flu? entlang wandern mu?ten, bis sie eine geeignete Furt fanden, was einen Umweg von Meilen bedeuten konnte.
Sie hatten, wie er schatzte, gut zwei Meilen zuruckgelegt, als Fidelma sagte: »Es tut mir leid, Eadulf, aber ich mu? mich wieder eine Weile ausruhen.«
Eadulf sah, da? sie erschopft war. Ihm war klar, da? sie eine Unterkunft finden mu?ten, und zwar bald. Er blieb stehen, und war dann froh daruber, denn sonst hatte er das Gerausch wohl nicht gehort. Es war ein Knarren und Quietschen von Holz, und dann ein tiefes Schnauben.
»Ein schwerer Wagen«, meinte Fidelma, die ein scharfes Gehor besa?.
»Warte hier«, brummte Eadulf und lief eilig zu dem Fahrweg, von dem die Tone herkamen. Er war nahe und fuhrte hinunter zum Flu?. Ein schwerer vierradriger Frachtwagen, von zwei Maultieren gezogen, schwankte auf ihm heran, von einem Mann in einem Lederkoller gelenkt. Er hatte ein gerotetes Gesicht und schwere Wangen. Neben ihm sa? ein zweiter Mann mit dunklem Teint. Der Fahrer lenkte den Wagen den Abhang zum Flu? hinunter, den er offensichtlich uberqueren wollte.
Ohne weiter zu uberlegen, ergriff Eadulf die Gelegenheit. Er trat aus den Buschen heraus und beinahe vor den Wagen.
»Guten Tag, Bruder!«
Erschrocken zog der Fahrer die Zugel an und brachte den Wagen zum Stehen. Sein Begleiter langte nach dem Messer in seinem Gurt. Als beide sahen, da? es ein Monch war, der sie angeredet hatte, beruhigten sie sich etwas.
»Guten Tag, Bruder«, antwortete der Fahrer mit einem fremden Akzent.
Eadulf hob die Stimme, damit Fidelma ihn horen und herbeikommen konnte.
»Verzeiht, Bruder, aber fahrt ihr nach Suden?«
»Wie du siehst, ja«, erwiderte der Fahrer. »Wir wollen zum Hafen von Gipeswic.«
»Ach«, sagte Eadulf lachelnd. »Meine Gefahrtin ist erschopft, und unser Ziel liegt ein paar Meilen weiter auf eurem Weg. Hattet ihr wohl Platz auf eurem Wagen? Das wurde uns den Flu?ubergang erleichtern.«
Der Fahrer uberlegte und wollte wohl schon zu einer Ablehnung ansetzen. Eadulf horte, wie Fidelma hinter ihm herankam. Der Fahrer gab plotzlich nach und blickte seinen Begleiter an, der nickte.
»Da ist tatsachlich Platz, Bruder. Wir sind Kaufleute aus dem Frankenreich. Vergib uns unser Mi?trauen, aber es hei?t, in diesen Waldern soll es von Geachteten wimmeln. Deine Gefahrtin scheint aus Eireann zu stammen.«
»Woran siehst du das?« Fidelma lachelte schwach.
»Am Schnitt deiner Kutte, Schwester. Wir kommen aus Peronne, und dort gibt es eine Gemeinschaft irischer Monche und Nonnen unter dem Abt Ultan.«
Eadulf war uberrascht. »Ultan? Der ist doch Bischof von Ard Macha?«
Nachsichtig erklarte ihm Fidelma: »Diesen Namen gibt man jedem Mann aus dem Konigreich Ulaidh. Aber ich kenne den Ultan, den du meinst«, sagte sie zu dem frankischen Kaufmann. »Er ist der Bruder von Fursa, der einmal eine Mission in dieses Land der OstAngeln fuhrte.«
Eadulf machte gro?e Augen. »Der Ultan lebt noch und ist Abt im Frankenreich?«
Der Fahrer lachte. »Jedenfalls lebte er noch, als wir vor sechs Monaten abfuhren, um ein paar Waren in dieses Land zu bringen.« Er wandte sich an seinen Begleiter. »Steig ab, Dado, und hilf der guten Schwester auf den Wagen. Seid ihr schon weit gereist, Bruder?« fragte er dann Eadulf. »Deine Gefahrtin sieht mude und geschwacht aus.«
»Wir haben eine ziemliche Strecke zuruckgelegt«, antwortete Eadulf unschuldig. »Fur eure Hilfe sind wir euch sehr dankbar.«
Sie kletterten auf den Wagen und setzten sich hinter den Fahrer, einen Mann namens Dagobert, und seinen Begleiter Dado. Eadulf bemerkte, da? der Wagen voller Handelsguter war. Viele davon waren in dieser
Gegend hergestellt, und er nahm an, sie seien fur Waren aus dem Frankenreich eingetauscht worden.
»Hattet ihr eine erfolgreiche Fahrt, Bruder?« erkundigte er sich, wahrend der Wagen weiterrollte, auf den Flu? zu.
»Es ist nicht viel los mit dem Handel in diesem armen Land, Bruder«, erwiderte der Fahrer und knallte mit der Peitsche uber den Kopfen der Maultiere.
»Gold und Schmuck sind in deinem Land anscheinend knapp«, fugte sein Begleiter Dado hinzu. »Wir haben etwas Granat und Amethyst mitgebracht. Eure Schmiede brauchen unsere frankischen Munzen anscheinend nur dazu, das Gold herauszuschmelzen.« Dado spitzte den Mund und machte ein Gerausch wie beim Ausspucken. »Die Schmiede hierzulande taugen nicht viel. Und erst die Topferei!« Er verdrehte die Augen. »Manche fertigen ihre Gefa?e wohl noch ohne Topferscheibe an und brennen sie ungleichma?ig, indem sie einfach ein Feuer uber einem Stapel an der Sonne getrockneter Topfe errichten. Was haben diese Leute denn anzubieten? Hier kommen wir nicht wieder her.«
Dieses Urteil der Kaufleute uber sein Heimatland war Eadulf etwas peinlich.
»Aber mit der Wollverarbeitung oder der Weberei ist doch sicher Handel zu treiben?« fragte er gereizt.
»Woanders kriegt man sie in besserer Qualitat. Die Leute hier sind eher ein Kriegervolk und leben auf Bauernhofen, die sie gerade so ernahren«, erwiderte der Mann. »Selbst zum Mahlen von Korn mussen sie sich Muhlsteine aus dem Frankenland kommen lassen.
Solche Muhlsteine aus Lava haben wir herubergebracht, damit die Sachsen ihr Korn mahlen konnen. Und was bieten sie uns dafur an? Sklaven? Es sind zu viele angelsachsische Sklaven auf dem Markt. Die Entdeckung solcher Sklaven auf dem Markt in Rom hat den heiligen Gregor, den damaligen Bischof von Rom, dazu veranla?t, Augustinus ins Konigreich Kent zu entsenden. Es gibt noch viele Teile dieses Landes, die heidnisch sind, aber ob christlich oder heidnisch, sie exportieren nur Sklaven.«
Eadulf zog ein finsteres Gesicht.
Fidelma hingegen nutzte die Gelegenheit, um noch mehr zu erfahren.
»Ich habe gehort, die Ost-Sachsen sind wieder zu ihren alten Gottern zuruckgekehrt«, sagte sie.
Dado war anscheinend der redseligere von den beiden, nachdem er erst einmal in Fahrt gekommen war. Er nickte sofort.
»Wir haben schon viele Geschichten gehort, als wir im Hafen von Gipeswic ankamen. Es hei?t, da? Konig Sigehere alle christlichen Hauser niederbrennt und die Monche und Nonnen in die Sklaverei verkauft - wenn er sie nicht gleich umbringen la?t.«
»Ich dachte, vielleicht hattet ihr was von einer Kriegerschar gehort, die unten an der Kuste gelandet sein soll?«
Dado stie? einen Pfiff aus und sah Dagobert kopfschuttelnd an.
»Davon haben wir nichts gehort. Wann soll das gewesen sein?«
»Heute morgen.«
»Das ist merkwurdig«, meinte Dado stirnrunzelnd.
»Merkwurdig?« fragte Fidelma nach.
»Vor ungefahr einer Stunde machten wir eine Essenspause, und da begegnete uns ein anderer Reisender, ein Reiter. Er war heute fruh von der Kuste aufgebrochen und sagte nichts von einem Uberfall. Aber es ist