rausperte sich Samu und nahm es auf sich, dem Herrscher die unerfreulichen Ergebnisse ihrer Untersuchung mitzuteilen.

Wahrend die Priesterin pathetisch von den blutigen Tranen des Buphagos erzahlte, schweiften Philippos’ Gedanken zu den Ereignissen des Nachmittags ab. Was mochte der Mundschenk nur getan haben, um so bestraft zu werden? Der Arzt erinnerte sich, wie sich Buphagos, als sie alle gemeinsam mit dem Konig zum Artemision gegangen waren, aus der Gruppe der Hoflinge gelost hatte, um noch einmal zu der Villa zuruckzukehren, die die Hohepriesterin des Tempels Ptolemaios als Residenz zur Verfugung gestellt hatte. Was immer Buphagos dort getan haben mochte, es hatte nicht lange gedauert. Schon wenig spater war er wieder zuruckgekehrt und hatte seinen Platz unter den anderen Hoflingen eingenommen. Vielleicht war Buphagos ja von einem der Haussklaven beobachtet worden, uberlegte Philippos. Er sollte sich auf jeden Fall morgen umhoren, ob jemand den Mundschenk bei seiner Ruckkehr zur Villa beobachtet hatte. Wenn es ihm ganz allein gelang, das Ratsel um den Tod des Hofbeamten zu losen, wurde sich der Konig ihm sicher erkenntlich zeigen. Ptolemaios konnte ein sehr gro?zugiger Mann sein, wenn...

»Und was meinst du dazu?«

Philippos schreckte aus seinen Gedanken auf. Der Neue Dionysos wirkte gereizt, und seine Stimme klang schrill.

Woruber er wohl mit Samu gesprochen haben mochte? »Ich, ahm . Ich kann mich den Worten der ehrwurdigen Priesterin nur anschlie?en. Sie hat mit ihren Ausfuhrungen vollkommen recht.«

»Moge die Gro?e Schlingerin diesem nichtsnutzigen Mundschenk den zweiten Tod schenken«, fluchte der Konig leise vor sich hin. »Was fallt ihm ein, uns mit seinem Ableben solchen Arger zu machen!«

Philippos atmete erleichtert auf. Offenbar hatte er die richtigen Worte gefunden. Mit einem stummen Gebet dankte er Athene fur ihre Eingebung.

»Glaubst du, da? die Hohepriesterin und der Protokures zu demselben Ergebnis wie ihr kommen werdet?« Der Konig blickte jetzt wieder zu Samu.

»Ich mu? Euch, Gottlicher, noch einmal darauf hinweisen, da? ich den Toten nicht im hellen Tageslicht untersuchen konnte. Vielleicht habe ich etwas ubersehen. Sicher ist jedoch - und das wird auch unser kampferprobter Legionsarzt bestatigen konnen -, da? Buphagos keine auffalligen Verletzungen an den Augen hatte, obwohl er blutete.«

Philippos nickte zustimmend und warf Samu gleichzeitig einen bosen Blick zu. Er wurde nicht gerne an seine Vergangenheit als Legionsarzt erinnert. Die Chirurgen der romischen Armee standen in dem Ruf, bessere Metzger zu sein, und auch wenn er auf den Feldzugen einige hervorragende Wundarzte kennengelernt hatte, so war es alles andere als eine Empfehlung, als kampferprobter Legionsarzt bezeichnet zu werden.

»Und was ware, wenn ihr dem Toten ein paar Wunden beibringt?«

»Ich bin Heilerin, Gottlicher«, entgegnete die Isispriesterin kuhl. »Als Leichenschanderin besudele ich die Wurde meines Priesterinnenamtes.«

Philippos verschlug es fast den Atem. Dieses verruckte Weib! Wie konnte sie wagen, so mit dem Konig zu sprechen. War sie lebensmude? »Es gibt noch ein viel wesentlicheres Problem, Eure gottliche Majestat«, mischte sich der Arzt ein, bevor Ptolemaios Gelegenheit fand, auf Samus Unverschamtheit einzugehen. »Denkt an die beiden Kureten, die Batis begleitet haben, als er Buphagos weggetragen hat. Die zwei mussen den Toten genau gesehen haben. Sie wurden es erkennen, wenn wir ihm nachtraglich Wunden beibringen wurden, die seinen plotzlichen Tod erklaren. Auf diese Weise schaffen wir uns nur neue Probleme, denn dann mu?ten sich die Hohepriesterin und die anderen Leichenbeschauer fragen, wer den Buphagos verstummelt hat und warum dies geschah.«

»Wenn wir deinen Worten folgen, dann werden die Hohepriesterin und der Protokures zu dem Schlu? kommen, da? Artemis unseren Mundschenk getotet hat.

Du bist dir daruber im klaren, was das bedeutet? Von da an wird sich jeder Priester die Frage stellen, ob der Tod des Mundschenks ein Zeichen der Gottin ist. Du wei?t, da? wir nicht nur Freunde hier im Tempel haben. Unsere Feinde werden uberall verbreiten, da? die Gottin mit der Totung eines unserer Vertrauten ein Zeichen gegeben hat, da? sie gegen unsere Anwesenheit im Tempelbereich ist. Wir mu?ten also wieder fliehen!«

»Vielleicht solltet Ihr auf die Weisheit der Gottin und ihrer Priesterinnen vertrauen. Artemis wacht uber dieses Land, so wie Isis uber Agypten wacht.«

Ptolemaios warf Samu einen bosen Blick zu. »Und hat Isis uns vor den Ranken unserer Tochter bewahrt? Nein, die Gotter haben mit ihresgleichen mehr als genug zu tun, um sich um die Belange der ...«

»Ihr seid ein Gott, Neuer Osiris! Isis ist Euer Weib, und sie wird Euch wieder zu sich fuhren.«

»Genug, Priesterin! Euch beiden ist es erlaubt, zu gehen!«

Philippos hatte Samu erschlagen konnen! Wenn sie unbedingt den Zorn des Pharao auf sich herabbeschworen wollte, gut, aber wenn sie ihn in ihrer Verbohrtheit mit sich ri? . Mit unterwurfiger Miene verbeugte sich der Grieche vor Ptolemaios und verlie? ruckwartsgehend den Raum. In den letzten Monaten hatte er sogar schon gelernt, wie man dabei die Tur in den Blick bekam, ohne allzusehr den Kopf verdrehen zu mussen und dadurch eine schlechtere Figur zu machen als die im Palast geborenen, blasierten Speichellecker, mit denen der Konig sich umgab. Sollte all dies jetzt vorbei sein? Wegen einer Frau?

Diese Priesterin! Er mu?te sich beherrschen, nicht vor Wut die Hande zu Fausten zu ballen. Alles, was er wollte, war, sich mit ein paar Jahren, die er vor diesem feisten Mochtegerngott buckelte, einen ruhigen Lebensabend als reicher Mann zu sichern. Und sie? Sie machte mit ihrem torichten Gerede alles zunichte. Sie beleidigte den Konig, und beide wurden sie hinausgeworfen! Sollte Zeus sie doch in die finstersten Abgrunde des Hades schleudern, diese eingebildete Priesterin!

Inzwischen hatten die beiden den Innenhof des kleinen Palastes erreicht, in dem Ptolemaios und sein Gefolge untergebracht waren. Die weitlaufige Villa lag am Westhang eines kleinen, langgezogenen Hugels, der sich kaum zweihundert Schritt vom Artemistempel entfernt erhob.

»Dieser Narr, er sollte nicht glauben, da? er die Hohepriesterin tauschen kann! Er macht alles nur noch schlimmer«, grollte Samu leise.

»Und du?« Philippos war mit seiner Geduld am Ende. »Hast du eigentlich einmal daruber nachgedacht, was du mir gerade angetan hast? Ptolemaios hat mir vertraut! Jedenfalls bis heute abend. Es ist mir gleichgultig, wenn du deine Gunst bei ihm verspielst und er dir eines Nachts Batis schickt, um sich ein fur alle Mal von deinen aufruhrerischen Reden zu erlosen, aber zieh nicht mich in diese Sache hinein!«

Samu lachelte zynisch. »Wie sagtest du auch gleich? Ich kann mich den Worten der ehrwurdigen Priesterin nur anschlie?en. Sie hat mit ihren Ausfuhrungen vollkommen recht. Was wundert es dich, wenn er dir nach solchen Reden unterstellt, da? du mit mir einer Meinung bist.«

»Was zum Henker hast du ihm erzahlt?«

Die Priesterin zog eine spottische Grimasse. »Was soll die Frage? Hast du mir vielleicht nicht zugehort?« Sie lachte.

»Ich habe dem Neuen Osiris erklart, da? ich es fur durchaus moglich halte, da? Artemis Buphagos getotet hat. Doch wenn die Gottin ihn gerichtet hatte, dann hatte sie dafur auch einen Grund gehabt. Ich sagte, da?, wenn es gelange, die Ursache fur sein Ableben herauszufinden, wir mit Sicherheit auch die Priesterinnen der Artemis davon uberzeugen konnen, da? unser gottlicher Pharao nichts mit den Freveln seines Mundschenks zu tun hat. Dem hast du zugestimmt.«

Philippos erbleichte. »Und wenn er doch etwas mit den Machenschaften des Buphagos zu tun hatte?«

»Dann war es, gelinde gesagt, undiplomatisch von dir, dich meiner Meinung anzuschlie?en, ohne mir auch nur zugehort zu haben. Doch diese Entscheidung hast du getroffen, und ich trage keine Verantwortung dafur. Ich wunsche dir nun eine gute Nacht, mein Freund. Du solltest auch lieber zur Ruhe gehen. Du machst keinen sehr gesunden und ausgeglichenen Eindruck auf mich.« Abrupt wandte sie sich ab und ging uber den Hof davon, ohne sich noch einmal nach ihm umzudrehen.

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