Good hatte recht: Die Szene wirkte in der Tat sehr komisch - mehr wie eine Szene aus einem Traum oder einer italienischen Oper als der Wirklichkeit. Dieses Gefuhl der Unwirklichkeit wurde auch keineswegs dadurch in Mitleidenschaft gezogen, da? wir in gutem, breitem Schottisch angesprochen wurden, welches ich jedoch leider hier nicht reproduzieren kann.

»Willkommen, meine Herren«, begru?te uns Mr. Mackenzie, ein grauhaariger, etwas eckig erscheinender Mann mit roten Wangen und einem freundlichen Gesicht; »ich hoffe, es geht Ihnen allen gut. Meine Eingeborenen berichteten mir vor einer Stunde, sie hatten zwei Kanus mit wei?en Mannern erspaht, die den Flu? heraufkamen. Und da wollten wir Sie gleich hier in Empfang nehmen.«

»Ich darf Ihnen sagen, da? wir uns sehr freuen, einmal wieder einen Europaer hier zu sehen«, erganzte die Lady, eine bezaubernde, sehr gut aussehende Frau.

Wir nahmen unsere Hute ab und stellten uns vor.

»Sicherlich sind Sie alle furchterlich mude und hungrig, meine Herren«, sagte Mrs. Mackenzie. »Also treten Sie ein; wir freuen uns wirklich, endlich wieder einmal Wei?e bei uns zu Gast zu haben. Der letzte Wei?e, der hierher kam, war Alphonse - Sie werden Alphonse gleich sehen -, und das ist nun schon ein Jahr her.«

Mittlerweile waren wir den Hugel hinaufgegangen, dessen unterer Teil mit Quittenzaunen und hie und da mit rohen Steinwallen in Kaffirgarten aufgeteilt war, in denen gerade Mais, Kurbis, Kartoffeln usw. zur Reife gelangt waren. In den Ecken dieser Garten standen in kleinen Gruppen ordentliche, gepflegte, pilzformige Hutten. Dann wohnten Mr. Mackenzies Eingeborene, deren Frauen und Kinder nun aus den Hutten gelaufen kamen, um uns, wahrend wir den Hugel hinaufstiegen, zu begru?en. Mitten durch die Garten schlangelte sich der Pfad, der zum Haus fuhrte. Er war auf beiden Seiten von einer Reihe von Orangenbaumen gesaumt, die - obwohl erst vor zehn Jahren angepflanzt - in dem milden Klima des Hochlands unterhalb des Mount Kenia, dessen Fu? ungefahr 5000 Fu? uber dem Meeresspiegel liegt, schon zu einer imposanten Gro?e herangewachsen waren, und die nun mit goldenen Fruchten beladen waren. Nach einem beschwerlichen Anstieg von ungefahr einer Viertelmeile - der Hugel war ziemlich steil - kamen wir an einen wunderschonen Quittenzaun, der ebenfalls mit Fruchten bedeckt war und der, wie Mr. Mackenzie uns erzahlte, ein Grundstuck von ungefahr vier Morgen Land umschlo?, auf dem sein privater Garten, sein Haus, die Kirche und diverse Nebengebaude standen. Die Flache nahm die ganze Kuppe des Hugels in Anspruch. Und was fur ein Garten es war! Der Anblick eines schonen Gartens hatte schon immer mein Herz hoher schlagen lassen, und ich hatte vor Freude die Arme in die Luft werfen konnen, als ich den von Mr. Mackenzie erblickte. Reihe an Reihe standen da alle bekannten Sorten von europaischen Obstbaumen, alle gepfropft; auf der Kuppe dieses Hugels herrschte ein so mildes Klima, da? beinahe alle in England ublichen Gemusearten, Baume und Blumen uppig gediehen, sogar mehrere Arten des Apfels, der normalerweise in einem zu hei?en Klima holzig wird und sich hartnackig weigert, zu einer halbwegs e?baren Frucht heranzureifen. Au?erdem wuchsen in seinem Garten Erdbeeren, Tomaten (welch wunderbare Tomaten!), Melonen, Gurken; kurz, jede Art von Gemuse und Obst.

»Was fur einen wunderschonen Garten Sie haben!«, rief ich enthusiastisch, voller Bewunderung fur dieses Prachtstuck von Garten (und auch nicht ganz ohne Neid).

»Ja«, erwiderte der Missionar, »es ist ein sehr guter Garten; er hat mir meine Muhen wirklich gedankt. Aber in erster Linie habe ich dem Klima zu danken. Wenn Sie hier einen Pfirsichkern in den Boden stek-ken, dann tragt er im vierten Jahr schon Fruchte, und Rosen bluhen schon nach einem Jahr. Es ist ein hervorragendes Klima.«

Wir kamen jetzt an einen zehn Fu? breiten, wassergefullten Graben, hinter dem eine acht Fu? hohe, mit Schie?scharten versehene Steinmauer war. Die Mauerkrone war dicht gesprenkelt mit scharfen Steinen, die in den noch weichen Mortel hineingedruckt worden waren.

»Das da«, sagte Mr. Mackenzie und zeigte auf den Graben und die Mauer, »ist mein magnum opus; dies und die Kirche, die sich auf der anderen Seite des Hauses befindet. Zusammen mit zwanzig Eingeborenen habe ich zwei Jahre dafur gebraucht, den Graben zu ziehen und die Mauer zu errichten; denn erst als das geschafft war, fuhlte ich mich sicher. Und nun kann ich allen Wilden in Afrika Trotz bieten, da die Quelle, die den Graben speist, sich innerhalb der Mauer befindet; sie flie?t winters wie sommers von der Kuppe des Hugels, und im Haus befindet sich ein standiger Lebensmittelvorrat, der uns vier Monate lang reicht.«

Wir schritten uber eine holzerne Planke und betraten durch eine winzig schmale Offnung in der Mauer das, was Mrs. Mackenzie als ihre Domane bezeichnete - den Blumengarten, dessen Schonheit ich wirklich nicht mit Worten beschreiben kann. Ich kann mich nicht erinnern, jemals zuvor solche Rosen, solche Gardenien oder Kamelien gesehen zu haben. (Die Samen oder Sprosse dafur waren alle aus England geschickt worden.) Ein Eckchen des Gartens beherbergte eine Sammlung zwiebelformiger Wurzeln, die zum gro?ten Teil Flossie, Mr. Mackenzies kleine Tochter, in der Umgebung der Missionsstation gesammelt hatte. Einige davon waren von wirklich seltener Schonheit. In der Mitte des Gartens, genau gegenuber der Veranda, sprudelte ein wunderschoner Springbrunnen von herrlich klarem Wasser aus dem Boden und fiel in ein steinernes Becken, das man mit viel Sorgfalt so gebaut hatte, da? es alles Wasser auffing. Von dort aus rann das Wasser durch einen Uberlauf in eine Auffangrinne, die es wiederum in den Wassergraben rings um die Au?enmauer leitete. Der Wassergraben seinerseits diente als kleiner Stausee, der immer einen nie versiegenden Vorrat an Wasser enthielt, mit dem man alle die unterhalb liegenden Garten berieseln konnte.

Das Haus selbst, ein massives, einstockiges Gebaude, war mit Steinplatten gedeckt und hatte eine hubsche Veranda. Das Gebaude bestand aus vier Flugeln, die ein Viereck bildeten. Drei dieser Flugel waren Wohn- und Schlafraume, der vierte beherbergte die Kuchen, die somit abseits vom Haus lagen - in einem hei?en Land eine sehr vorteilhafte Losung. Inmitten des quadratischen Innenhofes befand sich das vielleicht Bemerkenswerteste, das wir an diesem zauberhaften Orte bisher gesehen hatten: ein einzelner Nadelbaum, wie er in zahlreichen Spielarten im Hochland dieses Teils von Afrika freistehend anzutreffen ist. Dieser gro?artige Baum, der - wie Mr. Mackenzie uns mitteilte - den Orientierungspunkt fur einen Umkreis von funfzig Meilen darstellte (wir selbst hatten ihn ja schon wahrend der letzten vierzig Meilen unserer Reise standig sehen konnen), mu?te wohl an die dreihundert Fu? hoch sein. Der Stamm hatte einen Yard uber dem Boden gemessen etwa sechzehn Fu? im Durchmesser. Bis zu einer Hohe von etwa siebzig Fu? war der braune, nach oben hin immer schlanker werdende Stamm bar jeglicher Aste. Erst dort entsprangen dem Stamm wunderschone, dunkelgrune Zweige, die von unten wie gigantische Farne aussahen. Sie gingen waagerecht vom Stamm ab, und da sie weit uber das Haus und den Blumengarten hinausragten, spendeten sie beiden ein hohes Ma? an wohltuendem Schatten, ohne jedoch - da sie so hoch waren - den Zugang von ausreichend Licht und Luft zu verhindern.

»Was fur ein schoner Baum!« rief Sir Henry begeistert.

»Ja, Sie haben recht; es ist ein wunderschoner Baum. Meines Wissens gibt es in der ganzen Umgegend keinen, der ihm auch nur annahernd gleichkommt«, antwortete Mr. Mackenzie. »Ich nenne ihn meinen Wachtturm. Wie Sie sehen konnen, habe ich am untersten Ast eine Strickleiter befestigt. Und wenn ich nun sehen will, was in einem Umkreis von funfzehn Meilen vor sich geht, dann brauche ich blo? hinaufzuklettern und ein Fernglas mitzunehmen. Aber Sie sind jetzt sicherlich sehr hungrig, und ich bin sicher, da? das Essen fertig ist. Treten Sie ein, liebe Freunde; es ist zwar nur ein bescheidenes Heim, aber fur diese wilde Gegend ist es gut genug. Und dann will ich Ihnen noch etwas verraten: wir haben einen franzosischen Koch.« Mit diesen Worten fuhrte er uns auf die Veranda.

Wahrend ich hinter ihm herging und mir den Kopf daruber zerbrach, was in drei Teufels Namen er wohl damit gemeint haben konnte, erschien plotzlich aus einer Tur, die vom Haus auf die Veranda fuhrte, ein flinker kleiner Mann. Er trug einen sauberen, blauen Baumwollanzug, Schuhe aus gegerbtem Fell, und fiel sofort ins Auge wegen seines geschaftigen Gehabes und Gesichtsausdruckes sowie wegen seines machtigen schwarzen Schnauzbartes, dessen Spitzen er kunstvoll nach oben gezwirbelt hatte, so da? sie wie die Horner eines Buffels in die Luft ragten.

»Madame 'ei?t mich zu sagen, da? das Dinner serviert ist. Messieurs, meine Empfehlung.« Plotzlich bemerkte er Umslopogaas, der hinter uns herbummelte und mit seiner Streitaxt spielte, und er warf verdutzt die Hande in die Luft. »Ah, mais quel hom-me!« stie? er auf Franzosisch hervor. »Quel sauvage affreux! Sehen Sie doch nur seine gro?e 'ackbeil und das gro?e Loch in seinem Kopf!«

»Ja«, rief Mr. Mackenzie, »aber was redest du denn da, Alphonse?«

»Was rede isch da!« rief der kleine Franzose, der noch immer wie gebannt Umslopogaas anstarrte, dessen Anblick ihn ungemein zu faszinieren schien. »Warum ich von ihm rede« - und er zeigte mit dem Finger auf Umslopogaas, »von ce monsieur noir«.

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