konnte. Und es musste etwas mit der Art zu tun haben, in der Maupertuis sich bewegte. Oder besser gesagt: bewegt wurde.

Das war sein Schwachpunkt. Erneut versuchte Sherlock, mit dem Schwert die Seile und Schnure zu durchtrennen, die Maupertuis aufrecht hielten. Aber der Baron hatte damit gerechnet und parierte Sherlocks Klinge muhelos mit der rotierenden Scheibe in seiner linken Hand, wahrend sein rechter Arm die Klinge aus dem Mauerwerk zerrte.

Im Zuruckweichen ware Sherlock beinahe uber die Uberreste des Stuhles gestolpert, den das Schwert des Barons zertrummert hatte. Durch das Klacken, das entstand, als Sherlock mit dem Fu? gegen die Holzstucke stie?, begann sich so etwas wie ein Plan in seinem Kopf abzuzeichnen. Ohne weitere Zeit zu verschwenden, das Ganze vollends zu durchdenken, buckte er sich und hob mit der linken Hand das gro?te Teil auf. Ein Stuck, das aus einem Gro?teil einer Armlehne, einem Teil der Sitzflache und einem eingekerbten Stuhlbein bestand. Als der Baron den Sabel auf Sherlocks ungeschutzte Stirn niedersausen lie?, riss Sherlock in letzter Sekunde das Trummerstuck hoch, und die Klinge des Barons fra? sich tief in das Holz. Bevor Maupertuis es herausziehen konnte, schob Sherlock das Holzstuck mit aller Kraft nach hinten, bis sich das Schwert des Barons uber dessen Kopf befand. Mit der Ruckseite der Hand kam Sherlock gegen eines der Seile, die Maupertuis stutzten. Sherlock drehte mit aller Kraft am Holzstuck, wobei Maupertuis das Schwert fast aus der Hand gewunden wurde, und klemmte es hinter ein paar anderen Seilen fest, bevor er das Holz zuruckrotieren lie?. Zwischen den Seilen verfangen, hing das Holzstuck und mit ihm das Schwert des Barons nun nutzlos in der Luft herum. Sherlock lie? los, griff erst eines und dann ein weiteres der verbliebenen Seile und Schnure und verhedderte sie unter Aufbietung seiner letzten Krafte mit dem Holzstuck.

»Was tust du?«, schrie der Baron. Aber es war zu spat.

Die Seile hatten sich nun um Stuhllehne und -bein zu einem hoffnungslos festen Wirrwarr verschlungen. Hilflos baumelte Maupertuis in den Seilen. In der Dunkelheit am anderen Raumende boten die Diener all ihre Krafte auf, doch vergebens. Die Seile lie?en sich einfach nicht mehr von den Stuhlresten losen.

Sherlock trat zuruck. Er schwang das Schwert, hieb auf die Seile ein und durchtrennte funf oder sechs davon. Von der enormen Zugspannung befreit, schossen sie mit lautem Sirren in verschiedene Winkel des Raumes davon. Die Arme des Barons fielen kraftlos herab, und sein Kopf neigte sich zur Seite.

»Dafur wirst du zahlen!«, zischte er.

»Schicken Sie mir die Rechnung«, erwiderte Sherlock gelassen. Er wandte sich zu Virginia um und wollte ihr zu Hilfe eilen. Aber stattdessen wurde er Zeuge, wie Virginia den scharfkantigen Eisenhelm der Ritterrustung mit aller Wucht auf den Kopf von MrSurd krachen lie?. Ohnmachtig und blutuberstromt fiel der Narbenmann zu Boden.

»Gerade wollte ich dir zu Hilfe kommen«, sagte Sherlock.

»Komisch«, antwortete Virginia. »Ich dir auch.«

16

»Baron Maupertuis sei gepriesen«, seufzte Sherlock aus tiefstem Herzen,s als er die Tur zum Speiseraum hinter sich zuschlug. Da diese Tur kein Schloss hatte, warf er sein Gewicht gegen den Teakschrank, der daneben stand. Quietschend schrammten die Schrankbeine uber die Fliesen, als sich das Mobelstuck in Bewegung setzte.

»Ach, und warum bitteschon?«, blaffte Virginia und stemmte sich ebenfalls gegen den Schrank, um Sherlock zu helfen. Der Schrank glitt vor die Tur, die sich somit nicht mehr offnen lie?. »Was soll der denn fur uns getan haben?«

Auf der anderen Seite hatten Baron Maupertuis’ Diener offenbar die Tur erreicht, denn plotzlich offnete sie sich einen Spalt weit und stie? gegen den Schrank. Sie ruttelten ein paar Mal dagegen, aber der Schrank ruhrte sich nicht von der Stelle.

»Er mag es, wenn es uberall gleich aussieht, wo er lebt. Daher wei? ich auch, wo die Stalle sein mussten. Komm mit!« Er ging voraus und fuhrte sie durch den hinteren Bereich des Hauses zu einer Au?entur. Als er sicher war, dass sich keiner von Maupertuis’ Dienern drau?en aufhielt, schlichen sich Virginia und er um eine Gebaudeseite des Chateaus und stie?en dann tatsachlich auf die Stalle. Dem Sonnenstand nach zu urteilen, musste es spat am Morgen sein. Wie es aussah, hatte man sie mindestens eine Nacht lang betaubt gehalten, wahrscheinlich sogar langer.

In ihrer stets pragmatischen Art begann Virginia augenblicklich damit, die Pferde zu satteln. »Was sollen wir jetzt machen, Sherlock? Schlie?lich sind wir in einem fremden Land! Und wir sprechen noch nicht einmal die Sprache!«

»Um ehrlich zu sein, tu ich es«, erwiderte Sherlock und wurde rot.

»Tust du was?«

»Die Sprache sprechen. Jedenfalls ein wenig.«

Sie drehte sich zu ihm um und warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Wie kommt’s?«

»Mutterlicherseits stammt meine Familie von einer franzosischen Linie ab. Mutter hat stets darauf bestanden, dass wir die Sprache lernen. Das ist unser Familienerbe, hat sie immer gesagt.«

Virginia streckte die Hand nach ihm aus, um seinen Arm zu beruhren. »Du sprichst nicht viel von ihr«, sagte sie. »Du sprichst von deinem Vater und deinem Bruder, aber nicht von ihr.«

»Nein«, sagte er und spurte einen Klo? im Hals. Er wandte sich ab, damit sie ihm nicht in die Augen blicken konnte. »Tu ich nicht.«

Virginia zog nachdenklich den letzten Sattelgurt straff und beschloss, lieber das Thema zu wechseln. »Also, mal vorausgesetzt, wir sprechen die Sprache, wohin gehen wir dann? Sollen wir um Hilfe bitten?«

»Wir reiten zur Kuste«, antwortete Sherlock. »Maupertuis hat Befehl gegeben, die Bienen freizulassen. Wenn wir sie nicht aufhalten, werden die Biester Menschen umbringen. Vielleicht nicht so viele wie Maupertuis denkt, aber einige britische Soldaten werden trotzdem sterben. Wir mussen verhindern, dass man sie freilasst.«

»Aber …«

»Eins nach dem anderen«, unterbrach Sherlock sie. »Lass uns erst zur Kuste. Von da aus konnen wir meinem Bruder ein Telegramm schicken, oder was auch immer. Ich lass mir schon was einfallen.«

Virginia nickte. »Dann mal in den Sattel, gro?er Fechtmeister.«

Er grinste. »Du warst auch ziemlich gro?artig da drinnen.«

»Ja, nicht wahr«, sagte sie und erwiderte das Grinsen.

Sie bestiegen die Pferde und ritten gerade vom Chateau davon, als hinter ihnen Rufe ertonten und eine Alarmglocke zu lauten begann. Aber Sherlock wusste, dass sie eigentlich schon zu weit entfernt waren, um noch eingeholt zu werden.

Im nachsten Dorf machten sie Rast, um sich zu erkundigen, wo sie waren. Sie waren beide hungrig, hatten aber kein franzosisches Geld. Und somit blieb ihnen nichts anderes ubrig, als sehnsuchtig auf die in den Ladenschaufenstern hangenden Wurste und die in Korben drapierten Brotstangen zu starren, die so lang wie Sherlocks Arme waren. Ein Bauer erzahlte Sherlock, dass sie nur funf Meilen von Cherbourg entfernt waren. Er wies ihnen den Weg zur richtigen Stra?e, und dann ging es im Galopp weiter.

Sie waren schon eine Weile geritten, als Virginia einen anerkennenden Blick zu ihm hinuberwarf. »Nicht schlecht«, lobte sie. »Du sitzt auf dem Tier, als war’s ein Einrad und keine lebende Kreatur, aber trotzdem … nicht schlecht.«

Am Rande eines Birnbaumhaines hielten sie eine halbe Stunde spater erneut an, um sich die Taschen voller Birnen zu stopfen. Dann setzten sie ihren Weg fort, wahrend sie sich im Sattel die Fruchte schmecken lie?en und ihnen der Saft am Kinn hinunterlief. Die vorbeiziehende Landschaft war ihnen einerseits vertraut und unterschied sich andererseits doch sehr von dem, was Sherlock von England her gewohnt war. Das Pochen in seinem Kopf war fast so laut wie die auf den Boden hammernden Pferdehufe. Was sollten sie nur tun, wenn sie Cherbourg erreicht hatten? Er musste sich unbedingt etwas einfallen lassen. Und zwar schnell.

Doch als sie Cherbourg erreichten, hatte er immer noch keine Idee.

Die Stadt lag an einem Hang, der zum Hafen und dem glitzernden Blau des Meeres hin abfiel. Als die Pferdehufe wenig spater uber Kopfsteinpflaster klapperten, zugelten sie die Pferde zu einem langsamen Trott, um sich einen Weg durch die dichten Menschenmengen zu bahnen, die in den gewundenen Stra?en und Gassen Stande

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