Formblatt fur Arrest- und Prugelstrafen 1942
Arrest:
Stufe I (mittel):
Bis zu 3 Tagen. Helle Zelle. Holzpritsche. Verpflegung: Wasser und Brot; jeden 4. Tag volle Verpflegung.
Stufe II (verscharft):
Bis zu 42 Tagen. Dunkle Zelle.
Holzpritsche. Verpflegung wie bei Stufe I.
Stufe III (streng):
Bis zu 3 Tagen. Dunkle Zelle. Ohne Gelegenheit zum Liegen und Sitzen.
Verpflegung: wie bei den anderen Stufen.
Korperliche Zuchtigung:
Anzahl der Schlage: 5, 10, 15, 20, 25
Vorschriften:
Zuvor Untersuchung durch den Arzt! Schlage mit einer einrutigen Lederpeitsche kurz hintereinander verabfolgen, dabei Schlage zahlen; Entkleiden und Entblossung gewisser Korperteile streng untersagt. Der zu bestrafende darf nicht angeschnallt werden, sondern hat frei auf einer Bank zu liegen. Es darf nur auf das Gesass und die Oberschenkel geschlagen werden.
Stempel:
SS-WIRTSCHAFTS-VERWALTUNGSHAUPTAMT (WVHA)
Rentabilitatsberechnung der SS
uber Ausnutzung der Haftlinge in den
Konzentrationslagern
Taglicher Verleihlohn
durchschnittlich RM 6,-
abzuglich Ernahrung RM -,60
durchschnittl. Lebensdauer
9 Mt. = 270 ? RM 5,30 = RM 1431,-
abzuglich Bekl. Amort. RM -,10
Als Daniel aus der Arrestzelle kam – oder besser gesagt, als er herausgeholt wurde -, noch schwacher als zuvor, obwohl er nur vier Tage dort verbracht hatte, war er versucht, seinen inneren Antrieb zu verwunschen, der ihn hier in der Holle hatte am Leben bleiben lassen. Dass es vier Tage gewesen waren, wusste er, weil er jeden Abend mit dem Fingernagel eine kleine Kerbe geritzt hatte, um das Zeitgefuhl nicht zu verlieren.
Irgendwelche Erklarungen gab es nie, und man hielt sich hier auch nicht an Vorschriften. Sein Vergehen, und das seines Kameraden von der benachbarten Pritsche, war es gewesen, unglucklicherweise an einem jener dunklen und eisigen Morgen verschlafen und die Baracke nicht rechtzeitig verlassen zu haben. Sein ganzer Korper schmerzte noch von den Peitschenhieben, die er vor dem Arrest erhalten hatte, und von der harten Holzpritsche, die viel zu kurz fur ihn war: absichtlich, davon war er uberzeugt. Dabei befand er sich im Vergleich zu den anderen Haftlingen gewisserma?en in einer privilegierten Lage. Denn immerhin erwartete man ihn zur Arbeit im Haus des Lagerkommandanten zuruck. Schwer zu sagen, wie lange seine Bestrafung sonst gedauert hatte.
Er hauchte auf seine steif gefrorenen Finger; seit vielen Monaten hatte er das Schacharit, das alte, in der Kindheit erlernte Morgengebet, vergessen. Nach dem Appell, der ihn noch mehr hatte frosteln lassen, machte er sich an die Arbeit und dachte daran, dass es mittags wenigstens eine warme Mahlzeit geben wurde, eine wassrige Rubensuppe. Die Arrestzellen befanden sich neben dem Appellplatz, dem hochstgelegenen Ort dieser Holle, wo man sie auch antreten lie?, um Exekutionen beizuwohnen.
Das
Glucklicherweise, dachte er, haben sie mir keine weitere Bestrafung auferlegt, wie etwa eine Tracht Prugel als Denkzettel bei der Entlassung; dennoch: Man konnte sich nie irgendeiner Sache sicher sein, denn in den etwas abseits gelegenen Lagern wurden die geltenden Vorschriften nicht strikt befolgt. Da er genau vier Tage zuvor beim Vollzug von Zuchtigungen hatte anwesend sein mussen, wusste er Bescheid und hatte es daher vorgezogen, sich lieber selbst auf die Bank zu legen und Oberkorper und Gesa? zu entblo?en, noch bevor sie ihn dazu hatten notigen konnen.
Er hatte sich an die Bank geklammert und nichts weiter als die Zahl jedes einzelnen der funfundzwanzig Peitschenhiebe herausgeschrien. Und weil er sich trotz der Schmerzen, die sie ihm zufugten, nicht verzahlt hatte, begannen sie ihn nicht noch einmal zu schlagen, womit sie sich sonst haufig Vergnugen verschafften.
Bis zu jenem Tag war er von den »offiziellen« Peitschenhieben verschont geblieben – wenn auch nicht von den ublichen Schlagen und Tritten. Der Arzt mit den stahlgrauen, kalten Augen hatte nach einer nur oberflachlichen Untersuchung nicht gezogert, seine Genehmigung fur die korperliche Zuchtigung der beiden Barackenkameraden auf das Formular zu setzen. Soweit Daniel wusste, hatte er noch nie einen Antrag abgelehnt. Ihm schauderte vor dem Blick dieses Arztes, dessen Augen ihm standig gefolgt waren – wer konnte schon sagen, ob er ihn nicht bereits fur kunftige Qualen bestimmt hatte.
Die alteren Haftlinge sprachen immer wieder von einer noch schlimmeren Holle, von Reisen ohne Wiederkehr zu anderen Lagern mit furchteinflo?enden Namen. Sie berichteten jedoch auch von einer Art kleinem Paradies, einer Fabrik, in der eine zusatzliche Essensration ausgeteilt und niemand misshandelt wurde. Daniel wollte aber weder verzagen noch traumen: Die Arbeit erforderte Konzentration, und heute fiel sie ihm besonders schwer. In der Zelle war die Brotration noch winziger ausgefallen als drau?en, gerade gro? genug zum Uberleben. Wahrend er sich seiner Arbeit so gut er konnte widmete, ohne sich auszuruhen und sogar froh, dass man ihn nicht in den Steinbruch geschickt hatte, dachte er an die Eingebung, die ihm – zumindest fur unbestimmte Zeit – das Leben gerettet hatte.
»Beruf?«
Nicht jeder hatte das Gluck, diese dem Anschein nach harmlose Frage auch nur gestellt zu bekommen. Diejenigen, die von vornherein fur den Tod bestimmt waren, standen bereits in einer anderen Reihe: viele Kinder, Greise, altere Frauen und Kranke.
Er antwortete rasch: »Tischler, Mobeltischler.« Es war eine Halbwahrheit. Diese Antwort war hinter seiner