An einer der Turen entstand Bewegung. Fidelma lachelte bitter, als sie sah, da? Scandlans Platz leer war. Der Oberrichter hatte es auch bemerkt, winkte ein Mitglied der
»Dein Vetter kommt nicht aus der Abtei heraus«, erklarte er Salbach.
»Was spielt das jetzt noch fur eine Rolle?« Salbach zuckte die Achseln. »Ich habe meine Schuld in dieser Angelegenheit zugegeben. Ich bin bereit, das Urteil auf mich zu nehmen. Wahrscheinlich werde ich meinen Reichtum und meinen Furstentitel verlieren und ins Exil gehen mussen. Dazu bin ich bereit. Ihr konnt das Urteil auch sofort fallen.«
In dem Tumult, der ausgebrochen war, hatte sich Forbassach erhoben. Er lachelte schief.
»Wir sind Schwester Fidelma dankbar dafur, da? sie uns den Schuldigen entdeckt hat. Doch ich mu? darauf hinweisen, da? Salbach als Furst der Corco Loigde im Treueverhaltnis zu Cashel steht. Fidelma hat bewiesen, da? die Verantwortung fur den Tod Dacans bei Cashel liegt. Unser Anspruch auf Osraige als Suhnepreis dafur ist also nach wie vor gerechtfertigt.«
»Das stimmt anscheinend«, stellte Oberrichter Bar-ran fest. »Oder ist das noch nicht alles, was du uns zu berichten hast, Schwester Fidelma?«
»Allerdings«, bestatigte Fidelma. »Denn ich beschuldige Salbach nicht der Ermordung Dacans. Er ist nur verantwortlich fur den Mord an all den Kindern, fur den Tod der Menschen, die ich genannt habe. Weder er noch Grella haben den Ehrwurdigen Dacan umgebracht.«
Ein erregtes Murmeln ging durch die Banke von Mu-man, als Schwester Fidelma das sagte. Colgu hatte schon ein langes Gesicht gemacht. Ihm war klar gewesen, welche Schlu?folgerung Forbassach zwangslaufig ziehen wurde. Jetzt schaute er seine Schwester verblufft an.
»Wenn es nicht Salbach war, der Dacan umbrachte«, fragte der Oberrichter, »willst du dann dieser Versammlung endlich verraten, wer es war?«
»Dazu kommen wir auf ganz logischem Wege«, erwiderte Fidelma. »Doch kehren wir zuerst noch einmal zu dem Tag zuruck, an dem Dacan beim Studium der hier in der Bibliothek vorhandenen Genealogien entdeckte, wo sich die Erben Illans aufhielten. Wie ich schon sagte, setzte er sich hin und schrieb einen Brief an seinen Bruder Noe.«
Noe beugte sich vor und sprach schnell auf Forbas-sach ein.
Wieder einmal sprang der hitzige Anwalt auf.
»Es gibt keinen Beweis dafur, da? Dacan, selbst wenn er mit einer solchen Nachforschung beschaftigt war, dem Abt Noe daruber berichtete; es gibt keinen Beweis dafur, da? er uberhaupt darum gebeten wurde, dem Abt zu berichten. Angesichts dessen ist diese Behauptung eine Beleidigung des Abts und des Konigs Fianamail von Laigin.«
»Das bestreite ich«, erklarte Fidelma mit Entschiedenheit. »Ich habe beantragt, Assid von den Ui Dego zu der Verhandlung vorzuladen. Ist er anwesend?«
Ein wohlgebauter Mann mit dem wiegenden Gang eines Seemanns kam nach vorn. Sein Gesicht war gebraunt und sein Haar von der Sonne gebleicht.
»Ich bin Assid«, erklarte er in beinahe trotzigem Ton. »Ich erscheine vor dieser Versammlung auf Befehl des Oberrichters, doch gegen meinen Willen, denn ich habe nicht die Absicht, meinem Konig zu schaden.«
Er stand mit gekreuzten Armen vor dem
»Das moge im Protokoll festgehalten werden«, wies der Oberrichter seinen Sekretar an.
»Moge es festgehalten werden, da? Assid in der Tat ein treuer Untertan Fianamails von Laigin ist«, fugte Fidelma lachelnd hinzu.
»Das bestreite ich nicht«, erklarte Assid mi?trauisch.
»Bist du Kapitan und Eigner eines Kustenhandelsschiffs?«
»Das bestreite ich auch nicht.«
»Seit ungefahr einem Jahr treibst du Handel zwischen Laigin und dem Gebiet der Corco Loigde?«
»Das bestreite ich wiederum ebenfalls nicht.«
»Und du hieltest dich in der Abtei auf in der Nacht, in der der Ehrwurdige Dacan starb?«
»Das ist allgemein bekannt.«
»Du verlie?est die Abtei am selben Tag und fuhrst direkt nach Laigin. Du begabst dich nach Fearna und meldetest Fianamail und Abt Noe die Ermordung Dacans.«
Assid zogerte und nickte langsam. Er versuchte zu erraten, worauf Fidelma hinauswollte.
»Deshalb war Laigin in der Lage, in dieser Angelegenheit so schnell zu reagieren.« Fidelma richtete diese Worte als Erklarung an die Versammlung, nicht als Frage an Assid. »Sage uns, Assid, denn ich hatte vorher keine Gelegenheit, dich zu vernehmen, wie verlief jener Abend in der Abtei? Sage uns, wann du den Ehrwurdigen Dacan zuletzt lebend gesehen hast und wann du von seinem Tod erfuhrst?«
Assid gab seine aggressive Haltung auf und stutzte sich haltsuchend mit dem Gewicht seines Oberkorpers auf die Schranke vor ihm.
»Es stimmt«, sagte er langsam, an den Oberrichter gewandt, »da? ich an dieser Kuste Handel treibe und beschlossen hatte, Ros Ailithir anzulaufen und mich eine Nacht im Gastehaus der Abtei auszuruhen. Dort traf ich den Ehrwurdigen Dacan ...«
»Den du als einen Bekannten begru?test?« unterbrach ihn Fidelma.
Assid zogerte und zuckte die Achseln.
»Wer in ganz Laigin kennt den Ehrwurdigen Dacan nicht?« konterte er.
»Aber du kanntest ihn besser als die meisten Leute, denn du begru?test ihn als einen alten Freund. Dafur gibt es einen Zeugen«, setzte sie hinzu fur den Fall, da? er es leugnen wollte.
»Dann bestreite ich es nicht«, erwiderte Assid.
»Ich frage mich, weshalb du Ros Ailithir anliefst? War es reiner Zufall? Nein. Es gibt noch andere Gastehauser an der Kuste. Du hattest sogar in Cuan Doir ubernachten konnen. Doch du kamst hierher. Das la?t mich vermuten, da? du dich mit Dacan verabredet hattest.«
Assid schaute unbehaglich drein. Offensichtlich hatte Fidelma mit ihrer Annahme recht.
»Also fragte ich mich, warum du dieses Treffen mit Dacan verabredet hattest. Sagst du es uns, oder soll ich es erklaren?«
Assid versuchte ein Zeichen von den Banken von Laigin zu erhaschen.
Fidelma holte die Buchtasche von der Bank, auf der sie gesessen hatte, und nahm mehrere Stucke Pergament heraus.
»Ich lege hier als Beweisstuck den Entwurf eines Briefes von Dacan an seinen Bruder, Abt Noe, vor, in dem er diesen davon unterrichtet, da? er den Aufenthaltsort eines uberlebenden Erben Illans entdeckt hat, und er tut das in Worten, die kaum einen Zweifel daran lassen, da? er mit dieser Nachforschung beauftragt war und da? er damit rechnete, da? sein Bruder daraufhin etwas unternehmen werde.
Zum Gluck fur uns machte Dacan einen Tintenfleck auf diesen Entwurf. Als peinlich genauer und systematischer Mensch legte er ihn beiseite und schrieb einen neuen Brief. Entweder verga? er, den Entwurf zu vernichten, oder er wurde ihm gestohlen, bevor er das tun konnte. Jedenfalls befand er sich im Besitz von Schwester Grella, und deshalb konnen wir beweisen, da? Dacan im Auftrag seines Bruders handelte.«
Fidelma machte sich nicht die Muhe, zu den Banken von Laigin hinuberzusehen. Dort war es merkwurdig still, wahrend Barran das Beweisstuck prufte, das Fidelma ihm gereicht hatte.
»Und du sagst, da? Assid die Reinschrift dieses Briefes erhielt und den Bericht zu Noe brachte?« fragte Barran.
Fidelma neigte bejahend den Kopf.
Der Oberrichter wandte sich an Forbassach als den Anwalt fur Laigin. Seine Miene war finster.
»Forbassach, die Beweislage ist klar. Ich mu? dich jetzt warnen. Der Gesetzestext, das
»Gibst du das zu, Assid, oder leugnest du es?« fragte sie.
Assid lie? den Kopf hangen.