»Ich gebe zu, da? ich herkam, um eine Botschaft von Dacan abzuholen und sie seinem Bruder Noe zu bringen. Nach dem Abendessen traf ich mich mit Da-can, und er gab mir den Brief. Wir wechselten ein paar erregte Worte, weil er mir nicht sagen wollte, was darin stand, und mir einen Eid abnahm, da? ich ihn nicht offnen wurde. Ich habe immer noch keine Ahnung, was in dem Brief stand. Dann ging ich zu Bett. Am Morgen horte ich, da? Dacan umgebracht worden war. Bruder Rumann, der Verwalter der Abtei, fragte mich, wo ich mich wahrend der Nacht aufgehalten hatte. Als ihm klar war, da? ich nichts wu?te, gab er mir die Erlaubnis abzureisen. Ich verlie? die Abtei und fuhr direkt nach Laigin. Den Brief nahm ich naturlich mit. Ich berichtete Abt Noe, was geschehen war. Das ist alles, was ich mit dieser Sache zu tun habe.«

»Noch ein paar Fragen. Wann hast du Dacan zuletzt lebend gesehen?«

»Gleich nach der Completa, dem letzten Gottesdienst des Tages. Kurz nach Mitternacht, wurde ich sagen.«

»Wo hast du ihn gesehen?«

»In seinem Zimmer, als er mir den Brief ubergab.«

»Und wo war dein Zimmer?«

»In dem Stockwerk uber Dacans.«

»Du hast also nichts gehort, nachdem du ihn verlassen hattest? Zu welcher Zeit war das?«

Assid zog die Brauen zusammen und versuchte sich zu erinnern.

»Nach Mitternacht. Ich horte nur noch etwas, als ich die Treppe hinaufging. Ich horte, wie Dacan nach der jungen Novizin klingelte, die uns im Gastehaus bediente. Ich horte, wie er zu ihr sagte, sie solle ihm Wasser bringen.«

»Du kannst jetzt abtreten, es sei denn, Forbassach will dir noch Fragen stellen.«

Forbassach hatte sich schnell mit dem grimmig dreinblickenden Abt Noe besprochen. Er antwortete, er habe keine Fragen an Assid.

Fidelma wandte sich nun an den Oberrichter.

»Wir haben gehort, da? es Dacan gelungen war, den Aufenthalt der Erben Illans zu ermitteln. Er berichtete seinem Bruder Noe, da? er am nachsten Tag nach Sceilig Mhichil aufbrechen werde, um sie dort zu finden.«

»Meinst du damit, da? er getotet wurde, weil man ihn daran hindern wollte?« fragte Barran.

»Er wurde getotet, weil man furchtete, er wurde Il-lans Erben Schaden zufugen.«

»Aber du hast doch erklart, die Sohne Illans waren bereits aus Sceilig Mhichil abgeholt und Schwester Eisten in Obhut gegeben worden. Stimmt das nicht?«

»Die Geschichte wird kompliziert. Als Illan getotet wurde, gab man seine Sohne einem seiner Vettern in Pflege, der sie aufziehen sollte.«

Fidelma fuhr herum und zeigte auf die Banke, wo die Angehorigen der Abtei sa?en.

»Es war Bruder Midach aus dieser Abtei, der der Pflegevater der beiden Jungen wurde, die man in Scei-lig Mhichil als Primus und Victor kannte.«

Midach sa? unbewegt da. Auf seinem Gesicht war ein leichtes Lacheln eingefroren. Er schwieg. Fidelma fuhr fort: »Dacan glaubte, Illans Vetter Pater Mel von Sceilig Mhichil sei der Pflegevater. In der Hinsicht hatte er das Testament nicht sorgfaltig genug gelesen. Darin hei?t es eindeutig: >Die Entscheidung des Ehrenwerten bestimmt die Pflegschaft meiner Kinder.< Wei? hier nicht jeder, da? der Name Midach >der Eh-renwerte< bedeutet? Midach wurde als aite oder Pflegevater der Sohne Illans eingesetzt.

Entweder aus Mi?trauen oder durch Zufall las Mi-dach die Aufzeichnungen Dacans in der Bibliothek und erkannte, da? der alte Gelehrte nach den Kindern Illans suchte. Dacan uberraschte Midach, als der in seinen Aufzeichnungen las, und sie gerieten in Streit. Bruder Martan kann das bezeugen. In Sorge um seine Schutzlinge verlie? Midach die Abtei noch am selben Abend und fuhr nach Sceilig Mhichil. Er holte die Jungen dort weg und brachte sie zu Schwester Eisten, seiner fruheren Schulerin. Er konnte sie danach noch ein paarmal besuchen unter dem Vorwand, das Dorf mit Medikamenten gegen die Gelbe Pest zu versorgen. Er wurde dort gesehen und mir beschrieben. Die wahren Namen der Kinder Illans sind Cetach und Cos-rach. Wurde man diese Namen ins Lateinische ubersetzen, ergabe das Primus und Victor, wie sie auf Scei-lig Mhichil genannt wurden.

Midach war entsetzt, als er erfuhr, da? Intat Rae na Scrine uberfallen hatte. Er glaubte, Dacan arbeite fur Salbach und durch ihn fur Scandlan von Osraige. Er wu?te leider nicht, da? Grella an der Intrige beteiligt und Eistens Seelenfreundin war. Nach dem Uberfall auf das Dorf stellte er fest, da? seine Schutzlinge noch lebten und in der Abtei in Sicherheit waren. Er wollte die beiden Jungen aber au?er Landes schaffen und bat Schwester Eisten, sich um eine Uberfahrt mit einem Schiff zu kummern.

Cetach, der altere Junge, hatte erfahren, da? Salbach nach ihnen suchte. Als Salbach hierher kam, bat er mich deshalb instandig, weder ihn noch seinen Bruder dem Fursten gegenuber zu erwahnen. Dann verschwanden beide.

Wahrend Midach die Kinder versteckte, wollte Eisten eine Uberfahrt auf einem Handelsschiff buchen. Erst geriet sie an das falsche Schiff, denn sie fragte einen Matrosen des Kriegsschiffs aus Laigin unter dem Kommando von Mugron. Unglucklicherweise wurde sie dann von Intat entdeckt. Den Rest der Geschichte kennen wir. Trotz Folter verriet Eisten nicht, wo sich die Jungen befanden, und Intat erschlug sie aus Wut. Die Kinder mu?ten in ihrem Versteck bleiben, bis Midach sie in Sicherheit bringen konnte.«

Fidelma hielt inne, denn ihre Kehle war trocken geworden.

Barran nutzte die Gelegenheit, um Midach etwas zu fragen.

»Leugnest du diese Geschichte oder einen Teil davon?«

Midach sa? mit gekreuzten Armen reglos da.

»Ich bestatige sie nicht und leugne sie nicht.«

Der Oberrichter wandte sich wieder an Fidelma.

»Es gibt einen Punkt in deiner Erklarung, in dem ich dir nicht folgen kann. Du hast dich noch nicht zu Dacans Tod geau?ert, und so wichtig all diese Ereignisse auch sind, ist das doch der Hauptgrund fur den von Laigin erhobenen Anspruch.«

»Dazu komme ich noch, Barran«, versicherte ihm Fidelma.

»Midach verbarg Cetach und Cosrach hier in der Abtei, wo sie noch versteckt sind. Ich glaube, wir konnen sie jetzt ohne Gefahr aus der Grabstatte des heiligen Fachtna herausholen, denn sie stehen unter dem Schutz des Gro?konigs. Ist es nicht so?«

Diese Frage war an Sechnassach gerichtet.

Der Gro?konig beantwortete Fidelmas fragenden Blick mit einem knappen Lacheln.

»Sie stehen unter meinem Schutz, Fidelma von Kil-dare.«

»Midach, holst du sie her?«

Der Arzt erhob sich unsicher. Zum Sprechen war er zu erschuttert.

»Wenn du zu der Statue des Cherubs hinter dem Hochaltar gehst und sie eine halbe Wendung nach links drehst, gibt sie den Mechanismus frei, der die Steinplatte bewegt«, sagte Fidelma. Midach blieb vor Uberraschung der Mund offen.

»Wie hast du das herausgefunden?« fragte er entgeistert.

»Die Stufen fuhren hinunter in das geheime Grabmal des heiligen Fachtna, des Grunders dieser Abtei«, fuhr Fidelma fort. »Dort halten sich Cetach und Cos-rach seit dem Tode Schwester Eistens versteckt. Ist das nicht so, Midach?«

Midach lie? resigniert die Schultern sinken.

»Es ist so, wie sie sagt«, murmelte er. »Sie wei? anscheinend alles.«

Auf einen Wink Sechnassachs folgten zwei Mann seiner Leibgarde den Anweisungen Fidelmas und holten gleich darauf zwei schwarzhaarige Jungen aus dem unterirdischen Grabmal heraus. Angstvoll schauten sie auf die vielen Menschen.

Der Oberrichter beeilte sich, ihnen zu sagen, da? sie sich in Sicherheit befanden.

Forbassach war aufgesprungen.

»Ich mu? darauf hinweisen, da? wir aus Laigin nicht die geringste Absicht hegen, diesen Jungen Schaden zuzufugen . falls sie wirklich die Sohne Il-lans sind.«

»Sie sind die Sohne Illans«, bestatigte Fidelma. »Und wenn die schwarze Farbe aus ihrem Haar herausgewaschen ist, werdet ihr zwei kupferrote Schopfe erblicken. Midach farbte ihnen das Haar als zusatzliche Vorsichtsma?nahme, als er sie zu Schwester Eisten brachte. Stimmt das nicht?«

Midach schien zu niedergeschlagen, um zu antworten.

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