langen Phase der rasch wechselnden »Soldatenkaiser« durch eine Verteilung der Kaiserwurde auf drei weitere Mitregenten zu stabilisieren. Wahrend seiner Regierungszeit sollte es aber auch zu den letzten (und schwersten) Christenverfolgungen kommen.
Die wurden erst durch seinen Nachfolger - Konstantin der Gro?e, der von 306 bis 337 regierte - beendet. Dessen Herrschaft ist vor allem aus zwei Grunden bemerkenswert: Erstens bedeutet sein Bekenntnis zum Christentum eine entscheidende Wende (»Konstantin-ische Wende«) in der abendlandischen Geschichte. Vor der Schlacht an der Milvischen Brucke am Nordrand von Rom soll dem Kaiser eine kreuzformige Lichterscheinung, die er als Botschaft von Jesus Christus verstand, ein Siegeszeichen gesandt haben. Konstantin habe es auf die Schilde seiner Soldaten malen lassen - so eine Lesart der frommen Legende - und seinen Rivalen Maxentius vernichtend geschlagen. Religion und Staat waren bei den Romern stets eng verknupft, und deshalb dauerte es auch nicht mehr lange, bis das Christentum neben dem Judentum zur einzigen
Zweitens veranlasste der Kaiser den gro?zugigen Ausbau der Stadt Konstantinopel - heute Istanbul -, die er am 11. Mai 330 zu seiner wichtigsten Residenz gemacht und offiziell in
14. Wo die Erde den Himmel beruhrt
Jerusalem ist ein Ort, an dem mit Handen zu greifen ist, dass Religionsgeschichte nicht nur ein Teil der Geistesgeschichte ist, sondern Teil der politischen Weltgeschichte, in der es um Besitz- und Machtanspruche geht, um Territorien, um Ressourcen, um Geld. Auf dem Tempelberg drangen sich auf engem Raum die steinernen Zeugen dreier Traditionen: der judischen, der christlichen und der muslimischen. Zugleich aber sto?en mit den drei religiosen Weltsichten harte politische Positionen aufeinander. Was wir Religionskriege nennen, sind ja immer auch gewalttatige Auseinandersetzungen um hochst irdische Dinge, sind rucksichtslose Eroberungen und harte soziale Veranderungen. Selbst wenn zwei Religionen aufeinandertreffen, sind sich beide bald neidisch und kampfen um Einfluss, Macht und Geld.
Gemeinsam ist den Religionen, die auf Abraham, Jesus und Mohammed zuruckgehen, der Glaube an einen einzigen Gott. Alle drei verstehen sich als Religionen des Buches (Juden und Christen ist die Bibel heilig, den Muslimen der Koran) und als »Offenbarungsreligionen«, die sich darauf berufen, dass Gott sich ihren Propheten gezeigt, zu erkennen gegeben hat, wie es in den heiligen Schriften bezeugt ist, etwa in 2. Mose 33,11: »Der Herr aber redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Freund mit einem Freunde redet.« Judentum, Christentum und Islam unterscheiden sich durch diesen Glauben an einen einzigen Gott von allen Religionen, die die Welt und den Weg der Menschen durch die Geschichte mit der Prasenz und dem Wirken mehrerer Gottheiten erklaren.
In Jerusalem, einer der altesten Stadte der Erde, bringen die archaologischen Ausgrabungen immer deutlicher an den Tag, in welchem Ausma? vor allem der Tempelberg die historische Bedeutung der judischen, christlichen und islamischen Geschichte reprasentiert. Der Bezirk des vom judischen Konig Salomo um 950 v. Chr. erbauten, im Jahr 586 v. Chr. vom babylonischen Herrscher Nebukadnezar zerstorten, spater wieder aufgebauten, von Herodes dem Gro?en vollig erneuerten und schlie?lich im Jahr 70 n. Chr. im Krieg mit den Romern endgultig zerstorten Tempels ist im Lauf seiner Geschichte zu einem Heiligtum fur Juden, Christen und Muslime geworden. Die Juden verbinden den Berg mit Abraham, der auf dem Fels seinen Sohn Isaak opfern sollte, mit dem Allerheiligsten des Tempels sowie mit David und Salomo; die Christen mit der Predigt des Jesus von Nazareth; die Muslime mit dem Felsendom, dessen goldene Kuppel uber die Altstadt leuchtet, und mit der benachbarten Al-Aksa-Moschee, vor allem aber mit der legendaren Himmelfahrt Mohammeds, die von hier ihren Ausgang nahm.
Wenn es irgendwo auf diesem Planeten einen Ort gibt, an dem die blut- und hasserfullte Geschichte von Juden, Christen und Muslimen auf einen Weg des Verstehens und Versohnens gebracht werden konnte, dann ware es der Tempelberg in Jerusalem. Die heutigen Zugangsregelungen spiegeln jedoch zunachst nur die unversohnlichen Anspruche, die den Ort zu einem der umstrittensten Platze der Erde machen. Kann es wahr sein, dass hier der Himmel die Erde beruhrt? Betrachten wir - nach der judischen Religion zwei Kapitel zuvor - zunachst den Weg der Christen. Dem Islam werden Sie wieder begegnen, wenn im siebten Jahrhundert der Religionsstifter Mohammed in die Geschichte eintritt.
Der Glaube der Christen hat seine Wurzeln im Judentum. Wie in jeder Religion gehort auch im Judentum der standige Abgleich zwischen Ideal und Lebenswirklichkeit zu den zentralen Aufgaben der Verantwortlichen. Hier aber ist dieser Prozess der Uberprufung besonders stark ausgebildet, weil die extremen Schicksalsschlage, von denen dieses machtlose Volk heimgesucht wurde, erklart und diskutiert werden mussen: Wie konnen diese Ungeheuerlichkeiten geschehen, wenn der Gott des judischen Glaubens doch starker als die anderen Gotter, ja allmachtig ist, die ganze Welt erschaffen hat und sein Volk durch die Geschichte begleitet? Die Losung dieser Frage fallt den Propheten zu, und deren Antwort lautet: Ihr habt euch alles selber zuzuschreiben, weil ihr vom rechten Weg abgewichen seid. Ihr selbst seid an allem schuld.
Diese Uberlastung des Schuldbewusstseins lasst die Sehnsucht nach einem Ent-Schuldner, einem Erloser, wachsen, der fur alle Sunden des Volkes bezahlt. Unterschiedliche religiose Bewegungen formulieren diese Sehnsucht nach einem Messias, der beim Untergang der Welt die Menschenseelen rettet. Wanderprediger rufen zur Umkehr zu den Werten der judischen Tradition auf, offnen aber auch das religiose Bewusstsein fur neue Perspektiven. Einer von diesen Predigern ist Jesus von Nazareth, mit dem seine Anhanger ein neues Zeitalter heraufkommen sehen.
Als der romische Kaiser Augustus ein Imperium regiert, das von Kleinasien bis nach Britannien und von Nordafrika bis in die Walder Germaniens reicht, wird in der galilaischen Provinz ein Junge geboren, der bald als Rabbi, als judischer Lehrer, durchs Land zieht und in seinem Umfeld zur Erneuerung von Religion und Moral aufruft, dabei in religiose und politische Konflikte gerat und - im Zusammenspiel von judischen Wurdentragern und staatlichen Machthabern - als politischer Rebell zum Tode verurteilt und gekreuzigt wird.
Mit den historischen Tatsachen, die uns uberliefert werden, verhalt es sich mitunter merkwurdig. Das scheinbar Nebensachliche erreicht uns zweifelsfrei und mit einer Fulle an Details. Das aber, was wir vorrangig und sehr viel genauer geklart haben mochten, entzieht sich unseren Blicken und bleibt im Nebel der Geschichte.
Mussen wir erfahren, dass Konig Herodes ein herausragender Sportler war, beruhmt als Ringer und Speerwerfer, der nach griechischem Vorbild nackt und sorgfaltig eingeolt trainierte? Reicht es nicht zu wissen, dass er - wie viele Machthaber vor und nach ihm -alle aus dem Weg raumte, die ihm den Thron hatten streitig machen konnen? Dass er andererseits aber ein durchaus weitsichtiger Herrscher war, der die Konflikte zwischen Romern, Juden und anderen Bevolkerungsgruppen nicht eskalieren lie?? Und dass ihm der sogenannte »bethlehemitische Kindermord« (mit Sicherheit) nicht anzulasten ist? Wie sparlich nehmen sich dagegen die Kenntnisse uber Jesus von Nazareth aus, uber den wir gern mehr, viel mehr in Erfahrung bringen mochten!
Andererseits aber ist der Glaube dort besonders stark, wo ihm das Wissen den Platz nicht streitig macht. Und eines auf jeden Fall ist gesichert: Jesus, die bedeutendste Gestalt der Weltgeschichte, zumindest der westlichen, war tatsachlich eine historische Person. Damit wir aber nicht unsere gesamte Zeitrechnung und damit die komplette Zivilisation in Frage stellen, finden wir uns, wie paradox das auch klingen mag, mit der Tatsache ab, dass er nicht im Jahr 4 v. Chr., sondern tatsachlich um die Zeitenwende das Licht der Welt erblickte und dass dies nicht - wie es die Bibel gern hatte - in Bethlehem, sondern in Nazareth geschah. Er durfte mehrere Bruder und Schwestern gehabt haben und lernte den Beruf seines Vaters, der Zimmermann war. Mit rund siebzig Anhangern - darunter die zwolf Apostel und Maria Magdalena - zieht er im Jahr 30 n. Chr. zum Passahfest nach Jerusalem. Auch wenn Sie nicht bibelfest sind, durfte ihnen der weitere Ablauf der Ereignisse in der Version der Heiligen Schrift bekannt sein.
Aber blicken wir noch einmal zuruck in das Jahr 28, als Jesus seinen Beruf aufgibt und seine Familie verlasst. Sein erster Schritt in die Offentlichkeit hat mit Johannes dem Taufer zu tun. Offenbar will Jesus das Lebenswerk