dieses Bu?predigers fortsetzen, nachdem Herodes Antipas, einer der Sohne Herodes’ des Gro?en, den lastigen Moralisten Johannes hatte ermorden lassen. Jesus gibt dieser Nachfolge ein eigenes Gesicht. Er verzichtet darauf zu taufen, setzt auf das Wort und die helfende Tat. Er zieht sich nach Galilaa zuruck und beginnt, Junger um sich zu sammeln. Er erklart, das »Reich Gottes« stehe unmittelbar bevor. Er erlautert diese Botschaft vor allem in Gleichnissen, zum Beispiel denen vom Unkraut unter dem Weizen oder vom Senfkorn, das am Anfang sehr klein ist, am Ende aber eine gro?e Pflanze hervorbringt. Jesus erinnert an die Propheten, kritisiert die Verkrustung der Tradition und formuliert eine neue Freiheit: die Befreiung von religios verbramten Machtanspruchen und Bevormundungen. Sein fruher Tod ermoglicht seinen Jungern, das Wunder der Auferstehung als »frohe Botschaft« zu interpretieren und weiterzuentwickeln.
Die Umstande seines Todes lassen, trotz der Berichte seiner engsten Anhanger, viele Fragen offen: Die Hinrichtung durch offentliche Kreuzigung war nach romischem Recht nur fur politische Rebellen und Aufstandische vorgesehen. Das judische Recht verbietet, dass Urteil und Vollstreckung an einem einzigen Tag stattfinden. Ganz undenkbar aber war eine Hinrichtung am Passahfest. Die Evangelien sehen dieses Problem und erklaren den unerhorten Vorgang mit dem Zusammenwirken der romischen und der judischen Autoritaten und der ungewohnlichen Einigkeit in diesem Verfahren
Die Widerspruche der verschiedenen Uberlieferungen lassen sich historisch nicht mehr auflosen. Das christliche Selbstverstandnis hat sich jedoch davon unabhangig gemacht. Die Kirche der Anhanger Jesu ubernimmt durch ihre Existenz die Garantie fur eine authentische und ununterbrochene Verbindung zum historischen Jesus. An diesen Jesus werden die Kultformen des ersten und zweiten Jahrhunderts n. Chr. angekoppelt, um die Glaubenswelt der heidnischen Mysterien in der Geschichte des Jesus von Nazareth zu verankern.
Dies ist gelungen. Am Beginn des dritten Jahrtausends verstehen sich etwa 1,9 Milliarden Menschen als Christen. Sie alle berufen sich auf die geheimnisvolle und in jeder Hinsicht faszinierende Gestalt, die am Anfang steht und den Glaubigen den Namen gab: Jesus Christus. Das Profil des historischen Jesus ist zwar nur wie in einem Schattenriss zu erkennen. Aber trotzdem wird das Charakteristische und Einmalige der Gestalt und ihrer Wirkungsgeschichte sichtbar.
In den Jahrzehnten nach seinem Tod gibt es unter den Anhangern Jesu eine zunachst mundliche, dann auch schriftliche Uberlieferung der Spruchweisheiten und Anekdoten seines Lebens, aber auch die Erzahlung vom Tod und der Auferstehung Jesu. Unterschiedliche Autoren haben die Lebens- und Weltanschauung dieses Jesus von Nazareth aufgeschrieben, als Evangelium, als frohe Botschaft verbreitet und in ein Geschichtsbild eingefugt, das von der Vision bestimmt ist, dass alles Leben auf dem Planeten einem Ziel, einer Endzeit zustrebt, sich also nicht in einem ewigen Kreislauf wiederholt. Dieses Ziel wird als »Jungstes Gericht« und »neue Schopfung«, als »himmlisches Jerusalem« und als »Gottesherrschaft« charakterisiert. Der Anbruch der »Konigsherrschaft Gottes« ist der zentrale Begriff in der Verkundigung des Jesus von Nazareth. Er bezeichnet zugleich das Ende der Geschichte und den Beginn von Frieden und Wohlstand. Nach dieser Vision ist das Ende der gegenwartigen Welt mit Krieg und Verwustung, Umweltkatastrophen und kosmischen Desastern verbunden. Zu dieser apokalyptischen Weltsicht gehort auch die Erwartung, dass Weltende und Neubeginn unmittelbar bevorstehen.
Jesus bleibt also im Rahmen der judischen Endzeiterwartung. Seine Anhanger haben dieses Geschichtsbild weiterentwickelt, nachdem das Weltende nicht stattgefunden und die Historie ihren Lauf genommen hatte. In der Urgemeinde entsteht daraufhin die Idee der Kirche. Sie ist die Gemeinschaft, die in Jesus den erwarteten Messias, den
Unter dem Einfluss des ersten gro?en christlichen Theologen, des Apostels Paulus, offnet sich die Gemeinde fur die hellenistische Kultur und die au?erjudische Welt. Die Dialektik zwischen »schon jetzt« und »noch nicht« wird fur das Schicksal des Einzelnen fruchtbar gemacht. Dennoch bleibt das Christentum eine auf die Zukunft ausgerichtete Religion, die sich in einer Verantwortungsethik verwirklicht. Die Geschichte ist eine Entscheidungssituation, die nur vom Ende her gedacht und bewaltigt werden kann. Die Zeit ist nicht mehr
Die Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten ist nicht auf staatliche Forderung oder gar auf militarische Eroberungen zuruckzufuhren. Im Gegenteil: Die Zahl der ChristusAnhanger wachst trotz Unterdruckung und Verfolgung. Dabei spielt sicherlich die Faszination fur die Person Jesu eine Rolle. Aber die Anmutung eines Heimat gebenden Gemeindelebens durfte ebenso entscheidend gewesen sein: die Solidaritat unter den zumeist armen Mitgliedern und die Atmosphare von Hoffnung und Zukunftskraft.
Wo immer das Christentum Fu? fassen konnte, veranderte es die Kultur der Bevolkerung. Das Vehikel der Christianisierung war die Bildung; eine ihrer wirksamsten Antriebskrafte waren die Monche, die in der Geschichtsschreibung meist zu kurz kommen. Die Monchsorden, die in ihren Klostern Gemeinschaften bildeten, verankerten Glauben, Kultur und Zivilisation im Leben der Menschen. Benedikt von Nursia wird auf diese Weise Anfang des sechsten Jahrhunderts nicht nur zum Begrunder der spateren Monchsorden, sondern auch der Vater der europaisch-christlichen Kultur. Die Monche bearbeiteten das Land, kultivierten es, fuhrten landwirtschaftliche Techniken ein und nutzten die Kenntnis des Lesens und Schreibens nicht nur, um die Texte der Bibel abzuschreiben und zuganglich zu machen, sondern gleichzeitig auch, um die ursprungliche Literatur der christianisierten Volker zu erhalten und zu fordern. Sie beschrankten sich nicht auf religiose Mission, sondern gaben auch naturkundliches und medizinisches Wissen weiter. Sie uberlieferten die Kenntnisse des Ackerbaus, der Obst- und Weinkultur. Sie vermittelten die Kulturtechniken des Lesens und Schreibens und verbreiteten die Kenntnis der lateinischen Sprache, in der ja die Kultur der Griechen und Romer noch lebte. Die Monche erledigten auch die Schreibarbeit regierender Fursten, so dass sie im Lauf der Zeit auch Einfluss auf die Politik nehmen konnten.
Weitab von jeder Politik und abseits aller Bildungs- oder Herrschaftsfragen gab es jedoch im Mittelalter auch innerkirchliche Bewegungen, die allein durch ihr Streben nach den urchristlichen Idealen der Nachstenliebe und der Armut Anziehungskraft ausubten und Anhanger fanden. Exponenten dieser Lebensweise waren Franz von Assisi (1181-1226) und die Bettelorden, die durch ihren Verzicht auf Privateigentum der aufkommenden Geldwirtschaft und der Fixierung des Denkens auf Profit entgegensteuern wollten. Fur Franz von Assisi war es wichtig, die Kerngedanken des Christlichen aufrechtzuerhalten und mit tatiger Hilfe fur Arme und Kranke ein Gegengewicht zur zugellosen Geldgier zu schaffen.
Seine Gedanken fanden auch in Deutschland ein lebhaftes Echo. In Thuringen zum Beispiel ubernahm Elisabeth, die junge Frau des Landgrafen Ludwig IV., das Armutsideal des Franz von Assisi. Sie grundete 1223 ein Hospital in Gotha, in dem sie auch selber tatig war. Sie gab sogar Teile ihres Vermogens an die armen Landeskinder weiter. Damit provozierte sie allerdings den thuringischen Hof, der sie nach dem Tod ihres Mannes - er starb 1227 auf einem Kreuzzug - vertrieb. Elisabeth ging nach Marburg, baute dort ein Krankenhaus und pflegte Aussatzige. Als sie starb, war sie gerade 24 Jahre alt. 1235 wurde sie heiliggesprochen. Im Jahr darauf nahm der Stauferkaiser Friedrich II. an der Hebung ihrer Gebeine teil. In einer Monchskutte folgte er demutig dem Sarg der Furstin.
15. Helden und Hunnen
Das Lindenblatt war schuld. Es heftete sich auf eine Stelle zwischen Siegfrieds Schulterblattern und hielt das Drachenblut fern, in dem der Held gebadet und sich damit (fast) unverwundbar gemacht hatte. Der zielsichere Hagen von Tronje hatte nun keine Muhe mehr, seinen Erzfeind Siegfried todlich zu treffen.
Da mag sich die Loreley, da mogen sich andere Sagenheldinnen und -helden noch so anstrengen - Siegfrieds Tod ist so etwas wie die Urszene der deutschen Mythologie, und das »Nibelungenlied« ist nicht zu Unrecht mit dem Ehrentitel einer »deutschen Ilias« ausgezeichnet worden. Den Stamm der Burgunder, deren Leben und Sterben das Epos schildert, umgibt seither ein tragischer Glorienschein. Aber noch ein anderes Volk ist uns durch das Heldenlied markant - freilich mit damonischem Beigeschmack - im Gedachtnis geblieben: die Hunnen.
Deren Invasion ab der Mitte des vierten Jahrhunderts betrachten manche Forscher als die entscheidende Ursache fur den Untergang des romischen Imperiums. In der Tat war es Rom immer schwerer gefallen, seine