»Begabungen«, stellt schlagkraftige Waffen her, produziert Wandbilder und Schnitzereien. Im Lauf der Zeit drangt er den Neandertaler aus der Evolution, der vor 27 000 Jahren ausstirbt.
An dieser Lesart der Forschung ist wohl nicht mehr zu rutteln, auch wenn einzelne Wissenschaftler die These vertreten,
Jener einfaltige »grobe Klotz«, auf den er lange Zeit reduziert wurde, war der Neandertaler jedenfalls nicht. Aber er war eben auch kein direkter Vorfahr des modernen Menschen. Dafur liefert seine DNA zu viele Unterschiede, vor allem in jenen kognitiven Bereichen, die das abstrakte und schopferische Denken, aber auch die soziale Intelligenz und die Realitatskontrolle betreffen. Diese Faktoren waren die genetischen Schubkrafte, die dem
Und dennoch bekommt das alte (Feind-)Bild des Neandertalers Risse.
Von einem ausschlie?lichen Verdrangungswettbewerb, auch von einem reinen Nebeneinander zwischen Neandertaler und
Der schwedische Palaogenetiker Svante Paabo, Leiter des MaxPlanck-Instituts fur Evolutionare Anthropologie (EVA) in Leipzig, hat die bislang eher rare Ausbeute an Neandertaler-DNA aus Knochenresten im Rahmen seiner Forschungen hochgradig steigern konnen. Etwa siebzig Prozent des Neandertaler-Genoms haben die Wissenschaftler inzwischen entschlusseln und mit der DNA heute lebender Menschen abgleichen konnen.
Die Uberraschung: Noch heute stecken im Erbgut des modernen Menschen ein bis vier Prozent Neandertaler-Eigenschaften. Noch verbluffter waren die Forscher daruber, dass der bullige Eiszeitmensch nicht nur in Europa, sondern auch in Papua-Neuguinea und in China genetische Spuren hinterlassen hat.
Und wo hat es gefunkt, wo stand das Bett, dem die Wiege folgte? Wohl dort, wo auch die Wiege der Kulturen gestanden hat: im Nahen Osten, vielleicht auch in Israel, wo die beiden Menschenstamme uber Jahrtausende in denselben Regionen lebten. Dass es in diesem Nadelohr, einem geografischen Reagenzglas gewisserma?en, das alle Afrika-Emigranten auf ihrer Weltreise passieren mussten, eben auch »passierte«, wird noch durch einen weiteren Befund gestutzt: Heutige Europaer und Asiaten, die von der prahistorischen Familienzusammenfuhrung beeinflusst wurden, stehen dem Neandertaler genetisch naher als die Afrikaner, die »nur« vom
Wir bleiben in Vorderasien. Als die letzte gro?e Kaltzeit vor 11 000 Jahren endet, beginnt
Damit zettelt er eine Revolution an, die erste und historisch folgenreichste. Die Wissenschaft wird sie spater die Neolithische Revolution nennen: Der Ubergang von der aneignenden Wirtschaft der Altsteinzeit (Palaolithikum) zur produzierenden Wirtschaft der Jungsteinzeit (Neolithikum) ist der wahrscheinlich gro?te innovative Schub der Menschheitsgeschichte.
Diese »Revolution« geschah nicht von heute auf morgen. Aber schon fur ihre Fruhzeit lassen sich die ersten Siedlungen und Kultstatten nachweisen. Die steinernen Monumente der Tempelanlage von Gobekli Tepe (um 9500 v. Chr.) in Anatolien sind 6000 Jahre alter als die Pyramiden, lassen aber eine Arbeitsorganisation vermuten, die auf deutlich spatere Epochen vorausweist. In der Oase Jericho im Westjordanland, die einst der Romer Antonius seiner Geliebten Kleopatra zum Geschenk machte und deren Name auch mit dem Tod des Herodes und der Taufe Jesu verknupft ist, waren schon um 8000 v. Chr. der alteste Steinturm und die erste Treppe der Welt gebaut worden. Sie wurden Teil einer ausgedehnten, mehrere Meter starken Stadtmauer, die spater dennoch - nach Lesart der Bibel - durch die viel beschworenen Posaunensto?e zum Einsturz gebracht wurde.
Mit den ersten Stadten der Erde und der seit dem sechsten Jahrtausend v. Chr. allmahlich einsetzenden Entdeckung der Metalle, der um 3000 v. Chr. die Erfindung des Rades folgt, ist der Weg zu den Hochkulturen vorgezeichnet.
3. Blaues Wunder Babylon
Haben Sie je von Babylon gehort? Der Stadt, die zum Knotenpunkt von Mythen, Wundern und Legenden wurde? Naturlich haben Sie schon von Babylon gehort. Oder zumindest von Babel, das ist der hebraische Name.
Vielleicht ist Ihnen ja das Wort vom »Sundenbabel« begegnet, das auf eine Statte moralischer Verworfenheit, der Ausschweifung und des Lasters verweist. Der Ausdruck geht auf die »gro?e Hure Babylon« im 17. Kapitel der Offenbarung des Johannes zuruck. Gern ist er auch auf Paris als »Seinebabel« umgemunzt worden.
Auch vom »Turmbau zu Babel« haben Sie gewiss lauten horen, vielleicht sogar das beruhmte Gemalde des flamischen Malers Pieter Brueghel vor Augen, der bei seiner Konzeption (um 1563) wiederum das Kolosseum in Rom vor Augen hatte. Dann durften Sie vermutlich auch wissen, dass Gott die Erbauer des Turms, der bis in den Himmel reichen sollte, mit jenem beruchtigten »Kommunikationsabriss« bestrafte, der als »babylonische (Sprach-) Verwirrung« in das Alte Testament (1. Mose 11) und in die Zitatenlexika Eingang fand.
Die ebenfalls sprichwortliche Wendung von der »babylonischen Gefangenschaft« sparen wir uns noch ein wenig auf, bis wir zur Zerstorung Jerusalems (587 v. Chr.) und zur Deportation der Juden durch Konig Nebukadnezar II. kommen. Dann lasst sich auch der mythische Knall- und Schlusseffekt dieser historischen Epoche ausleuchten: das beruchtigte Gastmahl des Belsazar, dessen dustere Endzeit-Stimmung Heinrich Heine in einer der bekanntesten deutschen Balladen eingefangen hat: »Die Mitternacht zog naher schon; in stiller Ruh lag Babylon ...«.
Nach so vielen geflugelten Worten, nach so viel Babylon vom Horensagen haben Sie sich einen visuellen Ausgleich verdient. Wir nehmen den prachtigsten und aussagekraftigsten, der sich denken lasst. Ihnen werden die Augen ubergehen. Und die Reise ist kurzer, als Sie denken. Seit 1930 liegt Babylon in Berlin.
Tiefblau glasierte Ziegel, die sich im Berliner Pergamon-Museum zum magischen Monument des Ischtar-Tors erganzen, waren das Erste, was europaische Archaologen von der Metropole des Zweistromlandes wiederentdeckten. Das rief den deutschen Bauforscher Robert Koldewey (1855-1925) nach Mesopotamien. Er sorgte dafur, dass bis Ende der 1920er-Jahre 800 Kisten voll emaillierter Ziegelbrocken auf dem Seeweg von Basra nach Hamburg und weiter uber Elbe, Havel und Spree nach Berlin geschickt wurden.
Es war die Zeit, als George Gershwins »Rhapsody in Blue« ihren Siegeszug um die Welt antrat. Viele der Besucher, die den monumentalen Torbogen seit 1930 durchschritten haben, durften die Komposition als unhorbare Begleitmusik im Kopf gehabt haben.
Aber das Ischtar-Tor ist mehr als ein blaues Wunder. Es offnet Ihre Sinne fur eine untergegangene Welt und fuhrt Sie wie ein »Sesam, offne dich!« in jene Kernregion des Orients, die einst eine Drehscheibe der Geschichte war.
Seit der Mitte des dritten vorchristlichen Jahrtausends dreht sich zwischen Euphrat und Tigris das Volkerkarussell und lasst unter Sargon von Akkad ein fruhes (semitisches) Gro?reich entstehen, fuhrt Assyrer, Hethiter, Kassiten, Chaldaer und schlie?lich Perser nach Babylon, wirbelt Mythen und Fakten durcheinander. Aber ohne den Schnee aus den Bergen Armeniens, der die Wusten Babyloniens zum Bluhen brachte, hatte es das Motiv