»Ich horte, das neue Altarbild ist fertig?«, fragte Elisabeth.

Andreas nickte. »Hulshout feiert jetzt die Messe noch lieber, da er sich bei der Wandlung selbst ansehen kann«, gab er ein wenig spottisch zuruck. »Wenigstens fur ihn ist nach all den schlimmen Ereignissen das Gluck gekommen. Was man fur Barbara Leyendecker nicht behaupten kann.«

»Zum Schluss hatte ich doch ein wenig Mitleid mit ihr«, sagte Elisabeth und schaute hinunter auf die Jagdszene des flandrischen Teppichs. Das Reh hat seine Jager totgebissen, dachte Andreas mit gemischten Gefuhlen, als er ihren Blicken folgte.

»Das ehrt Euch«, antwortete er. »Aber Ihr habt richtig gehandelt. Barbara Leyendecker hatte zum Mord an Eurem Bruder angestiftet, und dafur hat sie nach dem weltlichen Recht den Tod verdient.« Sie war nicht das einzige Opfer der Gerechtigkeit geblieben. Auch Elisabeths Gemahl hatte der Tod ereilt. Kurz nachdem er in den Kerker geworfen worden war, und bevor er eine Aussage machen konnte, fand ihn der Kerkerwachter eines Morgens tot im schmutzigen Stroh liegen. Keiner der ubrigen Gefangenen wollte angeben, wie Heinrich Bonenberg zu Tode gekommen war, doch alle schienen gro?e Angst zu haben. Auf diese Weise war der letzte Zeuge der gro?en kolnischen Verschworung beseitigt worden. Gegen andere Ratsmitglieder und Kaufleute, die an ihr beteiligt waren, gab es keinerlei Beweise mehr. Nur Andreas und Elisabeth wussten, dass Peter Krantz einer von ihnen gewesen war, doch da keine weiteren Anzeigen gegen ihn vorlagen, wurde er nicht zur Rechenschaft gezogen. Elisabeth argerte dies ma?los. Sie waren ohnmachtig gegen ihn, und noch am Tag vor Barbara Leyendeckers Hinrichtung hatte er Andreas zufallig auf der Breiten Stra?e getroffen und ihn im Bewusstsein seiner Unangreifbarkeit kalt freundlich gegru?t.

»Manche Schurken erhalten ihre Strafe, andere nicht«, sagte Elisabeth und stand von ihrem Scherenstuhl auf. »Ist das Gerechtigkeit?«

»Die menschliche Gerechtigkeit ist unvollkommen«, erwiderte Andreas und stutzte den Kopf in die Hande. »Doch vor Gott wird kein Unrecht Bestand haben.«

»Wenigstens Anne geht es jetzt besser«, meinte Elisabeth und schaute aus dem Fenster auf die Gasse hinaus, durch die ein kleiner Junge eine Ganseschar trieb.

»Habt Ihr Nachricht von ihr?«, fragte Andreas und liebkoste Elisabeths Rucken mit seinen Blicken.

»Einer meiner Boten hat mir heute Morgen einen Brief aus Aachen gebracht. Ich hatte ja befurchtet, dieser Edwyn habe sie wieder um den Finger gewickelt, aber in Wirklichkeit war es andersherum. Sie hat ihn nur benutzt, um Euch zu retten. Sie ist wieder bei ihren Eltern, und es geht ihr gut.« Elisabeth drehte sich um und lachelte Andreas an. »Werdet Ihr mir die Absolution erteilen, wenn ich zu Euch in den Beichtstuhl komme?«

»Fur alles.«

»Auch dafur, dass mir jetzt durch Erbfolge gleich zwei Handelshauser in den Scho? gefallen sind und ich gedenke, beide weiterzufuhren? Ich habe vor, mit weiteren Gutern zu handeln, vor allem mit flandrischem Tuch und englischer Wolle, aber auch mit Erzen und Steingutwaren. Es ist wichtig, neue Handelsbeziehungen zu knupfen, damit meine Hauser nie wieder von politischen Entscheidungen in ihrer Existenz bedroht werden konnen.«

Andreas hob die Brauen. Diese Frau hatte eine ungeheure Kraft. Das kolnische Recht erlaubte ihr, als Kauffrau tatig zu sein, aber die Fuhrung gleich zweier Hauser war einfach unerhort. Und offenbar wollte sie etliche Neuerungen einfuhren. Sie hatte beachtlichen Unternehmergeist. »Ich bewundere Euch«, sagte er aufrichtig.

Sie wurde rot. Es stand ihr so gut. »Ich Euch auch«, flusterte sie.

»Ich wunsche Euch Gottes Segensfulle«, meinte er. »Es moge nie der Schatten eines Ubels auf Euch fallen.«

»Mit Eurer Hilfe werde ich alle Schatten zerstreuen«, sagte sie. Unschlussig stand sie am Fenster. Sie wirkte, als wolle sie auf ihn zusturzen und ihm in die Arme fallen. Wie gern hatte er das erlebt. Seufzend stand er auf, verneigte sich leicht vor ihr und sagte: »Ich werde Euch helfen und schutzen, wo und wann immer es notig ist.« Mit diesen Worten verlie? er sie.

Kaum ein halbes Jahr spater wurde die Verhansung Kolns durch den Frieden von Utrecht aufgehoben. Andreas Bergheim erfuhr diese Neuigkeit durch Johannes Hulshout nach der Vesper in der Sakristei.

Als Hulshout wieder gegangen war, zog Andreas wie ein Schlafwandler sein Messgewand aus und ging in den Kirchhof. Vor Ludwigs Grab, das sich nun in geweihter Erde befand, kniete er nieder und barg das Gesicht in den Handen. Von drau?en horte er johlende und singende Menschen. Man feierte das Ende der Verhansung. Doch Andreas war nicht nach Feiern zumute.

»Warum musstest du sterben, Ludwig?«, stie? er hinter den Handen hervor. »Weil der Lauf des Schicksals geandert werden sollte. Welch ein Wahn! Nun ist das von selbst eingetreten, was die Verschworer erreichen wollten und nicht erreicht haben. Immer ist es der Wahn, der die meisten Opfer fordert.«

Er schaute hoch. In einem der Apfelbaume bei der Kirchhofmauer hockte ein Rabe und krachzte den Abend herbei. Andreas schaute ihn nachdenklich an, dann stand er auf, ging zuruck in seine kleine Kammer und lie? die Welt allein.

DANK

Zu gro?em Dank bin ich Frau Dr. Silke Urbanski, Universitat Hamburg, fur die vielen Anregungen und historischen Detailinformationen verpflichtet, ohne die dieses Buch viel armer gewesen ware.

Auch mochte ich an dieser Stelle herzlich Herrn Markus Rosenberg, Koln, fur die Uberlassung seiner Archivmaterialien danken.

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