So ging es schnell weiter und weiter, bis sie das Geholz erreichten, welches aus dichtem Buschwerke bestand, uber welchem sich die Wipfel von einzelnen Hickorys, Eichen, Walnu?baumen und Wasserulmen erhoben. Es war nicht tief, zog sich aber lang ausgedehnt nach rechts hinuber. Als sie dasselbe durchschritten hatten und den jenseitigen Rand erreichten blieb der Yankee stehen und sagte:»Master Haller, ich habe mir uberlegt, wie beschwerlich ich Euch falle. Ihr wollt nach Sheridan und habt meinetwegen vom geraden Weg abweichen mussen. Wer wei?, ob und wann wir in der jetzigen Richtung eine Farm finden; da konnt Ihr Euch tagelang mit mir herumqualen, wahrend es doch ein hochst einfaches Mittel gibt, diese Aufopferung ganz unnotig zu machen.«

«So? Welches denn?«fragte Haller ahnungslos.

«Ihr geht in Gottes Namen weiter, und ich kehre nach der Farm zuruck, von welcher ich kam, ehe ich Euch heute traf.«

«Das kann ich nicht zugeben; es ist zu weit.«

«Ganz und gar nicht. Ich bin erst westlich gegangen und dann mit Euch gerade nordlich, also im rechten Winkel. Wenn ich diesen abschneide, habe ich von hier aus nicht ganz drei Stunden zu gehen, und so lange halte ich es sehr gut aus.«

«Meint Ihr? Nun gut; aber ich gehe mit. Ich habe versprochen, Euch nicht zu verlassen.

«Und ich mu? Euch dieses Versprechens entbinden, da ich Euch nicht in Gefahr bringen darf.«

«Gefahr?«

«Ja. Die Pflanzersfrau ist namlich, wie sie mir erzahlte, die Schwester des Sheriffs von Kinsley. Werdet Ihr von dort aus verfolgt, so ist hundert gegen eins zu wetten, da? der Sheriff auf dieser Farm vorspricht. Ihr wurdet ihm also gerade in die Hande laufen.«

«Das werde ich freilich bleiben lassen, «meinte Haller erschrocken.»Wollt Ihr denn wirklich hin?«

«Ja; es ist das beste fur mich und auch fur Euch.«

Er stellte ihm die Vorteile dieses Entschlusses in so aufrichtiger und eindringlicher Weise vor, da? der arme Schreiber endlich in die Trennung willigte. Sie schuttelten sich die Hande, sprachen gegenseitig die besten Wunsche aus und trennten sich dann. Haller ging weiter, auf die offene Prairie hinaus. Hartley sah ihm nach und meinte dabei zu sich selbst:»Der Kerl kann mir leid thun, aber es geht nicht anders. Blieben wir zusammen, so ware er auch verloren, und ich mu?te mit ihm sterben. Nun aber ist's hohe Zeit fur mich. Wenn sie ihn einholen und nach mir fragen, wird er ihnen sagen, wohin ich bin, also da nach rechts hinuber. Ich mache mich also nach links davon und suche mir einen Ort, an welchem ich mich verstecken kann.«

Er war kein Jager oder Fallensteller, aber er wu?te, da? er keine Fahrte zurucklassen durfe, und hatte auch zuweilen gehort, wie man es machen musse, um eine Spur zu verwischen. Indem er in die Busche eindrang, suchte er sich solche Stellen aus, welche keine Fu?eindrucke aufnahmen. War ja ein solcher zu bemerken, so glich er ihn hinter sich mit der Hand wieder aus. Dabei war ihm freilich seine Verwundung hinderlich und ebenso der Kasten, den er wieder an sich genommen hatte. Er kam also nur sehr langsam weiter, traf aber zu seinem Glucke bald auf eine Stelle, auf welcher die Busche so dicht standen, da? sie fur das Auge undurchdringlich waren. Er arbeitete sich hinein, legte den Kasten ab und setzte sich darauf. Kaum war das geschehen, so horte er die Stimmen der drei Reiter und den Schritt ihrer Pferde. Sie ritten voruber, ohne zu bemerken, da? die Spur von jetzt an eine nur einfache war.

Der Yankee schob die Zweige nach der betreffenden Richtung auseinander; er konnte hinaus auf die Prairie blicken. Da drau?en ging Haller. Die Tramps sahen ihn, und lie?en ihre Pferde in Galopp fallen. Jetzt horte er sie, drehte sich um und blieb erschrocken stehen. Bald hatten sie ihn erreicht; sie sprachen mit ihm; er deutete ostwarts; jedenfalls sagte er ihnen, da? der Yankee in dieser Richtung nach der Farm zuruckgekehrt sei. Dann krachte ein Pistolenschu? und Haller sturzte nieder.

«Es ist geschehen, «murmelte Hartley.»Wartet nur, ihr Halunken! Vielleicht begegne ich euch einmal, und dann sollt ihr diesen Schu? bezahlen! Bin neugierig, was sie nun thun werden.«

Er sah, da? sie abstiegen, und sich mit dem Erschossenen beschaftigten. Dann standen sie beratend bei einander, bis sie wieder zu Pferde stiegen, wobei der Cornel den Ermordeten zu sich quer uber den Sattel nahm. Zum Erstaunen des Yankee kam dieser zuruck, wahrend seine beiden Gefahrten nicht mit ihm umkehrten, sondern weiter ritten. Als der Cornel das Buschwerk erreichte, drangte er sein Pferd ein Stuck in dasselbe hinein und lie? dann die Leiche herabfallen; sie lag nun so, da? man sie von au?erhalb des Gebusches nicht sehen konnte, gar nicht weit von Hartley entfernt. Hierauf zog der Reiter sein Pferd zuruck und ritt fort, wohin, das konnte Hartley nicht sehen; er horte den Hufschlag noch kurze Zeit, dann wurde es still.

Den Yankee uberkam ein Grauen. Fast bereute er es jetzt, den Schreiber nicht gewarnt zu haben. Er war Zeuge der entsetzlichen That gewesen, nun lag die Leiche fast in seiner unmittelbaren Nahe; er hatte sich gern davon machen mogen, wagte es aber nicht, da er annehmen mu?te, da? der Cornel nach ihm suchen werde. Es verging eine Viertelstunde und noch eine, da beschlo? er, die grausige Stelle zu verlassen. Vorher sah er noch einmal hinaus auf die Prairie; da erblickte er etwas, was ihn veranla?te, noch in seinem Verstecke zu bleiben.

Ein Reiter, welcher ein lediges Pferd neben her fuhrte, kam von rechts her uber die Prairie geritten. Er stie? auf die Spur der beiden Tramps und hielt an, um abzusteigen. Nachdem er sich sorgfaltig nach allen Richtungen umgeschaut hatte, buckte er sich nieder, um die Spur zu untersuchen. Dann schritt er, wahrend die Pferde ihm freiwillig folgten, auf derselben zuruck bis an die Stelle, an welcher der Mord geschehen war. Hier blieb er wieder halten, um sie zu betrachten. Erst nach langerer Zeit richtete er sich wieder auf und kam naher. Die Augen auf den Boden geheftet, folgte er der Spur des Cornels. Etwa funfzig Schritte vom Gebusch entfernt, blieb er stehen, stie? einen eigentumlichen Kehllaut aus und deutete mit dem Arme nach dem Gestrauch. Das schien dem Reitpferde zu gelten, denn dieses entfernte sich von ihm, schlug einen kurzen Bogen nach den Buschen und kam dann am Rande derselben her, die Luft in die weit geoffneten Nustern ziehend. Da es kein Zeichen von Unruhe gab, fuhlte der Reiter sich befriedigt und kam nun auch herbei.

Jetzt sah der Yankee, da? er einen Indianer vor sich hatte. Derselbe trug ausgefranste Leggins und ein ebenso an den Nahten mit Fransen und Stickereien versehenes Jagdhemd. Die kleinen Fu?e staken in Mokassins. Sein langes schwarzes Haar war in einen helmartigen Schopf geordnet, aber mit keiner Adlerfeder versehen. Um den Hals hing eine dreifache Kette von Barenkrallen, die Friedenspfeife und der Medizinbeutel. In der Hand hielt er ein Doppelgewehr, dessen Schaft mit vielen silbernen Nageln beschlagen war. Sein Gesicht, matt hellbraun mit einem leisen Bronzehauch, hatte fast romischen Schnitt, und nur die ein wenig hervorstehenden Backenknochen erinnerten an den Typus der amerikanischen Rasse.

Eigentlich war die Nahe eines Roten ganz geeignet, den Yankee, welcher uberhaupt nicht zum Helden geboren war, mit Angst zu erfullen. Aber je langer dieser letztere in das Gesicht des Indianers blickte, um so mehr kam es ihm vor, als ob er sich vor diesem Mann nicht zu furchten brauche. Derselbe hatte sich auf vielleicht zwanzig Schritte genahert. Das Pferd war noch weiter herbeigekommen, wahrend das andre sich hinter dem Reiter hielt. Jetzt — es hob schon den kleinen Vorderhuf, um weiter zu schreiten, da stieg es vorn empor und warf sich mit einem lauten, auffalligen Schnauben zuruck; es hatte einen von dem Yankee oder dem Toten kommenden Luftzug gespurt. Der Indianer that im Nu einen wahren Panthersatz zur Seite und verschwand, mit ihm auch das zweite Pferd. Hartley konnte sie nicht mehr sehen.

Er verhielt sich lange, lange stille und bewegungslos, bis ein halb unterdruckter Laut an sein Ohr drang.»Uff!«diese Silbe hatte er gehort, und als er das Gesicht nach der betreffenden Seite wendete, sah er den Indianer uber der Leiche des Schreibers knieen und dieselbe mit Augen und Handen untersuchen. Dann kroch der Rote zuruck und war wohl eine Viertelstunde lang nicht zu sehen, bis der Yankee erschrocken zusammenfuhr, denn hart neben ihm erklangen die Worte:»Warum sitzt das Bleichgesicht hier versteckt? Warum tritt es nicht hervor, um sich dem Blicke des roten Kriegers zu zeigen? Will es etwa nicht sagen, wohin die drei Morder des andern Bleichgesichtes entwichen sind?«

Als Hartley mit dem Kopfe herumfuhr, sah er den Indianer, das blanke Bowiemesser in der Hand, neben sich knieen. Die Worte desselben bewiesen, da? er die Fahrte richtig gelesen und hochst scharfsinnig beurteilt hatte. Er hielt nicht den Yankee fur den Morder; das beruhigte diese, und er antwortete:»Ich versteckte mich vor ihnen. Zwei sind fort, in die Prairie hinaus; der dritte warf die Leiche hier ab, und ich blieb stecken, weil ich nicht wei?, ob er fort ist oder nicht.«

«Er ist fort. Seine Spur fuhrt durch den Busch und dann noch Osten.«

«So ist er nach der Farm, um mich zu verfolgen. Aber ist er auch wirklich nicht mehr da?«

«Nein. Mein wei?er Bruder und ich sind die einzigen lebenden Menschen, welche sich hier befinden. Er mag heraus ins Freie kommen und mir erzahlen, was geschehen ist.«

Der Rote sprach sehr gut englisch. Was er sagte und wie er es sagte, flo?te dem Yankee Vertrauen ein;

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