Was das hei?en will, werdet Ihr wissen. Hier zu Lande kommt eine Kuh nur dann in den Stall, wenn sie schwer krank ist. Sie hat zwei Tage nichts gefressen und hangt den Kopf bis zur Erde herab. Ich gebe sie verloren.«
«Pshaw! Ich gebe einen Kranken erst dann verloren, wenn er gestorben ist! Der Knecht mag sie mir mal zeigen; dann sage ich Euch Bescheid.«
Er lie? sich nach dem Stalle fuhren, um die Kuh zu untersuchen. Als er zuruckkam, zeigte er eine sehr ernste Miene und sagte:»Es war die hochste Zeit, denn die Kuh ware bis heute abend gefallen. Sie hat Bilsenkraut gefressen. Glucklicherweise habe ich ein untrugliches Gegenmittel; morgen fruh wird sie so gesund sein wie zuvor. Bringt mir einen Eimer Wasser, und du, Famulus, gib einmal das Aqua sylvestropolia heraus!«
Haller suchte, nachdem er den Kasten geoffnet hatte, das betreffend Flaschchen, aus welchem Hartley einige Tropfen in das Wasser go?, von dem der Kuh dreistundlich je eine halbe Gallone gegeben werden sollte. Dann kamen die menschlichen Patienten daran. Die Frau hatte einen beginnenden Kropf und erhielt Aqua sumatralia. Der Farmer litt an Rheumatismus und bekam Aqua sensationia. Die Tochter war kerngesund, doch wurde sie leicht veranla?t, gegen einige Sommersprossen Aqua furonia zu nehmen. Der Knecht hinkte ein wenig, schon seit seinen Knabenjahren, ergriff aber die Gelegenheit, diesen Umstand durch Aqua ministerialia zu beseitigen. Zuletzt fragte Hartley auch die drei Fremden, ob er ihnen dienen konne. Der Cornel schuttelte den Kopf und antwortete:»Danke, Sir! Wir sind au?erst gesund. Und fuhle ich mich je einmal unwohl, so helfe ich mir auf schwedische Weise.«
«Wieso?«
«Durch Heilgymnastik. Ich lasse mir namlich auf der Ziehharmonika einen flotten Reel vorspielen und tanze so lange danach, bis ich in Schwei? komme. Dieses Mittel ist probat. Verstanden?«
Er nickte ihm dabei bedeutungsvoll zu. Der Heilkunstler schwieg betroffen und wandte sich von ihm ab, um den Wirt nach den nachstliegenden Farmen zu fragen. Laut des Bescheides, den er bekam, lag die nachste acht Meilen weit gegen Westen, dann eine funfzehn Meilen nach Norden. Als der Magister erklarte, da? er unverzuglich nach der ersteren aufbrechen werde, fragte ihn der Farmer nach dem Honorare. Hartley verlangte funf Dollar und bekam sie auch sehr gern ausgezahlt. Dann brach er mit seinem Famulus auf, welcher wieder den Kasten auf sich lud. Als sie sich so weit entfernt hatten, da? sie von der Farm aus nicht mehr gesehen werden konnten, sagte er:»Wir sind westlich gegangen, biegen aber nun nach Norden ein, denn es kann mir nicht einfallen, nach der ersten Farm zu gehen; wir suchen die zweite auf. Die Kuh war so hinfallig, da? sie wohl schon in einer Stunde stirbt. Wenn es da dem Farmer einfallt mir nachzureiten, kann es mir schlecht ergehen. Aber ein Mittagessen und funf Dollar fur zehn Tropfen Anilinwasser, ist da? nicht einladend? Ich hoffe, Ihr erkennt Euern Vorteil und tretet in meinen Dienst!«
«Die Hoffnung trugt Euch, Sir, «antwortete Haller.»Was Ihr mir bietet, ist viel, sehr viel Geld; dafur aber hatte ich noch viel mehr Lugen zu machen. Nehmt es mir nicht ubel! Ich bin ein ehrlicher Mann und will es auch bleiben. Mein Gewissen verbietet mir, auf Euern Vorschlag einzugehen.«
Er sagte das so ernst und fest, da? der Magister einsah, da? alles fernere Zureden unnutz sei. Darum sagte der letztere, indem er mitleidig mit dem Kopfe schuttelte:»Ich habe es gut mit Euch gemeint. Schade, da? Euer Gewissen ein so zartes ist!«
«Ich danke Gott, da? er mir kein andres gegeben hat. Hier habt Ihr Euern Kasten zuruck. Ich mochte Euch gern erkenntlich fur das sein, was Ihr an mir gethan habt, aber ich kann nicht, es ist mir unmoglich.«
«Well! Des Menschen Wille ist sein Himmelreich; darum will ich nicht weiter in Euch dringen. Aber wir brauchen uns trotzdem nicht sogleich zu trennen. Euer Weg ist funfzehn Meilen weit, bis zu der betreffenden Farm, auch der meinige, und wir konnen also wenigstens bis dahin beisammen bleiben.«
Er nahm seinen Kasten wieder an sich. Die Schweigsamkeit in welche er nun verfiel, lie? vermuten, da? die Rechtlichkeit des Schreibers nicht ganz ohne Eindruck auf ihn geblieben sei. So wanderten sie nebeneinander weiter und richteten ihre Augen nur nach vorwarts, bis sie hinter sich Pferdegetrappel vernahmen. Sich umdrehend, erblickten sie die drei Manner, mit denen sie auf der Farm zusammengetroffen waren.
«Woe to me!«entfuhr es Hartley.»Das scheint mir zu gelten. Diese Kerle wollten doch nach den Bergen! Warum reiten sie ha nicht westlich! Ich traue ihnen nicht; sie scheinen eher Strolche als Trappers zu sein.«
Er sollte bald zu seinem Leidwesen erfahren, da? er mit dieser Vermutung das Richtige getroffen hatte. Die Reiter hielten bei den beiden an, und der Cornel wendete sich in hohnischer Weise an den Quacksalber:»Master, warum habt Ihr Eure Richtung geandert? Nun wird der Farmer Euch nicht finden.«
«Mich finden?«fragte der Yankee.
«Ja. Als Ihr fort waret, sagte ich ihm aufrichtig, was es fur eine Bewandtnis mit Euern schonen Titeln hat, und er brach schleunigst auf, um Euch zu folgen und sich sein Geld wiederzuholen.«
«Unsinn, Sir!«
«Es ist nicht Unsinn, sondern die Wahrheit. Er ist nach der Farm, welche Ihr angeblich mit Eurer Gegenwart beglucken wolltet. Wir aber waren kluger als er. Wir verstehen es Fahrten zu lesen und sind der Eurigen gefolgt, um Euch einen Vorschlag zu machen.«
«Wu?te nicht, welchen. Ich kenne Euch nicht, und habe nichts mit Euch zu schaffen.«
«Desto mehr aber wir mit Euch. Wir kennen Euch. Indem wir dulden, da? Ihr diese ehrlichen Farmersleute betrugt, sind wir Eure Mitschuldigen geworden, wofur es nur recht und billig ist, da? Ihr uns einen Teil des Honorares auszahlt. Ihr seid zwei, und wir sind drei Personen; also haben wir drei Funftel des Betrags zu fordern. Ihr seht, da? wir gerecht und billig handeln. Solltet Ihr nicht einverstanden sein, so — nun, seht Euch meine Kameraden an!«
Er deutete nach den beiden andern, welche jetzt ihre Gewehre auf Hartley richteten. Dieser hielt nun alle Disputation fur vergeblich. Er war vollig uberzeugt, es mit richtigen Wegelagerern zu thun zu haben, und freute sich innerlich, so billig davonzukommen. Darum zog er drei Dollar aus der Tasche, hielt sie dem Cornel hin und sagte:»Ihr scheint Euch in meiner Person zu irren und Euch in Verhaltnissen zu befinden, welche diesen Teil meines wohlverdienten Honorares fur Euch notig machen. Ich will Eure Forderung als Scherz gelten lassen und auf denselben eingehen. Hier sind die drei Dollar, welche nach Eurer eignen Rechnung auf Euch entfallen.«
«Drei Dollar? Seid Ihr des Teufels!«lachte der Cornel.»Meint Ihr, da? wir Euch einer solchen Lumperei wegen nachreiten? Nein, nein! Es war nicht blo? das heutige Geld gemeint. Wir verlangen unsern Anteil von dem, was Ihr bisher uberhaupt verdient habt. Ich nehme an, da? Ihr ein erkleckliches Summchen bei Euch tragt.«
«Sir, das ist keineswegs der Fall, «rief Hartley erschrocken.
«Werden sehen! Wenn Ihr leugnet, mu? ich Euch untersuchen. Ich denke, da? Ihr Euch das ruhig gefallen lassen werdet, denn meine Kameraden spa?en mit Ihren Buchsen nicht. Das Leben eines armseligen Harmonikaspielers ist fur uns keinen Pfifferling wert.«
Er stieg vom Pferde und trat zu dem Yankee. Dieser erging sich in allen moglichen Vorstellungen, um das drohende Unheil von sich abzuwenden, doch vergebens. Die Gewehrmundungen starrten ihm so drohend entgegen, da? er sich in sein Schicksal ergab. Dabei hoffte er im stillen, da? der Cornel nichts finden werde, da er seine Barschaft sehr gut versteckt glaubte. Der jetzt schwarz gefarbte Rote untersuchte alle Taschen, fand aber nur wenige Dollar. Dann betastete er jeden Zoll breit des Anzuges, um zu fuhlen, ob vielleicht etwas eingenaht sei. Das war ohne Erfolg. Nun glaubte Hartley, der Gefahr entgangen zu sein, aber der Cornel war schlau. Er lie? den Kasten offnen und betrachtete denselben genau.
«Hm!«meinte er.»Diese sammetne Apotheke ist so tief, da? die Facher nicht bis auf den Boden reichen. Wollen doch einmal versuchen, ob sie sich nicht herausnehmen lassen.«
Hartley erbleichte, denn der Gauner befand sich auf der richtigen Spur. Der letztere fa?te mit beiden Handen an den Zwischenwanden der Facher und zog — richtig, die Apotheke lie? sich aus dem Kasten heben, und unter ihr lagen mehrere Papiercouverte neben- und ubereinander. Als er sie offnete, sah er sie mit Banknoten verschiedenen Wertes gefullt.
«Ah, hier ist der verborgene Schatz zu heben, «lachte er vergnugt.»Habe es mir gedacht. Ein Physician und Farrier verdient ein Heidengeld, es mu?te also welches vorhanden sein.«
Er griff zu, um die Couverte einzustecken. Das versetzte den Yankee in die gro?te Wut. Er warf sich auf ihn, um ihm das Geld zu entrei?en. Da krachte ein Schu?. Die Kugel hatte ihn gewi? durchbohrt, wenn er sich nicht gerade in schneller Bewegung befunden hatte, so traf sie nur den Oberarm, dessen Knochen sie zerschmetterte. Einen Schrei aussto?end, sank der Verwundete in das Gras.
«Recht so, Halunke!«rief der Cornel.»Stehe wieder auf, oder sage nur ein falsches Wort, so trifft dich die zweite Kugel besser als die erste. Nun wollen wir auch den Master Famulus untersuchen.«
Er schob die Couverte in seine Tasche und trat zu Haller.