«Hm! Ich kenne Euch nicht.«

«Dem kann gleich abgeholfen werden. Ich bin namlich Magister Doktor Jefferson Hartley, Physician und Farrier meines Berufes.«

«Also Menschen- und Ro?arzt?«

«Arzt fur Menschen und Tiere, «nickte der Yankee.»Habt Ihr Lust, so sollt Ihr mein Famulus sein, und ich zahle Euch den erwahnten Gehalt.«

«Aber ich verstehe nichts von der Sache, «erklarte Haller bescheiden.

«Ich auch nicht, «gestand der Magister.

«Nicht?«fragte der andre erstaunt.»Ihr mu?t doch Medizin studiert haben?«

«Fallt mir gar nicht ein!«

«Aber, wenn Ihr Magister und auch Doktor seid —!«

«Das bin ich allerdings! Diese Titel und Wurden besitze ich; da? wei? ich am allerbesten, denn ich selbst habe sie mir verliehen.«

«Ihr — Ihr selbst?«

«Freilich! Ich bin offen gegen Euch, weil ich denke, da? Ihr meinen Antrag annehmen werdet. Eigentlich bin ich Schneider; dann wurde ich Friseur, nachher Tanzlehrer; spater grundete ich ein Erziehungsinstitut fur junge Ladies, als das aufhorte, griff ich zur Ziehharmonika und wurde wandernder Musikant. Seitdem habe ich mich noch in zehn bis zwanzig andern Branchen ruhmlichst hervorgethan. Ich habe das Leben und die Menschen kennen gelernt, und diese Kenntnis gipfelt in der Erfahrung, da? ein gescheiter Kerl kein Dummkopf sein darf. Diese Menschen wollen betrogen sein; ja, man thut ihnen den gro?ten Gefallen, und sie sind au?erordentlich erkenntlich dafur, wenn man ihnen ein X fur ein U vormacht. Besonders mu? man ihren Fehlern schmeicheln, ihren geistigen und leiblichen Fehlern und Gebrechen, und darum habe ich mich auf diese letzteren gelegt und bin Arzt geworden. Hier seht Euch einmal meine Apotheke an!«

Er schlo? den Kasten auf und schlug den Deckel desselben zuruck. Das Innere hatte ein hochst elegantes Aussehen; es bestand aus funfzig Fachern, welche mit Sammet ausgeschlagen und mit goldenen Linien und Arabesken verziert waren. Jedes Fach enthielt eine Phiole mit einer schon gefarbten Flussigkeit. Es gab da Farben in allen moglichen Schattierungen und Abstufungen.

«Das also ist Eure Apotheke!«meinte Haller.»Woher bezieht Ihr die Medikamente?«

«Die mache ich mir selbst.«

«Ich denke, Ihr versteht nichts davon!«

«O, das verstehe ich schon! Es ist ja kinderleicht. Was Ihr da seht, ist alles weiter nichts als ein klein wenig Farbe und ein bi?chen viel Wasser, Aqua genannt. In diesem Worte besteht mein ganzes Latein. Dazu habe ich mir die ubrigen Ausdrucke selbst fabriziert; sie mussen moglichst schon klingen, und so seht Ihr hier Aufschriften wie: Aqua salamandra, Aqua peloponnesia, Aqua chimborassolaria, Aqua invocabulataria und andre. Ihr glaubt gar nicht, welche Kuren ich mit diesen Wassern schon gemacht habe, und ich nehme Euch das gar nicht ubel, denn ich glaube es selbst auch nicht. Die Hauptsache ist, da? man die Wirkung nicht abwartet, sondern das Honorar einzieht und sich aus dem Staube macht. Die Vereinigten Staaten sind gro?, und ehe ich da herumkomme, konnen viele, viele Jahre vergehen, und ich bin inzwischen ein reicher Mann geworden. Das Leben kostet nichts, denn uberall, wohin ich komme, setzt man mir mehr vor, als ich essen kann, und steckt mir, wenn ich gehe, auch noch die Taschen voll. Vor den Indianern brauche ich mich nicht zu furchten, weil ich als Medizinmann bei ihnen fur heilig und unantastbar gelte. Schlagt ein! Wollt Ihr mein Famulus sein?«

«Hm! brummte Haller, indem er sich hinter dem Ohre kratzte. Die Sache kommt mir bedenklich vor. Es ist keine Ehrlichkeit dabei.«

«Macht Euch nicht lacherlich. Der Glaube thut alles. Meine Patienten glauben an die Wirkung meiner Medizin und werden gesund davon. Ist das Betrug? Versucht es wenigstens zunachst einmal! Ihr habt Euch jetzt gestarkt, und da die Farm, nach der ich will, auf Eurem Wege liegt, so habt Ihr keinen Schaden davon.«

«Nun, versuchen will ich es, schon aus Dankbarkeit; aber ich habe kein Geschick, den Leuten etwas wei? zu machen.«

«Ist gar nicht notig; das besorge ich schon selbst. Ihr habt ehrfurchtsvoll zu schweigen, und Eure ganze Arbeit besteht darin, diejenige Phiole aus dem Kasten zu langen, welche ich Euch bezeichne. Freilich mu?t Ihr es Euch gefallen lassen, da? ich Euch dabei Du nenne. Also vorwarts! Brechen wir auf!«

Er hing sich den Kasten wieder um, und dann schritten sie miteinander der Farm entgegen. Nach kaum einer halben Stunde sahen sie dieselbe von weitem liegen; sie schien nicht gro? zu sein. Nun mu?te Haller den Kasten tragen, da sich das nicht fur den Prinzipal, Doktor und Magister schickte.

Das Hauptgebaude der Farm war aus Holz gebaut; neben und hinter demselben lag ein wohlgepflegter Baum- und Gemusegarten. Die Wirtschaftsgebaude standen in einiger Entfernung von diesem Wohnhause. Vor demselben waren drei Pferde angebunden, ein sicheres Zeichen, da? sich Fremde hier befanden. Diese sa?en in der Wohnstube und tranken Hausbier, welches der Farmer selbst gebraut hatte. Die Fremden waren allein, da sich nur die Farmersfrau daheim befand und jetzt in dem kleinen Stalle war. Sie sahen den Quacksalber mit seinem Famulus kommen.

«Thunderstorm!«rief der eine von ihnen.»Sehe ich recht? Den mu? ich kennen. Wenn mich nicht alles trugt, so ist das Hartley, der Musikant mit der Harmonika!«

«Ein Bekannter von dir?«fragte der zweite.»Hast du etwas mit ihm gehabt?«

«Freilich. Der Kerl hatte gute Geschafte gemacht und die Taschen voller Dollars. Naturlich machte ich ebenso gute Geschafte, indem ich sie ihm des Nachts leerte.«

«Wei? er, da? du es gewesen bist?«

«Hm, wahrscheinlich. Wie gut, da? ich meine roten Haare gestern schwarz gefarbt habe! Nennt mich ja nicht Brinkley und auch nicht Cornel! Der Kerl konnte uns einen Strich durch die Rechnung machen!«

Aus diesen Worten ging hervor, da? dieser Mann der rote Cornel war.

Die beiden Ankommlinge hatten jetzt das Haus erreicht, gerade als die Farmersfrau aus dem Stalle kam. Sie begru?te dieselben freundlich und fragte nach ihrem Begehr. Als sie horte, da? sie einen Arzt und dessen Famulus vor sich habe, zeigte sie sich sehr erfreut und ersuchte sie, in die Stube zu treten, die sie offnete.

«Mesch'schurs, «rief sie hinein,»da kommt ein hochgelehrter Arzt mit seinem Apotheker. Ich denke, da? euch die Gesellschaft dieser Herren nicht unangenehm sein wird.«

«Hochgelehrter Arzt?«brummte der Cornel vor sich hin.»Unverschamter Kerl! Mochte ihm zeigen, was ich von ihm denke!«

Die Eintretenden gru?ten, und nahmen ohne Umstande an dem Tische Platz. Der Cornel bemerkte zu seiner Genugthuung, da? er von Hartley nicht erkannt wurde. Er gab sich fur einen Fallensteller aus und sagte, da? er mit seinen beiden Gefahrten hinauf in die Berge wolle. Dann entspann sich ein Gesprach, wahrenddessen die Wirtin am Herdfeuer beschaftigt war. Uber demselben hing ein Kessel, in welchem das Mittagessen kochte. Als dasselbe fertig war, trat sie vor das Haus und stie? nach der Sitte jener Gegenden in das Horn, um die Ihrigen herbeizurufen.

Diese kamen von den naheliegenden Feldern. Es war der Farmer, ein Sohn, eine Tochter und ein Knecht. Sie reichten den Gasten, besonders dem Arzte, mit aufrichtiger Freundlichkeit die Hand und setzten sich dann zu ihnen, um das Mahl, vor und nach welchem gebetet wurde, einzunehmen. Es waren einfache, unbefangene, fromme Leute, welche gegen die Smartne? eines richtigen Yankee freilich nicht aufzukommen vermochten.

Wahrend des Essens verhielt sich der Farmer vollstandig einsilbig, nach demselben brannte er sich eine Pfeife an, legte die Ellbogen auf den Tisch und sagte in erwartungsvollem Tone zu Hartley:»Nachher, Doktor, mussen wir wieder auf das Feld; jetzt aber haben wir ein wenig Zeit, mit Euch zu reden. Vielleicht kann ich Eure Kunst in Anspruch nehmen. In welchen Krankheiten seid Ihr denn bewandert?«

«Welche Frage!«antwortete der Kurpfuscher.»Ich bin Physician und Farrier und heile also die Krankheiten aller Menschen und aller Tiere.«

«Well, so seid Ihr der Mann, den ich brauche. Hoffentlich gehort Ihr nicht zu den Schwindlern, welche als Arzte umherziehen und alles gewesen sind und alles versprechen, aber nicht studiert haben?«

«Sehe ich etwa aus, wie so ein Halunke?«warf sich Hartley in die Brust.»Hatte ich mein Doktor- und Magisterexamen bestanden, wenn ich nicht ein studierter Mann ware? Hier sitzt mein Famulus. Fragt ihn, und er wird Euch sagen, da? Tausende und aber Tausende von Menschen, die Tiere gar nicht mitgerechnet, mir Gesundheit und Leben verdanken.«

«Ich glaube es, ich glaube es, Sir! Ihr kommt gerade zur richtigen Zeit. Ich habe eine Kuh im Stalle stehen.

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