Droll richtete sich halb auf, nahm Ellen Butler bei der Hand und geleitete sie an das Wasser, wo er seine wartenden Gefahrten von dem Stand der Dinge unterrichtete. Bill und der Uncle brachten das Madchen nach dem Kanal, wo sie das Boot festbanden, und wateten dann zuruck, um sich zu Droll und den beiden Butlers zu gesellen. Diese hatten sich inzwischen mit den Waffen der beiden Tramps bewehrt und nun meinte Tante Droll ernst:»Jetzt kann's losgehen. Die Kerle werden naturlich sofort hierher kommen, um sich der Gefangenen zu versichern, und das konnte fur uns gefahrlich werden. Kriechen wir also zunachst eine Strecke fort, nach rechts hinauf, um dem zu entgehen.«

Die funf bewegten sich vorsichtig am Ufer hin, bis sie eine geeignete Stelle fanden. Dort richteten sie sich auf, und jeder stellte sich hinter einen Baum, der ihm Deckung gewahrte. Sie befanden sich im vollstandigen Dunkel und hatten die Tramps deutlich genug vor sich, um genau zielen zu konnen. Da legte Droll die Hand an den Mund und lie? ein kurzes, mudes Krachzen horen, wie von einem Raubvogel, welcher fur einen Augenblick aus dem Schlaf erwacht. Dieser in der Prairie so haufige Ton konnte den Tramps nicht auffallen; sie beachteten ihn gar nicht, selbst als er ein und noch einmal wiederholt wurde. Fur wenige Augenblicke herrschte noch tiefe Stille; dann horte man plotzlich Old Firehands weithin schallenden Befehl:»Los, Feuer!«

Von rechts her krachten die Buchsen der Rafters, welche sich so nahe herangeschlichen hatten, da? jeder seinen Mann auf das Korn nehmen konnte. Darauf ertonte links das markzerschneidende, schrille Kriegsgeheul der Indianer, welche erst einen Pfeilregen auf die Tramps sandten und dann mit den Tomahawks auf dieselben eindrangen.

«Jetzt auch wir!«gebot Droll.»Erst die Kugeln, und dann mit den Kolben drauf!«

Es war eine echte, wilde Westlandsscene, welche sich nun entwickelte. Die Tramps hatten sich so vollstandig sicher gefuhlt, da? der plotzliche Angriff sie in tiefsten Schreck versetzte. Wie Hasen, uber denen die Fange des Adlers rauschen, duckten sie sich zunachst entsetzt und widerstandslos zusammen; dann, als die Angreifenden sich mitten unter ihnen befanden und mit Kolben, Tomahawks, Revolvern und Bowiemessern arbeiteten, wich die augenblickliche Erstarrung von ihnen, und sie begannen sich zu wehren. Sie waren nicht im stande, die Gegner zu zahlen; die Schar derselben erschien ihnen in dem von den Feuern nur durftig erhellten nachtlichen Dunkel als eine doppelt und dreifach gro?ere, als sie wirklich war. Das vermehrte ihre Angst, und die Flucht erschien ihnen der einzige Rettungsweg.

«Fort, fort, zu den Pferden!«horte man eine Stimme rufen oder viel mehr brullen.»Das ist der Cornel, «schrie Droll.»Werft euch auf ihn; la?t ihn nicht entkommen!«

Er eilte nach der Gegend, aus welcher der Ruf erklungen war, und andre folgten ihm, doch vergeblich. Der rote Cornel war so schlau gewesen, sich sofort im Gebusch zu verstecken und von demselben aus die Scene zu beobachten. Er schlich sich wie eine Schlange von Strauch zu Strauch und hielt sich dabei immer im tiefen Dunkel, so da? er nicht gesehen werden konnte. Die Sieger gaben sich alle Muhe, moglichst wenige entkommen zu lassen, aber die Zahl der Tramps war eine so gro?e, da? ihnen, zumal sie sich endlich klugerweise eng beisammen hielten, der Durchbruch leicht gelingen mu?te. Sie rannten nach Norden zu von dannen.

«Immer hinter ihnen drein!«gebot Old Firehand.»La?t sie nicht zu Atem kommen!«

Er wollte mit den Tramps zugleich zu ihren Pferden gelangen, aber das stellte sich bald als unmoglich heraus. Je weiter man sich von der Farm entfernte, desto geringer wurde der Schein der brennenden Feuer, und man war schlie?lich von einer solchen Finsternis umgeben, da? zwischen Freunden und Feinden gar nicht mehr unterschieden werden konnte. Es kam vor, da? die ersteren aneinander gerieten, und das hielt die Verfolgung auf. Old Firehand sah sich gezwungen, zum Sammeln zu rufen; es dauerte Minuten, bevor er seine Leute vereinigen konnte, und das gab den Fluchtigen einen Vorsprung, welcher, da man sie nicht sehen konnte, unmoglich auszugleichen war. Zwar drangen die Verfolger in der bisherigen Richtung weiter, aber bald horten sie ein hohnisches Geheul der Tramps, und der Hufschlag vieler davonjagender Pferde belehrte sie, da? alle weitere Muhe vergeblich sein werde.

«Umkehren!«befahl Old Firehand.»Es bleibt uns nur noch ubrig, zu verhindern, da? die Verwundeten sich verstecken, um dann zu entkommen.«

Diese Sorge war eine uberflussige. Die Indianer hatten sich nicht an der Verfolgung beteiligt. Nach den Skalps der Wei?en lustern, waren sie zuruckgeblieben und hatten den Kampfplatz und das daran sto?ende Gebusch bis an den Flu? sorgfaltig abgesucht, um jeden noch lebenden Tramp zu toten und zu skalpieren.

Als dann beim Schein von Holzbranden die Leichen gezahlt wurden, stellte es sich heraus, da?, die schon am Tage Gefallenen mitgerechnet, auf jeden Sieger zwei Besiegte kamen, eine schreckliche Anzahl! Trotzdem war die Zahl der Entkommenen eine so bedeutende, da? man sich uber ihre Flucht begluckwunschen konnte.

Ellen Butler war selbstverstandlich sofort aus ihrem Verstecke geholt worden. Das junge Madchen hatte sich nicht gefurchtet und sich uberhaupt vom Augenblicke der Gefangennahme an erstaunlich ruhig und besonnen gezeigt. Als Old Firehand dies erfuhr, erklarte er dem Vater:»Ich habe es bisher fur sehr gewagt gehalten, Ellen mit nach dem Silbersee zu nehmen, nun aber habe ich nichts mehr dagegen, denn ich bin uberzeugt, da? sie uns keine besondere Sorge machen wird.«

Da an eine Ruckkehr der Tramps nicht zu denken war, so konnte man, wenigstens was die Indianer betraf, den Rest der Nacht der Siegesfreude widmen. Sie erhielten zwei Rinder, welche geschlachtet und verteilt wurden, und bald ging von den Feuern der kraftige Duft des Bratens aus. Spater wurde die Beute verteilt. Die Waffen der Gefallenen und auch sonst alles, was dieselben bei sich gehabt hatten, waren den Roten uberlassen worden, ein Umstand, welcher dieselben mit Entzucken erfullte. Sie gaben demselben den bei ihnen gebrauchlichen Ausdruck. Lange Reden wurden gehalten, Kriegs- und andre Tanze aufgefuhrt; erst als der Tag anbrach, nahm der Larm ein Ende; der Jubel verstummte, und die Roten hullten sich in ihre Decken, um endlich einzuschlafen.

Anders die Rafters. Glucklicherweise war keiner von ihnen gefallen, doch hatten einige Verwundungen davongetragen. Old Firehand beabsichtigte, mit ihnen bei Tagesanbruch der Spur der Tramps zu folgen, um zu erfahren, wohin sich diese gewendet hatten. Darum hatten sie sich schlafen gelegt, um zur angegebenen Zeit gekraftigt und munter zu sein. Sie fanden dann, da? die Fahrte zuruck nach dem Osage-nook fuhrte, und folgten ihr bis dorthin; aber als sie ankamen, war der Platz leer. Old Firehand untersuchte ihn genau. Es waren inzwischen neue Scharen von Tramps angekommen gewesen; die Fluchtigen hatten sich mit diesen vereinigt und waren dann ohne Verweilen in nordlicher Richtung davongeritten, wohl ahnend, da? man sie hier aufsuchen werde. Sie hatten also ihre Absicht auf die Farm aufgegeben und ahnten nicht, da? Old Firehand den Plan genau kannte, den sie nun jetzt verfolgen wollten.

Achtes Kapitel

Ein Drama auf der Prairie

Uber die Prairie schritt langsam und mud ein Fu?ganger, eine seltene Erscheinung, wo selbst der allerarmste Teufel ein Pferd besitzt, da der Unterhalt desselben nichts kostet. Welchem Stande dieser Mann angehorte, das war schwer zu erraten. Sein Anzug war stadtisch, aber sehr abgetragen, und gab ihm das Aussehen eines friedlichen Mannes, wozu aber die alte, gewaltig lange Flinte, welche er geschultert trug, nicht recht passen wollte. Das Gesicht war bleich und eingefallen, wohl infolge der Entbehrungen, welche eine lange Fu?wanderung mit sich gebracht hatte. Zuweilen blieb er stehen, wie um auszuruhen, aber die Hoffnung, Menschen zu treffen, trieb ihn immer schnell wieder zur neuen Anstrengung seiner muden Fu?e. Er musterte wieder und immer wieder den Horizont, doch lange vergeblich, bis endlich sein Auge froh aufleuchtete — er hatte drau?en am Horizont einen Mann bemerkt, auch einen Fu?ganger, welcher von rechts her kam, so da? beide Richtungen zusammensto?en mu?ten. Das gab seinen Gliedern neue Spannkraft; er schritt schnell und weit aus und sah bald, da? er von dem andern bemerkt wurde, denn dieser blieb stehen, um ihn herankommen zu lassen.

Dieser andre war sehr eigentumlich gekleidet. Er trug einen blauen Frack mit rotem Stehkragen und gelben Knopfen, rotsammetne Kniehosen und hohe Stiefel mit gelbledernen Stulpen. Um seinen Hals war ein blauseidenes Tuch geschlungen und vorn in eine gro?e, breite Doppelschleife, welche die ganze Brust bedeckte, geknupft. Den Kopf beschattete ein breitkrempiger Strohhut. An einem um den Hals gehenden Riemen hing vorn ein Kasten aus poliertem Holze. Der Mann war lang und durr, das glatt rasierte Gesicht scharf geschnitten und hager. Wer in diese Zuge und in die kleinen, listigen Augen blickte, der wu?te sofort, da? er einen echten Yankee vor sich habe, einen Yankee von jener Sorte, deren Durchtriebenheit sprichwortlich geworden ist.

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