viel weniger sichtbare Fahrte nicht hatte entgehen konnen. Dieselbe fuhrte nach dem Flusse und dann stets am Ufer desselben aufwarts; sie war so deutlich, da? man Galopp reiten konnte, ohne sie zu verlieren.

Am Eagle-tail, unweit der Brucke, waren die Tramps halten geblieben. Einer von ihnen, wohl der Cornel, war dann unter dem Schutze der dort stehenden Baume und Straucher hinauf nach dem Geleise geschlichen, wo er jedenfalls Zeuge der Gefangennahme der ganzen Gesellschaft gewesen war. Nach seiner Ruckkehr hatten sie sich aus dem Staube gemacht.

Die Jager und Rafters folgten der Spur wohl noch eine halbe Stunde lang und kehrten dann, als sie genau wu?ten, welche Richtung die Fluchtigen eingeschlagen hatten, nach der Brucke zuruck. Die Tramps hatten ihren Weg nach dem Busch-Creek genommen, ein fast sicheres Zeichen, da? sie die Absicht hegten, sich nach Colorado und von dort aus jedenfalls nach dem Silbersee zu wenden.

Indessen waren die vier Rafters aus Sheridan zuruckgekehrt. Sie hatten auch Hartley und den Ingenieur Charoy mitgebracht, welche mit nach Fort Wallace wollten, wo ihre Aussage von Wichtigkeit war. Die Arbeiter begaben sich zu Fu?e nach Sheridan; sie nahmen als Belohnung die Waffen mit, welche den Tramps abgenommen worden waren. Zum Transport der letzteren waren mehr als genug Wagen vorhanden. Der Bauzug stand auch da und ebenso der» Geldzug«, welcher freilich kein Geld enthalten hatte. Nachdem die Gefangenen aufgeladen worden waren, stiegen die andern ein und die beiden Zuge setzten sich in Bewegung. Die Dragoner aber kehrten zu Pferde nach Fort Wallace zuruck.

Dort hatte sich das Ereignis indessen herumgesprochen und die Bevolkerung war au?erordentlich gespannt, zu erfahren, welchen Verlauf dasselbe genommen habe. Als die Zuge ankamen, drangte sich alles herbei, und die Tramps wurden auf eine Weise empfangen, welche ihnen einen Vorgeschmack dessen gab, was sie hier spater, nach ihrer Verurteilung, zu erwarten hatten. Waren es nicht ihrer so viele gewesen, und hatte ihre Eskorte es nicht zu verhuten gewu?t, so waren sie gewi? gelyncht worden.

Sie hatten ubrigens gro?e Verluste erlitten, da fast der vierte Teil ihrer Anzahl tot im Tunnel aufgefunden worden war. Noch heute erzahlt man sich in jener Gegend von dieser beruhmten Ausraucherung der Tramps im Tunnel des Eagle-tail, wobei naturlich die Namen von Old Firehand und Winnetou genannt werden.

Elftes Kapitel

In der Klemme

Da, wo jenseits des Cumison River sich die Elk Mountains erheben, ritten vier Manner uber ein Hochplateau, welches mit kurzem Grase bewachsen war und, so weit das Auge reichte, weder Straucher noch Baume zeigte. Obgleich man im fernen Westen daran gewohnt ist, au?ergewohnliche Gestalten zu sehen, so hatten diese vier Reiter einem jeden, der ihnen begegnet ware, auffallen mussen.

Der eine von ihnen, dem man es sofort ansah, da? er der vornehmste sei, ritt einen prachtvollen Rapphengst von der Art, welche man bei gewissen Apachenstammen zuchtet. Seine Gestalt war nicht zu hoch und breit, und dennoch machte sie den Eindruck gro?er Kraft und Ausdauerfahigkeit. Sein sonnverbranntes Gesicht wurde von einem dunkelblonden Vollbart umrahmt. Er trug lederne Leggins, ein Jagdhemd aus demselben Stoffe und lange Stiefeln, welche er bis uber das Knie heraufgezogen hatte. Auf seinem Kopfe sa? ein breitkrempiger Filzhut, in dessen Schnur rundum die Ohrenspitzen des Grizzlybaren steckten. Der breite, aus einzelnen Lederriemen geflochtene Gurtel schien mit Patronen gefullt zu sein und enthielt au?erdem zwei Revolver und ein Bowiemesser. Ferner hingen an demselben zwei Paar Schraubenhufeisen und vier fast kreisrunde, dicke Schilf- und Strohgeflechte, welche mit Riemen und Schnallen versehen waren. Jedenfalls waren diese bestimmt, dem Pferde an die Hufe geschnallt zu werden, falls es galt, einen Verfolger irre zu fuhren. Von der linken Schulter nach der rechten Hufte hing ein zusammengeschlungener Lasso und um den Hals an einer festen Seidenschnur eine mit Kolibribalgen verzierte Friedenspfeife. In der Rechten hielt er ein kurzlaufiges Gewehr, dessen Schlo? von einer hochst eigenartigen Konstruktion zu sein schien, und auf dem Rucken trug er an einem breiten Riemen ein sehr langes und sehr starkes Doppelgewehr von der jetzt au?erst seltenen Art, welche man fruher Barentoter nannte und aus deren Laufen man nur Kugeln allergro?ten Kalibers scho?. Dieser Mann war Old Shatterhand, der beruhmte Jager, welcher diesen Beinamen dem Umstande verdankte, da? er einen Feind mit einem blo?en Hiebe seiner Faust zu erlegen vermochte.

Neben ihm ritt ein kleines, schmachtiges und bartloses Kerlchen in einem blauen langschossigen Fracke mit gelben, sehr blank geputzten Knopfen. Auf seinem Kopfe sa? ein gro?er Damen-, sogenannter Amazonenhut, auf welchem sich eine riesige Feder bewegte. Die Hosen waren ihm zu kurz, und die nackten Fu?e steckten in alten, derben Lederschuhen, an denen gro?e, mexikanische Sporen befestigt waren. Dieser Reiter hatte ein ganzes Arsenal von allerlei Waffen an und um sich hangen; aber wer ihm in das gutmutige Gesichtchen blickte, der mu?te die Meinung hegen, da? diese gewaltige Armatur nur die Bestimmung habe, etwaige Feinde abzuschrecken. Dieses Mannchen war Herr Heliogabalus Morpheus Franke, von seinen Gefahrten gewohnlich nur der Hobble-Frank genannt, weil er infolge einer fruheren Verwundung auf dem einen Beine hinkte.

Hinter diesen beiden ritt zunachst eine weit uber sechs Fu? lange, aber auch desto hagerere Figur auf einem alten, niedrigen Maultiere, welches kaum die Kraft zu haben schien, den Reiter zu tragen. Dieser trug eine Lederhose, welche jedenfalls fur eine weit kurzere und dafur starkere Gestalt zugeschnitten worden war. Auch bei ihm steckten die ebenfalls nackten Fu?e in Lederschuhen, welche so oft besetzt und geflickt worden waren, da? sie nun aus lauter Flecken und zusammengesetzten Stucken bestanden; einer derselben war wenigstens seine funf oder sechs Pfund reichlich schwer. Der Leib dieses Mannes steckte in einem Buffellederhemde, welches die Brust unbedeckt lie?, weil es weder Knopfe noch Heftel und Schlingen hatte. Die Armel desselben reichten kaum uber den Ellbogen vor. Um den langen Hals war ein Baumwollentuch geschlungen, dessen ursprungliche Farbe nicht mehr zu erkennen war. Auf dem spitzen Kopfe sa? ein Hut, welcher vor langen Jahren einmal ein grauer» Cylinder «gewesen war. Vielleicht hatte er da den Kopf eines Millionars gekront; dann aber war er tiefer und immer tiefer gesunken und schlie?lich in die Prairie und die Hande seines gegenwartigen Besitzers geraten. Dieser hatte die Krempe fur uberflussig gehalten, sie also abgerissen und nur ein kleines Stuckchen daran gelassen, um dasselbe als Handhabe beim Abnehmen der unbeschreiblich verbogenen und zerknillten Kopfbedeckung zu benutzen. In einem dicken Stricke, welcher ihm als Gurtel diente, steckten zwei Revolver und ein Skalpmesser und au?erdem hingen an demselben mehrere Beutel, welche alle die Kleinigkeiten enthielten, die ein Westmann nicht gut entbehren kann. Von seinen Schultern hing ein Gummimantel, aber was fur einer! Dieses Prachtstuck war gleich vom ersten Regen so eingegangen und zusammengeschrumpft, da? es seine ursprungliche Bestimmung nie wieder erfullen konnte und fernerhin nur wie eine Husarenjacke getragen werden mu?te. Quer uber seine unendlich langen Beine hatte dieser Mann eine jener Rifles liegen, mit denen der geubte Jager niemals sein Ziel verfehlt. Wie alt er war, das konnte man nicht erraten und nicht sagen, und ebensowenig war das Alter seines Maultieres zu bestimmen. Hochstens war zu vermuten, da? die beiden sich genau kannten und schon manches Abenteuer miteinander erlebt hatten.

Der vierte Reiter sa? auf einem sehr hohen und starken Klepper. Er war sehr, sehr beleibt, aber so klein, da? seine kurzen Beine die Flanken des Pferdes nur halb zu fassen vermochten. Er trug, obgleich die Sonne fast hei? herniederschien, einen Pelz, welcher aber an hochgradiger Haarlosigkeit litt. Hatte man die Haare desselben sammeln wollen, so hatte man wohl kaum genug erhalten, um das Fell einer Maus damit auszustatten. Auf dem Kopfe sa? ein viel zu gro?er Panamahut, und unter dem nackten Pelze blickten zwei riesige Aufschlagstiefeln hervor. Da die Armel des Pelzes viel zu lang waren, so konnte man von dem ganzen Manne eigentlich nur das fette, rote und gutherzig listige Gesicht sehen. Er war mit einer langen Rifle versehen. Was fur Waffen er au?erdem besa?, war jetzt nicht zu erkennen, da der Pelz alles verdeckte.

Diese beiden Manner waren David Kroners und Jakob Pfefferkorn, alluberall nur als der» lange Davy «und der» dicke Jemmy «bekannt. Sie waren unzertrennlich, und niemand hatte den einen von ihnen gesehen, ohne da? der andre dabei oder wenigstens in der Nahe gewesen ware. Jemmy war ein Deutscher und Davy ein Yankee, doch hatte der letztere wahrend der vielen Jahre, welche beide zusammen gewesen waren, von dem ersteren so viel Deutsch gelernt, da? er sich auch in dieser Sprache genugend auszudrucken verstand. Ebenso unzertrennlich wie die beiden Reiter waren auch ihre Tiere. Sie standen stets nebeneinander; sie grasten zusammen, und wenn sie an irgend einem Lagerplatze gezwungen waren, die Gesellschaft andrer Reittiere zu dulden, so ruckten sie wenigstens ein Stuckchen von diesen ab und drangten sich desto enger Seite an Seite, um sich mit Schnauben, Schnuffeln und Lecken zu liebkosen.

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