Wortgefecht zwischen Jemmy und dem Hobble-Frank zu Ende war.
Als sie die am Feuer sitzende Gesellschaft erblickten, hielten sie fur einen Augenblick an, doch erkannten sie sofort, da? sie von diesen Leuten nur Gutes anstatt Schlimmes zu gewartigen hatten.
«Also wir sind Jager, verstanden?«flusterte Knox Hilton zu.
«Ja, «antwortete dieser.»Aber sie werden uns fragen, woher wir kommen!«
«So la? nur mich antworten.«
Jetzt erblickte Old Shatterhand die beiden. Ein andrer ware erschrocken; bei ihm aber war Schreck eine Unmoglichkeit, er nahm den Stutzen in die Hand und sah ihnen, als sie sich naherten, ernst und erwartungsvoll entgegen.
«Good day, Mesch'schurs!«gru?te Knox.»Ist es vielleicht erlaubt, sich hier bei euch ein wenig auszuruhen?«
«Es ist uns jeder ehrliche Mann willkommen, «antwortete Old Shatterhand, indem er mit scharfem Auge erst die Reiter und dann die Pferde betrachtete.
«Hoffentlich haltet Ihr uns nicht fur das Gegenteil!«meinte Hilton, indem er den durchdringenden Blick des Jagers scheinbar ruhig aushielt.
«Ich urteile uber meine Mitmenschen nur dann, wenn ich sie kennen gelernt habe.«
«Nun, so gestattet, da? wir Euch die Gelegenheit dazu geben!«
Die beiden waren abgestiegen und setzten sich mit an das Feuer. Sie hatten jedenfalls Hunger, denn sie warfen ziemlich sehnsuchtige Blicke nach dem Braten. Der gutmutige Jemmy schob ihnen einige Stucke desselben zu und forderte sie auf, zu essen, was sie sich nicht zweimal sagen lie?en. Jetzt verbot es die Hoflichkeit, Fragen an sie zu richten; darum wurde die Zeit, bis sie gesattigt waren, in Schweigen verbracht.
Der andre erwahnte Trupp, welcher sich dem Walde von der andern Seite naherte, bestand aus einer Schar von gegen zweihundert Indianern. Old Shatterhand war zwar auch auf dieser Seite gewesen, um zu rekognoszieren, aber er hatte, als er die dort sich offnende Prairie uberblickte, die heranreitenden Roten nicht sehen konnen, da sie sich zu dieser Zeit noch hinter einer vorspringenden Waldesecke befunden hatten. Auch sie mu?ten die Gegend genau kennen, denn sie hielten gerade auf den Ausgang des schmalen Waldpfades zu, durch dessen Eingang die Wei?en nach der Blo?e gekommen waren.
Die Roten befanden sich auf dem Kriegspfade, wie die grellen Farben bezeugten, mit denen sie ihre Gesichter angemalt hatten. Die meisten waren mit Schie?gewehren und nur wenige mit Bogen und Pfeilen bewaffnet. An ihrer Spitze ritt ein riesenhafter Kerl, welcher ein Hauptling war, denn er trug eine Adlerfeder im Schopfe. Sein Alter war nicht zu erkennen, da auch sein Gesicht ganz mit schwarzen, gelben und roten Linien bedeckt war.
Am Pfade angekommen, stieg er ab, um denselben zu untersuchen. Die vordersten Krieger des Zuges, welche hinter ihm hielten, sahen seinem Beginnen mit Spannung zu. Ein Pferd schnaubte. Er erhob warnend die Hand und der betreffende Reiter hielt dem Tiere die Nustern zu. Da der Hauptling damit zur gro?ten Stille aufforderte, mu?te er etwas Verdachtiges bemerkt haben. Er ging langsam, Schritt fur Schritt und den Oberkorper tief zum Boden niedergesenkt, eine kurze Strecke auf dem Pfade weiter in den Wald hinein. Als er dann zuruckkehrte, sagte er leise in der Sprache der Utah, welche ein Glied der shoshonischen Abteilung des Sonorasprachstammes ist:»Ein Bleichgesicht war hier vor der Zeit, welche die Sonne braucht, um eine Spanne weit zu laufen. Die Krieger der Utah mogen sich mit ihren Pferden unter den Baumen verbergen. Ovuts-avaht wird gehen, um das Bleichgesicht zu suchen.«
Der Hauptling, welcher fast noch langer, breiter und starker als Old Firehand war, hie? also Ovuts-avaht, zu deutsch der gro?e Wolf. Er schlich in den Wald zuruck; als er nach vielleicht einer halben Stunde zuruckkehrte, war keiner seiner Leute zu sehen. Er lie? einen leisen Pfiff horen und sofort kamen die Roten unter den Baumen hervor, indem sie die Pferde dort zurucklie?en. Er gab einen Wink, auf welchen die Unteranfuhrer, funf oder sechs an der Zahl, zu ihm traten.
«Sechs Bleichgesichter lagern bei den Felsen, «sagte er ihnen.»Das sind wohl die sechs, welche gestern entkamen. Sie essen Fleisch, und ihre Pferde weiden bei ihnen. Meine Bruder mogen mir folgen, bis der Pfad zu Ende geht; dann teilen sie sich; die Halfte schleicht nach rechts, die andern nach links, bis die Lichtung umstellt ist. Dann werde ich das Zeichen geben und die roten Krieger brechen hervor. Die wei?en Hunde werden so erschrocken sein, da? sie sich gar nicht wehren. Wir werden sie mit den Handen greifen und nach dem Dorfe schaffen, um sie dort an den Pfahl zu binden. Funf Leute bleiben hier, um die angebundenen Pferde zu bewachen. Howgh!«
Dieses letztere Wort ist ein Bekraftigungswort und hat ungefahr die Bedeutung unsers» Amen «oder» Pasta«,»abgemacht«! Wenn ein Indianer dies ausspricht, so halt er den Gegenstand fur vollstandig erschopft besprochen und erledigt.
Ihren Hauptling voran, drangen die Roten auf dem Pfade in den Wald ein, leise, so leise, da? nicht eine Spur von Gerausch zu horen war. Als sie die Stelle erreichten, an welcher der Weg auf die Blo?e mundete, gingen sie nach beiden Seiten auseinander, um den Platz zu umstellen. Ein Reiter hatte nicht in den Wald eindringen konnen; zu Fu?e aber und fur die gewandten Gestalten der Indianer war es moglich.
Die Wei?en hatten soeben ihr Mahl verzehrt. Hobble-Frank schob sein Bowiemesser in den Gurtel und sagte, naturlich in englischer Sprache, um von den beiden Neuangekommenen verstanden zu werden:»Jetzt haben wir gegessen und die Pferde sind ausgeruht; nun konnen wir wieder aufbrechen, um noch vor Nacht an unser heutiges Ziel zu gelangen.«
«Ja, «stimmte Jemmy bei.»Aber vorher ist es notwendig, da? wir uns kennen lernen und wissen, wohin wir beiderseits gehen.«
«Das ist richtig, «nickte Knox.»Darf ich also erfahren, welches Ziel Ihr heute noch erreichen wollt?«
«Wir reiten nach den Elkbergen.«
«Wir auch. Das trifft sich ausgezeichnet. Da konnen wir ja zusammenreiten.«
Old Shatterhand sagte kein Wort. Er gab Jemmy einen verstohlenen Wink, das Examen fortzusetzen, denn er wollte erst dann sprechen, wenn er seine Zeit gekommen sah.
«Mir soll es recht sein, «antwortete der Dicke.»Aber wo wollt ihr dann weiter hin?«
«Das ist noch unbestimmt. Vielleicht nach dem Greenriver hinuber, um nach Bibern zu suchen.«
«Da werdet ihr wohl nicht viele finden. Wer Dickschwanze fangen will, mu? weiter nordlich gehen. So seid ihr also Trapper, Biberjager?«
«Ja. Ich hei?e Knox und mein Gefahrte Hilton.«
«Aber wo habt Ihr denn Eure Biberfallen, Master Knox, ohne welche Ihr keinen Fang machen konnt?«
«Die sind uns da unten am San Juanflusse von Dieben, vielleicht von Indianern, gestohlen worden. Vielleicht treffen wir ein Kamp, wo es welche zu kaufen gibt. Ihr meint also, da? wir uns euch zunachst bis nach den Elkbergen anschlie?en durfen?«
«Habe nichts dagegen, wenn meine Gefahrten es zufrieden sind.«
«Schon, Master! So durfen wir nun wohl eure Namen erfahren?«
«Warum nicht! Mich nennt man den dicken Jemmy; mein Nachbar rechts ist der — «
«Der lange Davy wohl?«fiel Knox schnell ein.
«Ja. Ihr erratet es wohl?«
«Naturlich! Ihr seid ja weit und breit bekannt, und wo der dicke Jemmy sich befindet, da braucht man nicht lange nach seinem Davy zu suchen. Und der kleine Master hier an Eurer linken Seite?«
«Den nennen wir Hobble-Frank; ein famoses Kerlchen, den Ihr schon noch kennen lernen werdet.«
Frank warf einen warmen, dankbaren Blick auf den Sprecher, und dieser fuhr fort:»Und der letzte Name, den ich Euch zu nennen habe, ist Euch jedenfalls noch besser bekannt, als der meinige. Ich denke doch, da? Ihr von Old Shatterhand gehort habt.«
«Old Shatterhand?«rief Knox aufs freudigste uberrascht.»Wirklich? Ist's wahr, Sir, da? Ihr Old Shatterhand seid?«
«Warum sollte es nicht wahr sein, «antwortete der Genannte.
«Dann erlaubt mir, Euch zu sagen, da? ich mich unendlich freue, Euch kennen zu lernen, Sir!«
Er streckte bei diesen Worten dem Jager die Hand entgegen und warf dabei Hilton einen Blick zu, welcher diesem sagen sollte:»Du, freue dich auch, denn nun sind wir geborgen. Wenn wir bei diesem beruhmten Mann sind, haben wir nichts mehr zu befurchten. «Old Shatterhand aber that, als ob er die ihm angebotene Hand gar nicht bemerkte und entgegnete in kaltem Tone:»Freut Ihr Euch wirklich? Dann ist es schade, da? ich Eure Freude