gehort, da? er in der Beratung der Weiseste und im Kampfe der Tapferste sei. Ich freue mich also jetzt, sein Angesicht zu sehen und ihn als Freund begru?en zu konnen.«
Der Indianer ignorierte die Hand des Wei?en, musterte mit scharfem Blicke die Gestalt und das Gesicht desselben, und antwortete, indem er nieder zur Erde deutete:»Setzen wir uns! Die Krieger der Utahs haben ihre Kriegsbeile gegen die Bleichgesichter ausgraben mussen, und es gibt also keinen einzigen Wei?en, den ich als Freund begru?en kann.«
Er lie? sich nieder, und Old Shatterhand setzte sich ihm gegenuber.
Das Feuer war verloscht; neben der Asche desselben lagen noch Knox und Hilton, welche sehr schwer betaubt oder gar tot sein mu?ten, da sie sich noch immer nicht bewegten. Old Shatterhands Mustang hatte die Indianer gerochen, noch ehe die Stimme des Hauptlings erschollen war, und sich schnaubend in die Nahe des Felsens gemacht. Davys altes Maultier besa? eine ebenso feine Rase und war diesem Beispiele gefolgt. Die Pferde Franks und Jemmys hatten sich das zur Lehre dienen lassen, und so standen die vier Tiere jetzt hart am Felsen, und ihre Haltung, ihr Benehmen zeigte, da? sie sich der Gefahr, in welcher sie sich mit ihren Herren befanden, wohl bewu?t waren.
Keiner der beiden einander gegenuber Sitzenden schien beginnen zu wollen. Old Shatterhand blickte wartend und so gleichgultig, als ob ihm nicht das mindeste geschehen konne, vor sich nieder. Der Rote aber konnte seinen prufenden Blick nicht von dem Wei?en lassen. Die Farbe, welche dick auf seinem Gesichte lag, lie? den Ausdruck desselben nicht erkennen; aber die breit und etwas abwarts gezogenen Mundwinkel deuteten an, da? er sich von dem viel besprochenen Jager eine Vorstellung gemacht hatte, welche durch die au?ere Gestalt desselben jetzt nicht bestatigt wurde. Dies zeigte sich, als er jetzt endlich die fast ironische Bemerkung machte:»Der Ruf Old Shatterhands ist gro?; aber seine Gestalt ist nicht mit demselben fortgewachsen.«
Old Shatterhand ragte uber die gewohnliche Gro?e hinaus, war aber dem Au?ern nach keineswegs ein Gigant. Er hatte in der Vorstellung des Roten jedenfalls als ein wahrer Goliath gelebt. Der Jager antwortete lachelnd:»Was hat die Gestalt mit dem Rufe zu thun? Soll ich dem Hauptlinge der Utah etwa antworten: Die Gestalt des» gro?en Wolfes «ist gro?, aber sein Ruf, seine Tapferkeit ist nicht gleichma?ig mit ihr gewachsen?«
«Das wurde eine Beleidigung sein, «erklarte der Rote mit blitzenden Augen,»auf welche ich dich sofort verlassen wurde, um den Befehl zum Beginne des Kampfes zu erteilen!«
«Warum erlaubst du dir da eine solche Bemerkung uber meine Gestalt? Zwar konnen deine Worte einen Old Shatterhand nicht beleidigen, aber sie enthalten eine Mi?achtung, welche ich nicht dulden darf. Ich bin wenigstens ein ebenso gro?er Hauptling wie du; ich werde hoflich mit dir sprechen und verlange von dir die gleiche Hoflichkeit. Das mu? ich dir sagen, bevor wir unsre Unterredung beginnen, denn sonst wurde dieselbe zu keinem guten Ziele fuhren.«
Er war es sich und seinen drei Begleitern schuldig, dem Roten diesen Verweis zu geben. Je kraftiger er auftrat, desto mehr imponierte er, und von dem Eindrucke, welchen er jetzt hervorbrachte, hing die Gestaltung seiner Lage ab.
«Es gibt nur ein einziges Ziel und kein andres, «erklarte der» gro?e Wolf«.
«Welches?«
«Euer Tod.«
«Das ware ein Mord, denn wir haben euch nichts gethan.«
«Du befindest dich in der Gesellschaft der Morder, welche wir verfolgen!«
«Glaubst du, da? ich dabei war, als sie euch des Nachts uberfielen?«
«Nein. Old Shatterhand ist kein Pferdedieb; er hatte sie von ihrem Beginnen abgehalten.«
«Nun, warum behandelst du mich dennoch als Feind?«
«Du bist mit ihnen geritten.«
«Nein, das ist nicht wahr. Sende einen deiner Leute auf unsrer Spur zuruck. Er wird bald sehen, da? diese beiden Manner erst nach uns gekommen und auf unsre Fahrte gesto?en sind.«
«Das andert nichts. Die Bleichgesichter haben uns im tiefsten Frieden uberfallen, unsre Pferde geraubt und viele von unsern Kriegern getotet. Unser Grimm war gro?, doch unsre Bedachtsamkeit nicht kleiner. Wir schickten weise Manner ab, um Bestrafung der Schuldigen und Ersatz fur unsre Verluste zu verlangen; man hat sie ausgelacht und abgewiesen. Darum haben wir die Tomahawks ausgegraben und geschworen, da?, bis unsre Rache vollendet ist, jeder Wei?e, welcher in unsre Hande fallt, getotet werden soll. Diesen Schwur mussen wir halten, und du bist ein Wei?er.«
«Der aber unschuldig ist!«
«Waren meine Krieger, welche man totete, etwa eines Fehlers schuldig? Verlangst du, da? wir barmherziger sein sollen als unsre Widersacher und Morder?«
«Ich beklage, was geschehen ist. Der» gro?e Wolf «wird wissen, da? ich ein Freund der roten Manner bin.«
«Ich wei? es; aber dennoch mu?t auch du sterben. Wenn die ungerechten Bleichgesichter, welche unsre Klagen nicht berucksichtigen, erfahren, da? sie durch ihr Verhalten den Tod vieler Gerechter, sogar Old Shatterhands, verschuldet haben, so werden sie sich dies zur Lehre dienen lassen und in Zukunft kluger und einsichtsvoller handeln.«
Das klang gefahrlich. Der Indianer sprach im vollsten Ernste, und die Folgerung, welche er zog, war gar nicht unlogisch entstanden. Dennoch antwortete Old Shatterhand:»Der» gro?e Wolf «denkt nur an seinen Schwur, aber nicht an die Folgen desselben. Wenn ihr uns totet, wird ein Schrei der Entrustung uber die Berge und Prairien erschallen, und Tausende von Bleichgesichtern werden sich gegen euch aufmachen, um unsern Tod zu rachen. Diese Rache wird um so strenger sein, als wir stets die Freunde der roten Manner waren.«
«Ihr? Nicht du allein? Du sprichst auch von deinen Gefahrten? Wer sind sie denn, diese Bleichgesichter?«
«Der eine hei?t Hobble-Frank, und du wirst ihn vielleicht nicht kennen; aber die Namen der beiden andern hast du oft gehort; sie sind der dicke Jemmy und der lange Davy.«
«Ich kenne sie. Man hat nie den einen ohne den andern gesehen, und ich habe niemals erfahren, da? sie Feinde der Indianer seien. Aber gerade deshalb wird ihr Tod die ungerechten Hauptlinge der Wei?en belehren, wie unklug es von ihnen war, unsre Gesandten fortzuweisen. Euer Schicksal ist entschieden, aber es wird ein ehrenvolles sein. Ihr seid tapfere und beruhmte Manner und sollt den qualvollsten Tod erleiden, den wir euch nur bieten konnen. Ihr werdet ihn erdulden, ohne mit der Wimper zu zucken, und die Kunde davon wird durch alle Lande erklingen. Dadurch wird euer Ruhm noch glanzender, als er bisher war, und ihr werdet in den ewigen Jagdgrunden zu gro?em Ansehen gelangen. Ich hoffe, da? du erkennst, welche Rucksicht das von uns ist, und uns dafur dankbar bist!«
Old Shatterhand war keineswegs uber die ihm hier gebotenen Vorteile entzuckt. Er lie? das aber nicht merken und antwortete:»Deine Absicht ist eine sehr gute, und ich lobe dich dafur; aber diejenigen, welche uns rachen, werden dir nicht dankbar dafur sein.«
«Ich lache uber sie; sie mogen kommen!«
«Meinst du, da? du sie besiegen wirst, da? es ihrer wenige sein durften?«
«Ovuts-avaht hat nicht die Gewohnheit, seine Feinde zu zahlen. Und wei?t du nicht, wie zahlreich wir dann sein werden? Es werden sich versammeln die Krieger der Weawers, der Uinta, Yampa, Sampitsches, Pah-vants, Wiminutsches Elks, Capotes, Pais, Tasches, Muatsches und Tabequatsches. Diese Volker alle gehoren zu dem Stamme der Utahs; sie werden die wei?en Krieger zermalmen.«
«So gehe nach dem Osten und zahle die Wei?en! Und welche Anfuhrer werden sie haben! Es werden uns Racher erstehen, von denen ein einziger viele, viele Utahs aufwiegt.«
«Wer ware das?«
«Ich will dir nur einen nennen, namlich Old Firehand.«
«Er ist ein Held; er ist unter den Bleichgesichtern das, was der Grizzly unter Prairiehunden ist, «gab der Hauptling zu.»Aber er ware auch der einzige; einen zweiten kannst du mir nicht nennen.«
«O, viele, noch viele konnte ich anfuhren; aber ich will nur noch einen erwahnen, Winnetou, den du wohl kennen wirst.«
«Wer sollte ihn nicht kennen, aber wenn er hier ware, mu?te er auch sterben; er ist unser Feind.«
«Nein; er wagt und la?t sein Leben fur jeden seiner roten Bruder.«
«Schweig davon! Er ist der Hauptling der Apachen. Die Wei?en fuhlen sich zu schwach gegen uns; sie haben zu den Navajos gesandt und diese gegen uns aufgehetzt.«