Sam musste ehrlich sein. »Gro?artig.«
»Bauen Sie ihm sein Schiff.«
Die Kulisse war in zehn Tagen fertig, und Bert Firestone nahm mit seinem Team die Dreharbeiten zu There's Always Tomorrow wieder auf. Der Film wurde zum gro?ten Erfolg des Jahres.
Das nachste Problem war Tessie Brand.
Tessie war die geilste Sangerin im Showgeschaft. Die Nachricht, dass es Sam Winters gelungen war, sie fur drei Filme bei den Pan-Pacific-Studios zu verpflichten, hatte wie eine Bombe eingeschlagen. Wahrend die anderen Studios mit Tessies Agenten verhandelten, war Sam heimlich nach New York geflogen, hatte sich Tessies Show angesehen und sie hinterher zum Essen eingeladen. Es hatte bis sieben Uhr morgens gedauert.
Tessie Brand war eines der hasslichsten Madchen, die Sam je gesehen hatte, und wahrscheinlich das Begabteste. Es war das Talent, das sich durchsetzte. Als Tochter eines Schneiders in Brooklyn geboren, hatte Tessie nie in ihrem Leben «ine Gesangstunde gehabt. Aber wenn sie auf die Buhne trat und mit einer Stimme loslegte, die die Dachbalken erschutterte, spielte das Publikum verruckt. Tessie hatte als zweite Besetzung in einem Broadway-Musical mitgewirkt, das nur sechs Wochen gelaufen war. Am letzten Abend hatte eine der Hauptdarstellerinnen den Fehler begangen, sich krank zu melden und zu Hause zu bleiben. Tessie Brand gab an jenem Abend ihr Debut, sang aus vollem Herzen zu den paar Leuten im Publikum, zu denen zufallig auch Paul Varrick, ein Broadway-Regisseur, gehorte. Er stellte Tessie in seinem nachsten Musical als Star heraus. Sie machte aus der ma?igen Show einen Kassenschlager. Die Kritiker uberboten sich in dem Versuch, die unglaubliche, ha?liche Tessie und ihre sagenhafte Stimme in Superlativen zu beschreiben. Sie nahm ihre erste Platte auf. Uber Nacht wurde sie zur Nummer eins. Sie machte eine Plattenserie, und innerhalb eines Monats wurden zwei Millionen Stuck verkauft. Sie war wie Konig Midas, denn alles, was sie beruhrte, wurde zu Gold. Broadway-Regisseure und Plattenfirmen machten ein Vermogen mit Tessie Brand, und auch Hollywood wollte ins Geschaft einsteigen. Die Begeisterung legte sich, sobald sie einen Blick auf Tessies Gesicht geworfen hatten, aber ihr Kassenerfolg gab ihr eine unwiderstehliche Schonheit.
Nachdem Sam funf Minuten mit ihr zusammen war, wusste er, wie er sie zu nehmen hatte.
»Was mich nervos macht«, gestand sie Sam am ersten Abend ihrer Bekanntschaft, »ist, wie ich auf dieser gro?en Leinwand aussehen werde. Ich bin schon in Wirklichkeit hasslich genug, stimmt's? Alle Studios sagen mir, dass sie mich auf schon hintrimmen konnen, aber ich glaube, das ist ganz gro?er Mist.«
»Das ist es auch«, sagte Sam. Tessie blickte ihn uberrascht an. »Lassen Sie nicht zu, dass man Sie verandert, Tessie. Es ware Ihr Ruin.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sich selbst mussen Sie verkaufen – Tessie Brand, nicht eine Kunstpuppe da oben.«
»Sie sind der erste, der mich versteht«, sagte Tessie. »Sie sind ein Mensch. Sind Sie verheiratet?«
»Nein«, sagte Sam.
»Treiben Sie sich rum?«
Sam lachte. »Mit Sangerinnen nie – ich bin unmusikalisch.«
»Das ist auch nicht notig.« Tessie lachelte. »Sie gefallen mir.«
»Gefalle ich Ihnen gut genug, um einige Filme mit mir zu machen?« Sie sah ihn an und antwortete: »Klar.«
»Wundervoll. Ich werde den Vertrag mit Ihrem Agenten ausarbeiten.«
Sie streichelte Sams Hand und sagte: »Sind Sie sicher, dass Sie sich nicht rumtreiben?«
Tessie Brands ersten beiden Filme ubertrafen alles bisher Dagewesene. Sie wurde fur den ersten von einer Akademie ausgezeichnet und erhielt einen Oscar fur den zweiten. Das Publikum in der ganzen Welt stand Schlange vor den Kinos, um Tessie zu sehen und diese unglaubliche Stimme zu horen. Sie war ein Allround-Talent. Sie war komisch, konnte singen und spielen. Ihre Hasslichkeit erwies sich als ein gro?er Vorteil, weil das Publikum sich mit ihr identifizierte. Tessie Brand wurde ein Erfolgssymbol fur alle Reizlosen, Ungeliebten, Unerwunschten.
Tessie heiratete den Hauptdarsteller ihres ersten Films, lie? sich nach den Wiederholungsaufnahmen von ihm scheiden und heiratete den Hauptdarsteller ihres nachsten Films. Sam hatte geruchtweise gehort, dass auch diese Ehe in die Bruche ging, aber Hollywood war eine Brutstatte fur Klatsch. Er schenkte dem keine Aufmerksamkeit, denn er war der Meinung, dass es ihn nichts anging.
Es stellte sich heraus, dass er sich irrte.
Sam telefonierte mit Barry Herman, Tessies Agent. »Was ist los, Barry?«
»Es geht um Tessies neuen Film. Sie ist nicht glucklich damit, Sam.«
Sam geriet in Wut. »Moment mal! Tessie war mit dem Produzenten, dem Regisseur und dem Drehbuch einverstanden. Wir haben die Kulissen bauen lassen und sind startbereit. Es gibt keine Moglichkeit fur sie, noch auszusteigen. Ich werde -«
»Sie mochte gar nicht aussteigen.«
Sam war verblufft. »Was zum Donnerwetter will sie also?«
»Sie will einen neuen Regisseur fur den Film.«
Sam brullte ins Telefon: »Was will sie?«
»Ralph Dastin versteht sie nicht.«
»Dastin ist einer der besten Regisseure in der Branche. Sie kann von Gluck sagen, dass sie ihn hat.«
»Ganz Ihrer Meinung, Sam. Aber die chemische Zusammensetzung stimmt nicht. Sie macht den Film nicht, es sei denn, er steigt aus.«
»Sie hat einen Vertrag, Barry.«
»Das wei? ich, mein Lieber. Und glauben Sie mir, Tessie beabsichtigt durchaus, ihn einzuhalten. Solange sie physisch dazu in der Lage ist. Nur – sie wird nervos, wenn sie unglucklich ist, und kann sich dann nicht mehr an ihren Text erinnern.«
»Ich rufe Sie wieder an«, sagte Sam wutend. Er knallte den Horer hin.
Dieses gottverdammte Luder! Es gab uberhaupt keinen Grund, Dastin rauszuwerfen. Wahrscheinlich hatte er sich geweigert, mit ihr zu schlafen, oder etwas ahnlich Lacherliches. Er sagte zu Lucille: »Bitten Sie Ralph Dastin zu mir zu kommen.»:
Ralph Dastin war ein liebenswurdiger Mann in den Funfzigern. Er hatte als Schriftsteller angefangen und war schlie?lich Regisseur geworden. Seine Filme hatten Geschmack und Charme.
»Ralph«, begann Sam. »Ich wei? nicht, wie ich -«
Dastin hob die Hand. »Sie brauchen nichts zu sagen, Sam. Ich war sowieso auf dem Weg hierher, um Ihnen mitzuteilen, dass ich kundige.«
»Was zum Teufel geht hier vor?« fragte Sam.
Dastin zuckte die Schultern. »Unseren Star juckt's. Sie will jemand anders, der sie kratzt.«
»Soll das hei?en, dass sie schon einen Ersatz fur Sie gefunden hat?«
»Himmel, leben Sie auf dem Mond? Lesen Sie nicht die Klatschspalten?«
»Nicht, wenn ich es vermeiden kann. Wie hei?t er?«
»Es ist kein er.«
Sam setzte sich langsam. »Was?«
»Es ist die Kostumbildnerin in Tessies Film. Ihr Name ist Barbara Carter.«
»Sind Sie sicher?« fragte Sam.
»Sie sind der einzige in der ganzen westlichen Hemisphare, der das nicht wei?.«
Sam schuttelte den Kopf. »Ich habe immer geglaubt, Tessie sei normal.«
»Sam, das Leben ist eine Cafeteria. Tessie ist ein hungriges Madchen.«
»Nun, ich denke nicht daran, einer gottverdammten Buhnenbildnerin die Leitung eines Vier-Millionen- Dollar-Films anzuvertrauen.«
Dastin grinste. »Da haben Sie aber was Falsches gesagt.«
»Was soll das nun wieder hei?en?«
»Das hei?t, zu Tessies neuer Masche gehort auch die Ansicht, dass Frauen in diesem Geschaft keine faire Chance hatten. Ihr kleiner Star ist sehr feministisch geworden.«
»Ich werde es nicht tun«, sagte Sam.
»Tun Sie, was Sie wollen. Aber ich gebe Ihnen gratis und franko einen Rat: Es ist der einzige Weg, diesen Film jemals zu Ende zu fuhren.«
Sam telefonierte mit Barry Herman. »Sagen Sie Tessie, dass Ralph Dastin seine Mitarbeit gekundigt hat«,