An Tracys letztem Tag im Southern Louisiana Penitentiary for Women kam eine Frau aus ihrem altenBlock auf sie zu.»Dubist alsobald frei.«

«Ja.«

Die Frau hie?Betty Franciscus, war Anfang Vierzig, immer noch attraktiv und von einem naturlichen Stolz, der sie wie eine Aura umgab.

«Wenn du drau?en Hilfebrauchst — da gibt es einen Mann in New York, den du aufsuchen solltest. Er hei?t Conrad Morgan. «Sie steckte Tracy einen Zettel zu.»Er hat sich sehr fur die Resozialisierung engagiert und unterstutzt gern Leute, die im Gefangnis waren.«

«Danke, aber ich glaube nicht, da? ich das je…«

«Man kann nie wissen. Bewahr die Adresse fur alle Falle auf.«

Zwei Stunden spater ging Tracy durchs Gefangnistor, an den Fernsehkameras vorbei. Sie wollte nicht mit den Reportern

sprechen, doch als sich Amy von ihrer Mutter losri? und in Tracys Arme flog, surrten die Kameras. Und dieseBilder wurden dann in den Abendnachrichten gezeigt.

Freiheit war fur Tracy kein abstraktes Wort mehr. Es war etwas Fuhlbares, an dem man sich freuen und das man genie?en konnte. Freiheit, das hie?: frische Luft atmen, eine Privatsphare haben, nicht in Schlangen nach Essen anstehen und sich nicht nach schrillen Glocken richten mussen. Es hie?: hei?eBader und duftende Seifen, weiche Unterwasche, hubsche Kleider und hochhackige Schuhe. Esbedeutete: einen Namen zu haben, statt eine Nummer zu sein. Esbedeutete: BigBertha entronnen zu sein und der Angst vor Vergewaltigung und der todlichen Monotonie des Gefangnisalltags.

Es dauerte eine Weile, bis sich Tracy wieder in die Freiheit eingelebt hatte. Wenn sie die Stra?e entlangging, achtete sie sorgsam darauf, mit keinem Menschen zusammenzusto?en. Wenn man im Gefangnis jemanden aus Versehen anrempelte, konnte das der Funke sein, der das Pulverfa? zum Explodierenbrachte. Am schwierigsten fand es Tracy, sich daran zu gewohnen, da? nichts und niemand siebedrohte.

Es stand ihr frei, ihre Plane in die Tat umzusetzen.

In Philadelphia verfolgte Charles Stanhope junior auf dem Fernsehschirm mit, wie Tracy das Gefangnis verlie?. Sie ist immer noch schon, dachte er. Wenn er's sich recht uberlegte, so schien es ein Ding der Unmoglichkeit, da? sie die Verbrechenbegangen hatte, fur die sie verurteilt worden war. Er warf einen fluchtigenBlick auf seine musterhafte Frau, die friedlich strickend am anderen Ende des Raumes sa?. Ich frage mich, obich einen Fehler gemacht habe.

Daniel Cooperbeobachtete Tracy im TV in seiner New

Yorker Wohnung. IhreBegnadigung war ihm vollig egal. Er stellte den Fernseher abund wandte sich wieder der Akte zu, die er geradebearbeitete.

Als Joe Romano die Abendnachrichten sah, lachte er schallend. Die Whitney hatte mehr Gluck als Verstand. Das Gefangnis war sicher nicht das Schlechteste fur sie. Inzwischen mu? sie affengeil sein. Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder.

Romano war recht zufrieden mit sich. Er hatte den Renoir schon langst an einen Hehler weitergeleitet, und dasBild war von einem Privatsammler in Zurich gekauft worden. Funfhundert Riesen von der Versicherung und noch mal zweihundertfunfzig vom Hehler. Naturlich hatte sich Romano das Geld mit Anthony Orsatti geteilt. Romano war da sehr gewissenhaft, denn er hatte des ofteren miterlebt, was Leuten passierte, die sichbei ihren Geschaften mit Orsatti nicht korrekt verhielten.

Am Montagmittag kehrte Tracy als Laureen Hartford in die First MerchantsBank of New Orleans zuruck. Zu dieser Stunde herrschte dort Hochbetrieb. Vor Lester Torrances Schalter hatte sich eine Schlange gebildet. Tracy stellte sich dazu, und als Lester sie sah, nickte er ihr strahlend entgegen. Sie war noch schoner, als er sie in Erinnerung hatte.

Als Tracy schlie?lich vor ihm stand, verkundete Lester:»Also, einfach war es nicht, aber fur Sie habich's gern getan, Laureen.«

Ein warmes, anerkennendes Lacheln erhellte Laureens Gesicht.»Ach, Sie sind wirklich wunderbar.«

«Hier…«Lester zog eine Schublade auf, nahm den kleinen Karton voll Schecks heraus, den er in die hinterste Ecke geschoben hatte, und uberreichte ihn Laureen.»Bitte. Vierhundert Stuck. Ist das genug?«

«Oh, mehr als genug. Es sei denn, Mr. Romano stellt jetzt Tag und Nacht nur noch Schecks aus. «Sieblickte Lester tief in die Augen und seufzte:»Sie haben mir das Leben gerettet.«

Lester empfand ein angenehmes Kribbeln in den Lenden.»Ich finde, die Menschen sollten nett zueinander sein. Finden Sie nicht auch, Laureen?«

«Doch, Lester. Sie haben ja so recht!«

«Wissen Sie was? Sie sollten hier ein Konto eroffnen. Bei mir waren Sie gut aufgehoben. Echt gut.«

«Ich wei?«, gurrte Laureen.

«Wollen wir nicht irgendwo zum Essen gehen und mal daruber reden?«

«Mit Wonne.«

«Wo kann ich Sie telefonisch erreichen, Laureen?«

«Oh, ich werde Sie anrufen, Lester. «Und damit entfernte sie sich.

«Jetzt warten Sie doch noch eine…«Der nachste Kunde trat vor Lesters Schalter und reichte dem schwer frustrierten Mann einen Sack voll Munzen.

In der Mitte derBankbefanden sich vier Tische mitBehaltern fur Ein- und Auszahlungsbelege, und an den Tischen drangten sich Leute, die damitbeschaftigt waren, Formulare auszufullen. Tracy entfernte sich aus Lesters Sicht. EinBankkunde stand von einem der Tische auf, und Tracy setzte sich an seinen Platz. Der Karton, den Lester ihr gegeben hatte, enthielt acht PackchenBlankoschecks. Aber Tracy war nicht an den Schecks interessiert, sondern an denbeigefugten Einzahlungsbelegen.

Sie trennte die Einzahlungsbelege von den Schecks und hielt in weniger als drei Minuten achtzig Einzahlungsbelege in der Hand.

Sie vergewisserte sich, da? niemand siebeobachtete, und legte zwanzig davon in den Metallbehalter.

Dann ging sie zum nachsten Tisch, wo sie wieder zwanzig

Einzahlungsbelege deponierte. Nach kurzer Zeit hatte sie alle auf die vier Tische verteilt. Es handelte sich umBlankoformulare, aber im unteren Feld eines jeden war ein Magnetstreifen mit Joe Romanos personlichem Kode. Egal, wer mit diesen Formularen Geld einzahlte: Der Computer wurde denBetrag automatisch als Gutschrift auf Joe Romanos Kontobuchen. Dank ihrerBankerfahrung wu?te Tracy, da? die Formulare mit Joe Romanos personlichem Kode in spatestens zwei Tagen aufgebraucht sein wurden und da? es mindestens funf Tage dauern wurde, bis die Panne auffiel. Und damitbliebihr reichlich Zeit fur das, was sie plante.

Tracy verlie? dieBank und warf die Schecks ein paar Stra?en weiter in einen Abfallkorb. Mr. Joe Romano wurde sie nichtbrauchen.

Tracys nachste Station war die New Orleans Holiday Travel Agency. Die junge Frau hinter dem Tresen fragte:»Kann ich Ihnen helfen?«

«Ja. Ichbin Joseph Romanos Sekretarin. Mr. Romano mochte fur Freitag dieser Woche einen Flug nach Rio de Janeirobuchen.«

«Ein Ticket?«

«Ja. Erster Klasse. Gangplatz. Raucher, bitte.«

«Hin und zuruck?«

«Einfach.«

Die Frau vom Reiseburo zog ihren Tischcomputer zu Rat. Nach ein paar Sekunden sagte sie:»Alles klar. Ein Sitz erster Klasse, Pan American, Flugnummer 728. Die Maschine geht am Freitag um 18 Uhr 35. Kurze Zwischenlandung in Miami.«

«Bestens«, sagte Tracy.

«Macht 1929 Dollar. Wollen Siebar zahlen? Oder geht das auf Kreditkarte?«

«Zahlungbei Ablieferung. Konnen Sie das Ticketbitte am Donnerstag in Mr. RomanosBuro zustellen?«

«Wir konnen es auch schon morgen zustellen, wenn Sie

wollen.«

«Nein. Morgen ist Mr. Romano nicht da. Donnerstag um elf — geht das?«

«Ja, naturlich. Und an welche Adresse?«

«Mr. Joseph Romano, Poydras Street 217, Zimmer 408.«

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