Trevor machte sich an ihrem Koffer zu schaffen, klappte den Deckel auf. Es hatte keinen Sinn, ihn daran zu hindern. Tracy sah zu, wie er das Ledertaschchen aus dem Koffer nahm. Er offnete es, schaute seinen Partner an und nickte. Tracy lie? sich auf den Sitz sinken. Ihr war auf einmal so schwach, da? sie nicht mehr stehen konnte.
Trevor zog eine Liste aus seinem Anzug, verglich die Posten darauf mit dem Inhalt des Taschchens und schobdas Taschchen ein.»Alles da, Tom.«
«Wie… wie haben Sie das rausgekriegt?«fragte Tracy klaglich.
«Wir sind nichtbefugt, Ihnen Auskunfte zu erteilen«, entgegnete Trevor.»Sie sind verhaftet. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern, und Sie haben das Recht, sich vor einer etwaigen Aussage mit einem Anwalt ins Einvernehmen zu setzen. Alles, was Sie von nun an sagen, kann gegen Sie verwendet werden. Verstanden?«
«Ja«, flusterte Tracy.
TomBowers sagte:»Das tut mir leid. Ich meine — ich kenne Ihre Vorgeschichte, und es tut mir ehrlich leid.«
«Heiliger Gott«, knurrte der altere Mann,»das ist doch kein Wohlfahrtsbesuch.«
«Ich wei?, aber trotzdem…«
Dennis Trevor zog Handschellen aus der Tasche und hielt sie vor Tracy hin.»Nehmen Siebitte die Arme ein Stuck hoch.«
Tracys Herz krampfte sich zusammen. Sie dachte an ihre Verhaftung auf dem Flugplatz in New Orleans, an den kalten Stahl der Handschellen um ihre Gelenke, an die gaffenden Passanten.
«Bitte! Mu? das sein?«
«Ja, Ma'am.«
Der jungere FBI?Agent sagte:»Kann ich eine Minute allein mit dir reden, Dennis?«
Dennis Trevor zuckte die Achseln.»Okay.«
Diebeiden Manner traten auf den Seitengang. Tracy sa?benommen und verzweifelt im Abteil. Sie horteBruchstucke des Gesprachs.
«Um Himmels willen, Dennis, es ist nicht notig, ihr Handschellen anzulegen. Sie lauft uns schon nicht weg…«
«Wann wirst du endlich erwachsen, Mensch? Wenn du so langbeim FBI warst wie ich…«
«Na, nun gibihr eine Chance. Es ist ihr sowieso schon peinlich genug, und…«
«Da kommen noch ganz andere Dinge auf sie zu…«
Den Rest des Gesprachs konnte Tracy nicht verstehen. Sie wollte ihn auch nicht verstehen.
Diebeiden Manner kehrten ins Abteil zuruck. Der altere machte einen verargerten Eindruck.»Na schon«, sagte er,»wir legen Ihnen keine Handschellen an. Am nachstenBahnhof steigen wir mit Ihnen aus. Wirbestellen schon mal
per Funk einen Wagen. Und Siebleiben hier im Abteil. Verstanden?«
Tracy nickte. Sie konnte nicht sprechen, so schlimm war ihr zumute.
Der jungere Mann, TomBowers, zuckte mitfuhlend die Achseln, wie um zu sagen:»Ich wollte, ich konnte mehr fur Sie tun.«
Doch niemand konnte etwas fur sie tun. Jetzt nicht mehr. Es war zu spat. Man hatte sie auf frischer Tat ertappt. Irgendwie hatte die Polizei herausgefunden, da? sie es war, und das FBI verstandigt.
Die Agenten redeten drau?en auf dem Seitengang mit dem Schaffner. Trevor deutete auf Tracy und sagte etwas, das sie nicht verstand. Der Schaffner nickte. Trevor schlo? die Abteiltur. Fur Tracy horte es sich so an, als wurde eine Zellentur zugeschlagen.
Die Landschaft zog an den Zugfenstern vorbei, aber Tracy schenkte ihr keinenBlick. Sie sa? da wie gelahmt. Angst erfullte sie. Sie hatte ein Drohnen in den Ohren, das nichts mit dem Fahrtlarm zu tun hatte. Eine zweite Chance wurde sie nichtbekommen. Sie war ruckfallig geworden. Sie wurde die Hochststrafe kriegen, und diesmal wurde keine Amy da sein, die sie retten konnte, diesmal wurde es nichts geben als geisttotende, endlose Gefangnisjahre. UndBigBerthas. Wie hatte das FBI sie erwischt? Der einzige Mensch, der uber den DiebstahlBescheid wu?te, war Conrad Morgan, und der hatte keinen Grund, sie zu verraten. Denn damit verlor er ja auch die Juwelen. Wahrscheinlich hatte irgend jemand in seinem Geschaft Wind von dem Planbekommen und der Polizei einen Tip gegeben. Der Ablauf war letztlich egal. Das FBI hatte sie geschnappt. Am nachstenBahnhof wurde sie aussteigen undbald wieder auf dem Weg ins Gefangnis sein. Dann das Hearing, dann der Proze?, und dann…
Tracy schlo? die Augen. Sie wollte nicht mehr daruber
nachdenken. Sie spurte, wie ihr hei?e Tranen uber die Wangen rannen.
Der Zug fuhr jetzt langsamer. Tracybekam fast keine Luft mehr. Jeden Moment wurden diebeiden FBI?Agenten sie holen. EinBahnhof tauchte auf, und ein paar Sekunden spater hielt der Zug. Zeit zu gehen. Tracy klappte ihren Koffer zu, zog ihren Mantel an und setzte sich. Sie starrte die geschlossene Abteiltur an, wartete darauf, da? sie sich offnete. Minuten vergingen. Die zwei Manner lie?en sich nichtblicken. Was machten sie wohl? Tracy dachte an Trevors Worte:»Am nachstenBahnhof steigen wir mit Ihnen aus. Wirbestellen schon mal per Funk einen Wagen. Und Siebleiben hier im Abteil.«
Sie horte den Schaffner rufen:»Alles einsteigen…«Tracy geriet in Panik. Vielleicht hatten diebeiden FBI?Agenten es so gemeint, da? sie auf demBahnsteig auf sie warten wurden. Wenn sie im Zugblieb, konnte ihr das als Fluchtversuch ausgelegt werden. Was sie in eine noch heiklere Lagebrachte. Tracy griff sich ihren Koffer, offnete die Abteiltur und eilte auf den Seitengang.
Der Schaffner nahte.»Wollen Sie hier aussteigen, Mi??«fragte er.»Dann mussen Sie sichbeeilen. Und lassen Sie sich von mir helfen. Wenn eine Frau in anderen Umstanden ist, soll sie keine schweren Sachen tragen.«
Tracyblickte den Schaffner mit gro?en Augen an.»In anderen Umstanden?«
«Na, dasbraucht Ihnen doch wirklich nicht peinlich zu sein, da? ich das wei?. IhreBruder haben's mir gesagt. Sie haben gesagt, da? Sie schwanger sind und da? ich mich einbi?chen um Sie kummern soll.«
«MeineBruder?«
«Nette Jungs. Waren wirklich um Siebesorgt.«
Tracy wurde auf einmal schwindlig. Alles ging drunter und druber.
Der Schaffner trug den Koffer zum Ende des Waggons und half Tracy auf denBahnsteig. Der Zug setzte sich inBewegung.
«Wissen Sie, wo meineBruder geblieben sind?«rief Tracy.
«Nein, Ma'am. Als der Zug hier gehalten hat, sind sie in ein Taxi gestiegen.«
Mit Juwelen im Wert von einer Million Dollar.
Tracy lie? sich zum Flughafen fahren. Das war der einzige Ort, der ihr einfiel. Wenn die zwei Manner ein Taxi genommen hatten, hie? das, da? sie kein eigenes Auto hatten und erst recht keinen Dienstwagen, und sie wurden sicher so schnell wie moglich die Stadt verlassen wollen. Tracy lehnte sich zuruck. Sie war wutend uber das, was diebeiden mit ihr veranstaltet hatten, und sie schamte sich dafur, wiebereitwillig sie ihnen auf den Leim gegangen war. Oh, sie waren gut. Allebeide. Wirklich gut. So uberzeugend. Tracy errotetebei dem Gedanken, wie leicht sie auf das uralte Klischee vom lieben und vombosen Cop hereingefallen war.
Um Himmels willen, Dennis, es ist nicht notig, ihr Handschellen anzulegen. Sie lauft uns schon nicht weg…
Wann wirst du endlich erwachsen, Mensch? Wenn du so langbeim FBI warst wie ich…
Vom FBI waren diebeiden also nicht. Aber Gauner waren sie sicher. Und Tracy hatte zuviel riskiertbei der ganzen Geschichte, um sich von zwei Erzhalunken austricksen zu lassen. Sie mu?te rechtzeitig am Flughafen sein.
Siebeugte sich vor und sagte zum Taxifahrer:»Konnten Siebitte einbi?chen Tempo zulegen, ja?«
Diebeiden Manner standen in der Schlange vor dem Tor zum Flugsteig, und Tracy erkannte sie nicht gleich. Der jungere, der sich ThomasBowers genannt hatte, trug jetzt keineBrille mehr, die Farbe seiner Augen hatte sich verandert
— sie waren grau stattblau —, und der Schnurrbart war verschwunden. Der andere, Dennis Trevor, der dickes schwarzes Haar gehabt hatte, hatte jetzt eine Glatze. Aber es waren die zwei von vorhin. Sie hatten nicht die Zeit gehabt, sich umzuziehen. Und sie waren fast am Tor, als Tracybei ihnen ankam.
«Sie haben was vergessen«, sagte Tracy.