«Betty Franciscus hat mir geraten, Sie aufzusuchen, Mr. Morgan. Sie hat gesagt, da? Sie Menschen helfen, die im… die in Schwierigkeiten waren. «Tracy konnte sich nicht dazu uberwinden, das Wort Gefangnis auszusprechen.

Conrad Morgan legte die Hande aneinander, und Tracybemerkte, wie schon manikurt sie waren.

«Die armeBetty. So eine liebe Frau. Aber sie hatte eben Pech.«

«Pech?«

«Ja. Sie ist erwischt worden.«

«Ich… ich verstehe nicht, was Sie meinen.«

«Es ist ganz einfach, Mi? Whitney. Betty hat fur mich gearbeitet. Es konnte ihr eigentlich nichts passieren. Aber dann hat sich das arme Weibin einen Chauffeur aus New Orleans verliebt und ist auf eigene Faust losgezogen. Ja nun, und da ist sie eben erwischt worden.«

Tracy war verwirrt.»Sie hat hier als Verkauferin fur Sie gearbeitet, ja?«

Conrad Morgan lehnte sich zuruck und lachte, bis ihm die Tranen kamen.»Nein, mein liebes Kind«, sagte er und wischte sich die Tranen ab.»Offenbar hatBetty Ihnen nicht alles erklart. «Er faltete die Hande.»Ich habe einen sehr eintraglichen kleinen Nebenerwerb, Mi? Whitney, und es macht mir gro?e Freude, die Gewinne, die erbringt, mit meinen Kollegen zu teilen. Ichbeschaftige mit dem schonsten Erfolg Leute wie Sie, Leute, die, pardon, schon mal gesessen haben.«

Tracybetrachtete sein Gesicht. Ihre Verwirrung nahm zu.

«Ichbefinde mich in einer einzigartigen Lage, mussen Sie

wissen. Ich habe eine schwerreiche Kundschaft. Meine Kunden werden meine Freunde. Sie vertrauen mir. «Er tippte die Fingerspitzen zart gegeneinander.»Ich wei?, wann meine Kunden verreisen. Die wenigsten nehmen in diesen gefahrlichen Zeiten ihren Schmuck mit; sie lassen ihn lieber zu Hause. Und ichberate sie in der Frage, wie sie ihre Preziosen ambesten sichern. Ich wei? genau, welche Juwelen siebesitzen, weil sie siebei mir gekauft haben. Sie…«

Tracy stand abrupt auf.»Danke, Mr. Morgan.«

«Sie wollen doch nicht etwa schon gehen?«

«Wenn Sie damit sagen wollen, was ich glaube…«

«Ja. Das will ich in der Tat damit sagen.«

Tracys Wangenbrannten.»Ichbin keine Kriminelle. Ichbin hierher gekommen, weil ich Arbeit suche.«

«Und ichbiete Ihnen welche, mein liebes Kind. Nimmt nicht mehr als ein, zwei Stunden von Ihrer Zeit in Anspruch, und ich kann Ihnen funfundzwanzigtausend Dollar in Aussicht stellen. «Er lachelte spitzbubisch.»Steuerfrei naturlich.«

Tracy mu?te sich sehrbemuhen, ihres Unmuts Herr zu werden.»Ichbin nicht interessiert. Wurden Sie mich jetztbitte nach drau?en lassen?«

«Gewi?. Wenn Sie wollen…«Er erhobsich und fuhrte sie zur Tur seinesBuros.»Eins noch zu Ihrer Information, Mi? Whitney: Wenn auch nur die geringste Gefahrbestunde, da? jemand erwischt wird, hatte ich diesen Nebenerwerbnicht. Ich habe schlie?lich einen guten Namen. Und den mu? ich verteidigen.«

«Ich verspreche Ihnen, da? ich's nicht weitersage«, entgegnete Tracy kuhl.

Er grinste.»Das konnen Sie auch gar nicht, mein liebes Kind. Ich meine — wer wurde Ihnen glauben?«

Als siebei der Ladentur waren, fuhr er fort:»Sie sagen mirBescheid, wenn Sie es sich doch noch anders uberlegen, ja? Man erreicht mich telefonisch am ehesten nach 18 Uhr. Ich

warte auf Ihren Anruf.«

«Tun Sie's nicht«, erwiderte Tracybarsch. Und sie ging in diebeginnende Dunkelheit hinaus. Als sie in ihr Zimmer kam, zitterte sie immer noch.

Sie lie? sich vom einzigen Pagen des Hotels ein Sandwich und Kaffeebringen. Ihr war nicht danach zumute, jemanden zu sehen. Sie fuhlte sich unrein nach derBegegnung mit Conrad Morgan. Er hatte sie mit all den traurigen, konfusen und kaputten Typen in einen Topf geworfen, von denen sie im Southern Louisiana Penitentiary for Women umgeben gewesen war. Aber sie gehorte nicht zu ihnen. Sie war Tracy Whitney, EDV?Expertin und anstandige, gesetzestreueBurgerin.

Der niemand Arbeit gab.

Tracy lag die ganze Nacht wach und grubelte uber ihre Zukunft nach. Sie hatte keine Arbeit und kaum noch Geld. Sie fa?te zwei Entschlusse: Morgen wurde sie sich nach einerbilligeren Wohngelegenheit umsehen und einen Jobsuchen. Und jeden annehmen.

Diebilligere Wohngelegenheit war ein trostloses Einzimmerappartment an der Lower Hast Side. Durch die papierdunnen Wande konnte Tracy horen, wie sich ihre Nachbarn in allen moglichen Sprachen anschrieen. Die Fenster und Turen der kleinen Laden in dieser Gegend waren verrammelt und verriegelt, und Tracy verstand gut, warum. Es wimmelte hier vonBetrunkenen, Prostituierten und Stadtstreicherinnen.

Auf dem Weg zum Einkaufenbekam Tracy drei unsittliche Antrage: zwei von Mannern und einen von einer Frau.

Das werde ich schon aushalten. Ichbleibe hier nicht lang, sagte sich Tracy.

Sie suchte ein kleines Stellenvermittlungsburo auf, das ein paar Stra?en von ihrem Appartment entfernt war. Betrieben

wurde es von Mrs. Murphy, einer matronenhaften, dicklichen Dame. Sie notierte sich Tracys Lebenslauf undblickte sie fragend an.»Ich wei? nicht, wofur Sie michbrauchen. Es gibt doch sicher Dutzende von Firmen, die sich alle zehn Finger danach lecken wurden, Sie zu kriegen.«

Tracy holte tief Luft.»Ich habe ein Problem«, sagte sie. Sie erklarte, was zu erklaren war, und Mrs. Murphy horte ihr schweigend zu. Als Tracy ausgeredet hatte, meinte sie:»Computerjobs… also, das konnen Sie vergessen.«

«Aber Sie haben doch gesagt…«

«Die Firmen, die mit EDV arbeiten, sind sehr pingelig. Die stellen niemand an, der vorbestraft ist.«

«Aber ichbrauche unbedingt einen Job. Ich…«

«Es gibt auch noch andere Jobs. Haben Sie schon mal daran gedacht, als Verkauferin zu arbeiten?«

Tracy erinnerte sich an die hysterische Frau im Kaufhaus. So etwas noch einmal — nein, das hielt sie nicht aus.»Was anderes haben Sie nicht?«

Mrs. Murphy zogerte. Tracy Whitney war etwas uberqualifiziert fur den Job, den sie zubieten hatte.»Ich wei?, das ist nicht so ganz Ihre Richtung«, sagte sie,»aber im Jackson Hole ware 'ne Stelle frei. Das ist ein E?lokal an der Upper East Side.«

«Was fur eine Stelle? Kellnerin?«

«Ja. Wenn Sie sie nehmen, verlange ich keine Provision von Ihnen. Ich hab's nur zufallig gehort.«

Tracy dachte nach. Sie hatte auf dem College in Kneipen gearbeitet. Damals war esblo? Jux gewesen. Jetzt ging es ums Uberleben.

«Ich will's versuchen«, sagte sie.

Das Lokal war ein Tollhaus. Laute, ungeduldige Gaste und geplagte, gereizte Koche. Das Essen war gut, die Preise waren vernunftig, und die Kneipe war immer rammelvoll. Die

Kellnerinnen mu?ten sich hetzen von fruhbis spat, Ruhepausen gabes nicht, und am Ende des ersten Tages war Tracy dem Zusammenbruch nahe. Aber sie verdiente Geld.

Am Nachmittag des zweiten Tagesbediente Tracy einen Tisch, an dem eine Runde von Vertretern sa?, und einer der Manner fa?te ihr an den Rock und noch ein Stuck hoher. Tracy kippte ihm einen Teller Chili uber den Kopf. Damit hatte sie diesen Jobverloren.

Sie ging wieder zu Mrs. Murphy undberichtete ihr, was geschehen war.

«Vielleicht habe ich was fur Sie«, sagte Mrs. Murphy.»Das Wellington Arms sucht eine Assistentin fur die Wirtschafterin. Da schicke ich Sie mal hin.«

Das Wellington Arms war ein kleines, elegantes Hotel in der Park Avenue. Hier stiegen reiche undberuhmte Leute ab.

Die Wirtschafterin unterhielt sich mit Tracy, und sie wurde eingestellt. Der Jobwar nicht schwer, die Kollegen waren nett, und die Arbeitszeit war human.

Eine Woche spater wurde Tracy insBuro der Wirtschafterin zitiert. Der Geschaftsfuhrer war auch da.

«Haben Sie heute schon Suite 827 uberpruft?«fragte die Wirtschafterin. In der Suite wohnte Jennifer Marlowe, eine Hollywood?Schauspielerin. Es gehorte zu Tracys Job, alle Raume zu inspizieren und sich zu

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