zustand.
Also tippte sie die 1735 Dollar und 65 Cent ein und fugte Rita Gonzales Kontonummer hinzu. Der Betrag wurde ihr
unverzuglich gutgeschrieben werden.
Der Verkaufer naherte sich wieder. Diesmal stirnrunzelnd. Tracy druckte rasch eine Taste, und derBildschirm war leer.
«Wollen Sie diesen Rechner kaufen, Mi??«
«Nein danke, Senor«, sagte Tracy.»Ich versteh nix von Computern.«
Vom nachsten Drugstore aus rief sie dieBank an und lie? sich mit der Oberbuchhalterin verbinden.
«Hallo. Hier Rita Gonzales. Ich mochte mein Scheckkonto transferieren, und zwar zur Hauptstelle der First HanoverBank in New York City.«
«Ihre Kontonummer, Mi? Gonzales?«
Tracy nannte sie.
Eine Stunde spater hatte sie das Hotel verlassen und war auf dem Weg nach New York.
Als die First HanoverBank am nachsten Morgen um zehn ihre Pforten offnete, war Rita Gonzales da, um alles Geld von ihrem Konto abzuheben.
«Wieviel ist denn drauf?«fragte sie.
Der Mann am Schalter sah nach.
«Eintausendsiebenhundertfunfunddrei?ig Dollar und
funfundsechzig Cent.«
«Stimmt.«
«Mochten Sie einenbestatigten Scheck, Mi? Gonzales?«
«Nein danke, Senor«, sagte Tracy.»Ich habkein Vertrauen zuBanken. Ich nehm's inbar.«
Tracy hattebei ihrer Entlassung aus dem Gefangnis die ublichen zweihundert Dollarbekommen, dazu den kleinenBetrag, den sie sich als Kindermadchen verdient hatte, aber auch mit dem Geld aus dem allgemeinen Fonds der Philadelphia Trust and FidelityBank hatte sie keine finanzielle Sicherheit. Sie mu?te so schnell wie moglich einen Jobfinden.
Tracy stieg in einembilligen Hotel in der Lexington Avenue
abundbegann, Bewerbungen an New YorkerBanken zu schicken, in denen sie sich als EDV?Expertin empfahl. Sie mu?te entdecken, da? der Computer plotzlich ihr Feind war. Ihr Leben war keine Privatangelegenheit mehr. DieBankcomputer hatten ihreBiographie gespeichert und verrieten sie jedem, der die richtigen Knopfe druckte. Sobald ans Licht kam, da? Tracy vorbestraft war, wurde ihreBewerbung abgelehnt.
Angesichts Ihrer Vergangenheit halte ich es auch fur unwahrscheinlich, da? eine andereBank Sie anstellen wird. Clarence Desmond hatte recht gehabt.
Nunbewarbsich Tracybei Versicherungen und einem Dutzend weitererBranchen, die mit EDV arbeiteten. Und stets erhielt sie negativenBescheid.
Na schon, dachte Tracy. Ich kann ja auch was anderes machen. Sie kaufte sich die New York Times und las die Stellenangebote.
Eine Exportfirma suchte eine Sekretarin.
Als Tracy in die Tur trat, sagte der Personalchef:»He, ich habSie im TV gesehen. Sie haben doch im Gefangnis ein kleines Kind gerettet, nicht?«
Tracy drehte sich um und floh.
Am nachsten Tag wurde siebei Saks in der Fifth Avenue als Verkauferin in der Spielzeugabteilung eingestellt. Ihr Gehalt war sehr viel niedriger alsbei derBank, aber immerhin — sie konnte davon leben.
Zwei Tage spater erkannte sie eine hysterische Kundin und sagte dem Abteilungsleiter, da? sie sich nicht von einer Morderinbedienen lasse, die ein kleines Kind ertrankt habe. Tracybekam nicht einmal die Chance, eine Erklarung abzugeben. Sie wurde auf der Stelle gefeuert.
Es schien Tracy, da? die Manner, an denen sie Rache geubt hatte, doch das letzte Wortbehielten. Sie hatten sie zur Verbrecherin gestempelt, zur Ausgesto?enen. Es war eine
himmelschreiende Ungerechtigkeit. Tracy wu?te nicht, wovon sie leben sollte. Sie war verzweifelt. An diesem Abend machte sie Kassensturz und fand in einem Fach ihres Portemonnaies den Zettel, den ihrBetty Franciscus kurz vor ihrer Entlassung aus dem Gefangnis zugesteckt hatte:
CONRAD MORGAN,
JUWELIER,
FIFTH AVENUE 640,
NEW YORK CITY.
Er hat sich sehr fur die Resozialisierung engagiert und unterstutzt gern Leute, die im Gefangnis waren.
Conrad Morgan Cie. war ein hochelegantes Geschaft. Drau?en vor der Tur stand ein livrierter Portier, drinnen hutete einbewaffneter Wachmann die Juwelen. Der Laden war mit geschmackvollem Understatement eingerichtet, aber der Schmuck war exquisit — und sundhaft teuer.
Tracy sagte zu der Empfangsdame:»Ich mochtebitte Mr. Morgan sprechen.«
«Sind Sie angemeldet?«
«Nein. Eine… eine gemeinsame Freundin hat mir empfohlen, ihn aufzusuchen.«
«Wie hei?en Sie?«
«Tracy Whitney.«
«Einen Moment, bitte.«
Die Empfangsdame griff zum Telefon und murmelte etwas in die Muschel, das Tracy nicht verstehen konnte. Dann legte sie auf.»Mr. Morgan hat im Augenblick zu tun. Konnten Sie wohl um 18 Uhr wiederkommen?«
«Ja«, sagte Tracy.»Danke.«
Sie verlie? das Geschaft und stand unsicher auf demBurgersteig. Es war ein Fehler gewesen, nach New York zu
gehen. Conrad Morgan konnte wahrscheinlich nichts fur sie tun. Und warum sollte er auch? Sie war schlie?lich eine Fremde. Er wird mir eine Moralpredigt halten und mir ein Almosen in die Hand drucken. Ich will weder das eine noch das andere. Weder von ihm noch von jemand anderem. Ich habe das nicht notig. Irgendwie schaff ich's schon. Zum Teufel mit Conrad Morgan. Ich gehe nicht wieder hin.
Tracy wanderte ziellos durch die Stra?en von New York, an eleganten Geschaften vorbei, anbewachten Wohnhausern, an kleinen, vollen Laden. Sie lief kreuz und quer wieblind, sah nichts, horte nichts, war nur verbittert und frustriert.
Zu ihrer eigenen Uberraschung fand sie sich um 18 Uhr in der Fifth Avenue wieder, und zwar genau vor Conrad Morgan & Cie. Der Portier war fort, die Tur zu. Tracy klopfte wie zum Hohn dagegen und wandte sich ab. Doch dann ging die Tur plotzlich auf.
Ein Mann, der wie ein guter Onkel aussah, stand auf der Schwelle undblickte Tracy an. Er war glatzkopfigbis auf zweiBuschel grauen Haares uber den Ohren, hatte ein vergnugtes rosiges Gesicht undblitzblaue Augen. Er erinnerte einbi?chen an einen lustigen kleinen Gnom.»Sind Sie Mi? Whitney?«
«Ja.«
«Ichbin Conrad Morgan. Bitte, kommen Sie herein.«
Tracy trat in das leere Geschaft.
«Ich habe schon auf Sie gewartet«, sagte Conrad Morgan.»Gehen wir in meinBuro. Da konnen wir in aller Ruhe miteinander reden.«
Er fuhrte sie durch das Geschaft zu einer abgeschlossenen Tur, die er mit einem Sicherheitsschlussel aufsperrte. SeinBuro war elegant eingerichtet. Es wirkte mehr wie eine Wohnung als wie ein Geschaftsraum — kein Schreibtisch, nur Sofas, Sessel und Tische in kunstvoller Anordnung. An den Wanden hingenBilder von alten Meistern.
«Mochten Sie etwas trinken?«fragte Conrad Morgan.
«Whisky, Cognac… oder vielleicht einen Sherry?«
«Nein danke.«
Tracy war auf einmal nervos. Sie hatte die Vorstellung, da? der Mann ihr helfen konnte, bereits aufgegeben, und gleichzeitig hoffte sie verzweifelt, er werde es doch tun.