Richter. Holen Sie mich hier raus, um Gottes willen!«

«Ich tue, was ich kann«, versicherte derBotschafter. Lawrences Aussehen schockierte ihn. Er hatte Lawrence und die anderen Mitglieder der Juristendelegationbegru?t, als sie vor zwei Wochen in der Sowjetunion eingetroffen waren. Der Mann, dem derBotschafter damals die Hand geschuttelt hatte, besa? keinerlei Ahnlichkeit mit der erbarmlichen, verangstigten Kreatur, die ihm jetzt gegenubersa?.

Verflucht, was fuhren die Russen diesmal im Schild? fragte sich derBotschafter. Der Richter ist ebensowenig ein Spion wie ich. Dann dachte er sarkastisch: Na, da hatte ich mir vielleicht einbesseresBeispiel einfallen lassen sollen.

DerBotschafter forderte ein Gesprach mit dem Vorsitzenden des Politburos, und als ihm dies verweigert wurde, beschied er sich mit einem der Minister.

«Ich mochte hiermit in aller Form protestieren«, sagte derBotschafter aufgebracht.»Es ist unverzeihlich, wie Ihr Land Richter Henry Lawrencebehandelt. Und es ist lacherlich, einen Mann von seinem Format der Spionage zubezichtigen.«

«Wenn Sie jetzt fertig sind«, entgegnete der Minister kuhl,»dann schauen Sie sich das mal an, bitte.«

Er uberreichte demBotschafter Fotokopien der Telegramme.

DerBotschafter las sie undblickte verwirrt auf.»Na, und? Die sind doch vollig harmlos?!«

«Wirklich? Dann lesen Sie siebitte noch einmal. Dechiffriert. «Der Minister gabdemBotschafter einen weiteren Satz Fotokopien. Jedes vierte Wort war ganz oder teilweise unterstrichen.

NACHSTES AUSSERORDENTLICHES FORTBILDENDES TREFFEN

DER RICHTER NUNMEHR ARRANGIERT.

TEILT UNS MIT, WIEVIEL ZIMMER, DA DIESEBESTELLT WERDEN

MUSSEN.

BORIS

RAT ERBETENBETREFFEND REISEPLANE. FLUGZEUG DER SCHWESTER SICHER, WENN AUCH VERSPATET EINGETROFFEN. PASS VERLOREN UND GELD.

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SCHONEM SCHWEIZER HOTEL.

DURCH DIEBANK ERSTKLASSIGES HAUS. BORIS

PASS FUR SCHWESTERBESCHAFFT UBER AMERIKANISCHE

BOTSCHAFT.

NEUE VISA NICHT EINGETROFFEN.

INFORMATIONEN LEIDER NICHT VERFUGBAR UBER DIE

AMERIKANISCHEBOTSCHAFT.

RUSSISCHES KONSULAT MOCHTE SCHWESTER AUSBOOTEN.

BORIS

Ich werd verruckt, dachte derBotschafter.

Der Proze? fand unter Ausschlu? der Offentlichkeit statt. Der Gefangenebliebverstocktbis zuletzt undbestritt hartnackig, da? sein Aufenthalt in der Sowjetunion Spionagezwecken diente. Die Anklage stellte ihm ein mildes Urteil in Aussicht, wenn er offenbarte, wer seine Auftraggeber waren, und Richter Lawrence hatte es nur zu gern offenbart, doch das konnte er leider nicht.

Am Tag nach dem Proze? wurde in der Prawda mit ein paar Zeilen gemeldet, da? ein fragwurdiger Gast aus Amerika,

Richter Henry Lawrence, der Spionage uberfuhrt und zu vierzehn Jahren Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt worden sei.

Die amerikanischen Geheimdienste standen, was den Fall Lawrencebetraf, vor einem Ratsel. Geruchte kursiertenbei der CIA, dem FBI, dem Secret Service und im Finanzministerium.

«Von uns ist er nicht«, sagte die CIA.»Wahrscheinlich hat er furs Finanzministerium gearbeitet.«

Das Finanzministerium stellte jede Kenntnis von der Affare in Abrede.»Nein, nichts da. Das ist nicht unserBier. Vermutlich wildert das verdammte FBI mal wieder in fremden Revieren.«

«Nie von ihm gehort«, hie? esbeim FBI.»Der ist wohl vom Secret Service oder von der Defense Intelligence Agency.«

Die Defense Intelligence Agency, die ebenso im dunkeln tappte wie die anderen Geheimdienste, lie? schlau verlauten:»Kein Kommentar. «Und alle waren sicher, da? die Konkurrenz Richter Henry Lawrence ins Ausland geschickt hatte.

«Hut abvor dem Mann«, sagte der Chef der CIA.»Der ist zah. Er hat nicht gestanden, und er hat keine Namen genannt. Ich wollte, wir hatten mehr Leute wie ihn.«

Es lief alles nicht so, wie es sollte, und Anthony Orsatti wu?te nicht, warum. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er Pech. Erst Joe Romanos Verrat, dann die Sache mit Perry Pope, und nun war auch noch der Richter fort, in irgendeineblodsinnige Spionageaffare verwickelt… Auf diese Manner hatte der Capo gebaut, ohne sie hatte seine MaschineBetriebsstorungen.

Joe Romano war der gro?e Organisator der Familie gewesen, und Orsatti hatte niemanden gefunden, der seine Nachfolge antreten konnte. Die Geschafte wurden schludrig gefuhrt, und plotzlichbeschwerten sich Leute, die es nie gewagt hatten, den Mund aufzumachen. Man munkelte, Tony

Orsatti werde alt, er konne seine Leute nicht mehr disziplinieren, seine Organisation zerfalle.

Den letzten Sto? versetzte ihm ein Anruf aus New Jersey.

«Wir haben gehort, du hast Schwierigkeiten, Tony. Wir wurden dir gern helfen.«

«Quatsch, ich habkeine Schwierigkeiten«, erwiderte Orsatti aufgebracht.»Sicher, ich hatte in letzter Zeit 'n paar kleine Probleme, aber jetzt ist alles wieder okay.«

«Wir haben da was anderes gehort. Es hei?t, da? deine Stadt au?er Rand undBand ist, da? niemand sie unter Kontrolle hat.«

«Ich habsie unter Kontrolle.«

«Aber es konnte ja sein, da? es dir zuviel wird. Vielleichtbist du uberarbeitet. Vielleichtbrauchst du 'nbi?chen Ruhe.«

«Das ist meine Stadt. Die la? ich mir nicht wegnehmen.«»He, Tony, wer hat denn was von Wegnehmen gesagt? Wir wollen dirblo? unter die Arme greifen. Die Familien hier im Osten haben sich zusammengesetzt, und wir habenbeschlossen, da? wir dir 'n paar Leute schicken. Die sollen dir eine kleine Hilfe sein. Da ist doch nichts dabei unter alten Freunden, oder?«

Orsatti lief ein eiskalter Schauer uber den Rucken. Es war nur eins dabei: Aus der kleinen Hilfe wurde eine gro?e Hilfe werden und aus dem Schneeball eine Lawine.

Ernestine hatte zum Abendessen Fischsuppe gemacht, und die Suppe kochelte auf dem Herd, wahrend Tracy und sie auf AI warteten. Die Septemberhitze ging allen Leuten auf die Nerven, und als AI schlie?lich in die kleine Wohnung trat, schrie Ernestine:»Wo warst du denn, verdammt noch mal? Die Suppe ist fast sauer geworden, und ichbin's schon lang!«

Aber AI war in einer solchen Hochstimmung, da? er sich von Ernestines Schimpferei nichtbeeindrucken lie?.»Ich habmich umgehort, Frau. Und jetzt pa?t mal auf, was ich rausgekriegt

habe. «Er wandte sich Tracy zu.»Die Mafia tritt Orsatti auf die Zehen. Die Familie aus New Jersey kommt hierher und ubernimmt die Stadt. «Er verzog das Gesicht zu einembreiten Grinsen.»Du hast ihn erledigt, den alten Drecksack!«Erblickte Tracy in die Augen, und sein Grinsen verschwand.»Bist du da nicht glucklich, Tracy?«

Was fur ein seltsames Wort, dachte Tracy. Glucklich. Sie hatte vergessen, was esbedeutete. Sie fragte sich, obsie je wieder glucklich sein, obsie je wieder normale Gefuhle empfinden wurde. Seit langer, langer Zeit hatte sie nur an Rache gedacht — Rache fur das, was man ihrer Mutter und ihr selbst angetan hatte. Jetzt war das Werk fast abgeschlossen, und Tracy spurte nichts als eine innere Leere.

Am nachsten Morgen ging Tracy in einBlumengeschaft.»Ich mochte, da? Sie etwas an Anthony Orsatti liefern. Einen Grabkranz mit wei?en Nelken. Dazu einebreite Kranzschleife. Auf der Schleife soll >Ruhe in Frieden< stehen. «Tracy schriebeinBegleitkartchen: Von Doris Whitneys Tochter.

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